Eine Schere schneidet die EU-Flagge und die Flagge von Grossbritannien auseinander.

Brex­it 3.0: Sechs Fra­gen und Ant­wor­ten

Nach dem 29. März und dem 12. April soll der Brex­it neu spä­tes­tens am 31. Ok­to­ber 2019 statt­fin­den. Es ist auch im In­ter­es­se der Schweiz, dass die sechs­mo­na­ti­ge «Denk­pau­se» für eine ein­ver­nehm­li­che Lö­sung im Brex­it-Drama ge­nutzt wird. Denn nach wie vor ist vie­les un­klar. Wir haben sechs Ant­wor­ten auf sechs drän­gen­de Fra­gen für Sie zu­sam­men­ge­stellt.

Wo klemmt’s ei­gent­lich beim Brex­it?

Vor allem in Gross­bri­tan­ni­en. Ohne Aus­tritts­ver­trag kein ge­re­gel­ter Brex­it. Aber das bri­ti­sche Un­ter­haus ver­sag­te just die­sem Deal gleich mehr­fach die Un­ter­stüt­zung. Der Wi­der­stand aus Re­gie­rungs- und Op­po­si­ti­ons­krei­sen kon­zen­triert sich dabei auf die Not­lö­sung der in­ner­i­ri­schen Gren­ze («back­stop») und die Eck­wer­te des künf­ti­gen Ver­hält­nis­ses mit der EU. Gleich­zei­tig konn­te sich das Par­la­ment je­doch nicht auf ein al­ter­na­ti­ves Vor­ge­hen ei­ni­gen. An­ge­sichts die­ser tie­fen po­li­ti­schen Krise in Gross­bri­tan­ni­en hat die EU nun zum drit­ten Mal einer Ver­schie­bung des Aus­tritts­da­tums zu­ge­stimmt.

März, April, Ok­to­ber … – wann tritt Gross­bri­tan­ni­en tat­säch­lich aus?

Das ist wei­ter­hin un­klar. Gross­bri­tan­ni­en und die EU haben sich zwar auf eine län­ge­re «Denk­pau­se» ge­ei­nigt. Neu soll der Brex­it spä­tes­tens am 31. Ok­to­ber 2019 statt­fin­den, aus­ser das Aus­tritts­ab­kom­men wird vor­her doch noch ra­ti­fi­ziert. Trotz­dem bleibt ein un­ge­re­gel­ter Brex­it wei­ter­hin im Raum. Die EU hat Nach­ver­hand­lun­gen er­neut ex­pli­zit aus­ge­schlos­sen.

Kopf­schmer­zen be­rei­ten der EU ins­be­son­de­re die an­ste­hen­den Eu­ro­pa­wah­len im Mai: Par­la­ments­wah­len ohne bri­ti­sche Be­tei­li­gung trotz Ver­bleib in der EU wür­den gegen EU-Recht ver­stos­sen. Sämt­li­che Be­schlüs­se des EU-Par­la­ments wären dann ju­ris­tisch an­greif­bar. Soll­te sich Gross­bri­tan­ni­en hier quer­stel­len und keine Wah­len durch­füh­ren, droht die EU des­halb mit dem un­ge­re­gel­ten Aus­tritt per 1. Juni 2019.

Hart oder weich – was für einen Brex­it wird es geben?

Der­zeit ist bei­des denk­bar. Der Ball liegt je­doch bei Gross­bri­tan­ni­en. Stimmt das Un­ter­haus dem Aus­tritts­ver­trag zu, folgt der Aus­tritt und eine Über­gangs­pe­ri­ode bis min­des­tens Ende 2020. Ge­re­gelt sind dann auch die fi­nan­zi­el­len Ver­pflich­tun­gen des Ver­ei­nig­ten Kö­nig­reichs ge­gen­über der EU, die Si­che­rung be­ste­hen­der Rech­te für UK- und EU-Bür­ge­rin­nen und -Bür­ger sowie der iri­sche «back­stop».

