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Bi­la­te­ra­le: Sta­bi­le Be­zie­hun­gen in geo­po­li­tisch un­si­che­ren Zei­ten

Das Wich­tigs­te in Kürze:

  • Die Welt ist für die Ex­port­na­ti­on Schweiz un­si­che­rer ge­wor­den. Krie­ge, Han­dels­kon­flik­te und In­dus­trie­po­li­tik prä­gen die Agen­da. 
  • Ge­ra­de in die­sem Um­feld sind sta­bi­le Han­dels­be­zie­hun­gen mit der Eu­ro­päi­schen Union von gros­ser Be­deu­tung.
  • Darum ist es wich­tig, den bi­la­te­ra­len Weg zu si­chern und wei­ter­zu­ent­wi­ckeln.

Im Vor­wort zur Aus­sen­po­li­ti­schen Stra­te­gie 2024 bis 2027 wirft Bun­des­rat Igna­zio Cas­sis eine in­ter­es­san­te Frage auf: Wie wer­den nach­fol­gen­de Ge­ne­ra­tio­nen der­einst auf die frü­hen 2020er-Jahre zu­rück­bli­cken?

Viel ist pas­siert in den letz­ten fünf Jah­ren. Die Her­aus­for­de­run­gen für die Schweiz sind zwei­fels­oh­ne grös­ser ge­wor­den. Ins­be­son­de­re die COVID-19-Pan­de­mie, der grau­sa­me An­griffs­krieg Russ­lands auf die Ukrai­ne sowie die auf­flam­men­den Krie­ge und Kon­flik­te im Nahen Osten haben die geo­po­li­ti­sche Si­tua­ti­on ver­än­dert – auch für die Schweiz. Zudem haben auch die zu­neh­men­den Span­nun­gen im süd­chi­ne­si­schen Meer gros­ses geo­po­li­ti­sches Spreng­po­ten­zi­al.

Die Welt ist für die Ex­port­na­ti­on Schweiz un­si­che­rer ge­wor­den

Die­sen Wan­del spü­ren auch un­se­re Un­ter­neh­men: ge­mäss der jüngs­ten Um­fra­ge von eco­no­mie­su­is­se sehen 17% aller be­frag­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen die geo­po­li­ti­schen Span­nun­gen als gröss­tes Kon­junk­tur­ri­si­ko. Diese dämp­fen in der Regel nicht nur die Kon­sum­freu­de und In­ves­ti­ti­ons­lust, son­dern er­schwe­ren auch die Be­schaf­fung von Vor­pro­duk­ten und Roh­stof­fen.

Es ist stark davon aus­zu­ge­hen, dass die stra­te­gi­sche Ri­va­li­tät der Gross­mäch­te be­ste­hen bleibt oder sich gar wei­ter ver­schär­fen wird. Die An­kün­di­gun­gen des de­si­gnier­ten US-Prä­si­den­ten ver­heis­sen für die Ex­port­na­ti­on Schweiz nichts Gutes. Denn Pro­tek­tio­nis­mus und Straf­zöl­le sind Gift für die Welt­wirt­schaft und er­schwe­ren das Um­feld für un­se­re ex­port­ori­en­tier­ten Fir­men, die auf of­fe­ne Märk­te und sta­bi­le Han­dels­be­zie­hun­gen an­ge­wie­sen sind.

Die Schweiz muss sich auf die neuen geo­po­li­ti­schen Rea­li­tä­ten aus­rich­ten

Ob wir es wol­len oder nicht: die Welt ver­än­dert sich rasch – die Schweiz und der eu­ro­päi­sche Kon­ti­nent be­fin­den sich mit­ten­drin. Die re­gel­ba­sier­te Ord­nung und mul­ti­la­te­ra­le In­sti­tu­tio­nen wie die WTO sind ge­schwächt. In­dus­trie- und Macht­po­li­tik be­fin­den sich auf dem Vor­marsch. Wir kön­nen uns die­sen Ver­än­de­run­gen nicht ent­zie­hen. Das heisst nicht, dass sich die Schweiz von be­währ­ten Grund­sät­zen ver­ab­schie­den oder unser her­vor­ra­gen­des Staats­mo­dell über Bord wer­fen soll – im Ge­gen­teil. Es heisst aber, dass wir mit Be­sitz­stands­wah­rung und Re­form­ver­wei­ge­rung in der neuen Rea­li­tät nicht be­ste­hen wer­den. Viel­mehr muss sich die Schweiz auf die neuen Ge­ge­ben­hei­ten so cle­ver wie mög­lich neu aus­rich­ten.

Dabei muss sich unser Land nicht ver­ste­cken: Ja – unser Bin­nen­markt ist mit 9 Mil­lio­nen Men­schen ver­gleichs­wei­se klein, wir be­sit­zen ab­ge­se­hen von Was­ser keine grös­se­ren na­tür­li­chen Res­sour­cen und uns fehlt ein di­rek­ter Meer­zu­gang. Nichts­des­to­trotz ist die Schweiz (ge­mes­sen am no­mi­na­len BIP) die zwan­zig wich­tigs­te Volks­wirt­schaft der Welt. Unser Roh­stoff sind gut aus­ge­bil­de­te Men­schen, die mit ihrem Wis­sen In­no­va­tio­nen in der Schweiz schaf­fen und diese dann ins Aus­land ver­kau­fen. Man kann des­halb gar nicht genug be­to­nen, wie wich­tig für die Ex­port­na­ti­on Schweiz ein ex­zel­len­ter Zu­gang zu aus­län­di­schen Märk­ten für Güter, Dienst­leis­tun­gen und In­ves­ti­tio­nen ist. Auf­grund des sich zu­spit­zen­den de­mo­gra­phi­schen Wan­dels ist zudem auch der Zu­gang zu gut­qua­li­fi­zier­ten Men­schen aus dem Aus­land als kri­ti­scher Er­folgs­fak­tor der Zu­kunft nicht zu un­ter­schät­zen.

Keine Ex­pe­ri­men­te in geo­po­li­tisch un­si­che­ren Zei­ten

Es gibt Re­zep­te, wie die Ex­port­na­ti­on Schweiz auf die gros­sen Her­aus­for­de­run­gen der Zeit re­agie­ren kann. Das Stich­wort heisst: Gute Rah­men­be­din­gun­gen für alle schaf­fen.

Der of­fe­ne Zu­gang zu den Welt­märk­ten ist und bleibt ein zen­tra­ler Er­folgs­fak­tor. Vor die­sem Hin­ter­grund sind der Ab­schluss der Frei­han­dels­ab­kom­men mit In­di­en und Thai­land für das EFTA-Land Schweiz wich­ti­ge Mei­len­stei­ne. Nach dem Ab­schluss des EU-Mer­co­sur-Ab­kom­mens ist es nun wich­tig, dass die Schweiz bald mit einem guten Ab­kom­men nach­zie­hen kann. Und auch mit den USA soll man unter der neuen Ad­mi­nis­tra­ti­on einen neuen Ver­such für ein Ab­kom­men wagen – es ist zwar un­rea­lis­tisch, es sei denn, man macht es ein­fach.

Das Motto für unser Land muss aber lau­ten: das eine tun und das an­de­re nicht las­sen. Der bi­la­te­ra­le Weg mit der EU hat sich für die Schweiz in den letz­ten 25 Jah­ren klar be­währt. Sta­bi­le Be­zie­hun­gen zur wich­tigs­ten Han­dels­part­ne­rin sind in geo­po­li­tisch un­si­che­ren Zei­ten von un­schätz­ba­rem Wert. Ohne eine Sta­bi­li­sie­rung und Wei­ter­ent­wick­lung wird es den bi­la­te­ra­len Weg in Zu­kunft je­doch nicht mehr geben. Somit geht es mit den Bi­la­te­ra­len III um mehr als nur ein paar Ab­kom­men. Mit den Bi­la­te­ra­len III kann die Schweiz in un­si­che­ren Zei­ten die be­ste­hen­den Markt­zu­gangs­be­din­gun­gen für un­se­re Wirt­schaft in Eu­ro­pa si­chern und in wich­ti­gen Be­rei­chen wei­ter­ent­wi­ckeln. Ex­pe­ri­men­te in geo­po­li­tisch un­si­che­ren Zei­ten er­hö­hen je­doch die Ri­si­ken für un­se­ren Wirt­schafts­stand­ort zu­sätz­lich.

Hof­fen wir des­halb, dass die Ant­wort der nach­kom­men­den Ge­ne­ra­tio­nen auf die Frage im Stra­te­gie­pa­pier des Bun­des­rats wie folgt lau­ten wird: Die frü­hen 2020er-Jahre waren zwar schwie­rig, die Schweiz hat aber sou­ve­rän und mit Weit­blick auf die Her­aus­for­de­run­gen re­agiert und damit das Er­folgs­mo­dell Schweiz zu­kunfts­fä­hig ge­macht.