Ohne Deal schei­det Gross­bri­tan­ni­en je­doch ohne ver­trag­li­che An­schluss­lö­sung aus der EU aus – ak­tu­ell am 31. Ok­to­ber 2019. Zwar haben beide Par­tei­en für die­sen Fall Vor­be­rei­tun­gen ge­trof­fen. Der wirt­schaft­li­che Scha­den dürf­te trotz­dem be­trächt­lich sein – ins­be­son­de­re für Gross­bri­tan­ni­en. Ge­fähr­det ist dann auch der irisch-nord­iri­sche Frie­dens­pro­zess, was zu neuen Span­nun­gen auf der Insel füh­ren könn­te.

In wel­che Rich­tung es gehen wird, hängt nicht zu­letzt auch davon ab, wie sich die Kräf­te­ver­hält­nis­se und Mei­nungs­bil­der in Gross­bri­tan­ni­en bei all­fäl­li­gen Neu­wah­len, einem Re­gie­rungs­wech­sel oder einer zwei­ten Volks­ab­stim­mung ver­schie­ben.

Wäre die Schweiz ge­wapp­net für einen har­ten Brex­it?

Ja, gröss­ten­teils. Die Schweiz konn­te mit dem Ver­ei­nig­ten Kö­nig­reich bi­la­te­ral eine Auf­fang­lö­sung ver­ein­ba­ren, wel­che die ver­trag­li­chen Be­zie­hun­gen wei­test­ge­hend si­chert und den wirt­schaft­li­chen Scha­den mi­ni­miert. Kon­kret wur­den fünf bi­la­te­ra­le Ab­kom­men in den Be­rei­chen Land- und Luft­ver­kehr, Han­del, Ver­si­che­run­gen und Bür­ger­rech­te ab­ge­schlos­sen. Auch im Fall eines har­ten Brex­its ver­fügt die Schweiz somit über ge­re­gel­te Be­zie­hun­gen mit Gross­bri­tan­ni­en – an­ders als die EU-27. Aber auch die Schwei­zer Lö­sung ent­hält noch we­ni­ge Lü­cken. Diese kön­nen je­doch nur bei einer Ei­ni­gung zwi­schen der EU und Gross­bri­tan­ni­en ge­schlos­sen wer­den.

Be­ein­flusst der Brex­it auch das Ver­hält­nis Schweiz-EU?

Ja und nein. Nein, da der Brex­it die ver­trag­li­chen Be­zie­hun­gen der Schweiz zur EU di­rekt un­be­rührt lässt. An­ders als das Ver­ei­nig­te Kö­nig­reich, wel­ches seine In­te­gra­ti­on in den eu­ro­päi­schen Bin­nen­markt ten­den­zi­ell re­du­ziert, strebt die Schweiz zudem den Er­halt und Aus­bau des Markt­zu­gangs an.

Gleich­zei­tig über­la­gert sich der Brex­it je­doch mit den Ver­hand­lun­gen der Schweiz mit der EU über das in­sti­tu­tio­nel­le Ab­kom­men. Dies be­ein­flusst so­wohl die Sub­stanz als auch das ver­füg­ba­re Zeit­fens­ter für Ver­hand­lun­gen. Und auch un­ab­hän­gig davon hat die EU mit der Re­form der Eu­ro­zo­ne, der Mi­gra­ti­ons­fra­ge oder der in­ter­nen Ko­hä­si­on gros­se Her­aus­for­de­run­gen zu be­wäl­ti­gen.

Üb­ri­gens: Wuss­ten Sie, dass …

  • Ver­hand­lun­gen über das künf­ti­ge Ver­hält­nis zwi­schen Gross­bri­tan­ni­en und der EU erst nach dem Brex­it auf­ge­nom­men wer­den kön­nen?
  • Gross­bri­tan­ni­en den Brex­it je­der­zeit ein­sei­tig wi­der­ru­fen könn­te, so­lan­ge es noch for­mell EU-Mit­glied ist?
  • die Hälf­te der Bri­tin­nen und Bri­ten in­zwi­schen der Mei­nung sind, dass ein un­ge­re­gel­ter Brex­it schlecht für ihr Land sei?
  • eco­no­mie­su­is­se für sämt­li­che An­fra­gen zum Brex­it eine zen­tra­le An­lauf­stel­le ein­ge­rich­tet hat? brex­it@​eco​nomi​esui​sse.​ch