BEPS

BEPS: Ak­ti­vis­mus ohne Pro­blem­ana­ly­se

In einem ak­tu­el­len Über­sichts­pa­pier stellt die Eid­ge­nös­si­sche Steu­er­ver­wal­tung die Er­geb­nis­se der For­schungs­li­te­ra­tur zu Ge­winn­ver­la­ge­run­gen in­ter­na­tio­nal tä­ti­ger Kon­zer­ne dar. Dabei wird deut­lich: Die Di­men­si­on des Sach­ver­halts ist kaum un­ter­sucht, ganz zu schwei­gen von den Aus- und Ne­ben­wir­kun­gen der staat­li­chen Ge­gen­mass­nah­men. Nichts­des­to­trotz wird das Pro­jekt BEPS po­li­tisch vor­an­ge­trie­ben; mit mög­li­cher­wei­se schäd­li­chen Fol­gen für den Steu­er­wett­be­werb, den in­ter­na­tio­na­len Han­del und Di­rekt­in­ves­ti­tio­nen.

Jede wirt­schafts- und erst recht jede steu­er­po­li­ti­sche Re­form setzt ein sorg­fäl­ti­ges Ab­wä­gen von Vor- und Nach­tei­len vor­aus. Wel­ches sind also die Vor- und Nach­tei­le von Mass­nah­men, wie sie im Pro­jekt der OECD gegen Steu­er­ver­mei­dung und Ge­winn­ver­schie­bung (base ero­si­on and pro­fit shif­ting, BEPS) dis­ku­tiert wer­den? Auf Basis der be­ste­hen­den Li­te­ra­tur lässt sich ins­be­son­de­re Fol­gen­des fest­stel­len: Man weiss noch sehr wenig über den von der OECD kri­ti­sier­ten Sach­ver­halt. So­wohl über die Di­men­si­on von Ge­winn­ver­schie­bun­gen als auch über die Aus- und Ne­ben­wir­kun­gen von staat­li­chen Ge­gen­mass­nah­men gibt es kaum ge­si­cher­te Er­kennt­nis­se. Ent­spre­chend ist die Ver­bes­se­rung der Pro­blem­ana­ly­se und der Da­ten­la­ge auch ein ei­ge­ner Ak­ti­ons­punkt im BEPS-Pro­jekt. Ein ers­tes Pa­pier dazu ver­öf­fent­lich­te die OECD am 16. April – als eines der letz­ten Punk­te des Pro­jekts über­haupt. Darin wird le­dig­lich fest­ge­stellt, dass die Ana­ly­se von BEPS auf­grund feh­len­der Daten zur­zeit stark ein­ge­schränkt ist. Neue Eva­lua­ti­ons­in­stru­men­te oder Me­tho­den wer­den je­doch nicht vor­ge­schla­gen. Of­fen­bar wird der grund­le­gen­den Ana­ly­se des kri­ti­sier­ten Sach­ver­halts ein ge­rin­ges Ge­wicht bei­ge­mes­sen. (Po­li­tisch) wich­ti­ger ist es, das Pro­jekt vor­an­zu­trei­ben.

Zwei­fel­los haben Fälle ag­gres­si­ver Steu­er­pla­nung in­ter­na­tio­na­ler Kon­zer­ne ne­ga­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Steu­er­ein­nah­men – ins­be­son­de­re in Hoch­steu­er­staa­ten. Zudem kann der Wett­be­werb zu­un­guns­ten von KMU ver­zerrt wer­den, weil diese nicht über die glei­chen In­stru­men­te der Steu­er­pla­nung ver­fü­gen. In der öko­no­mi­schen Li­te­ra­tur fin­den sich je­doch auch po­si­ti­ve Ef­fek­te von Mass­nah­men zur Steu­er­mi­ni­mie­rung. So ist es etwa ge­mäss der Theo­rie der op­ti­ma­len Be­steue­rung sinn­voll, mo­bi­le Steu­er­ba­sen ge­rin­ger zu be­steu­ern, weil sich so volks­wirt­schaft­li­che un­güns­ti­ge Ver­zer­run­gen mi­ni­mie­ren las­sen. Ge­winn­ver­la­ge­run­gen er­lau­ben es zudem, die wirt­schaft­li­che Sub­stanz und damit das Re­al­ka­pi­tal und die Ar­beits­plät­ze in Hoch­steu­er­län­dern zu be­las­sen. Die tie­fe­re Grenz­steu­er­be­las­tung des Ka­pi­tals er­mög­licht zu­sätz­li­che In­ves­ti­tio­nen. Das wirkt sich po­si­tiv auf die Pro­duk­ti­vi­tät und das Wachs­tum aus. Weil da­durch wie­der­um die Ein­kom­men na­tür­li­cher Per­so­nen stei­gen, kön­nen sich auch fi­nanz­po­li­tisch po­si­ti­ve Aus­wir­kun­gen er­ge­ben.

Im End­ef­fekt ist es des­halb durch­aus vor­stell­bar, dass sich staat­li­che Mass­nah­men gegen Ge­winn­ver­schie­bun­gen als Boo­me­rang er­wei­sen und sich ent­ge­gen der ei­gent­li­chen Ziel­set­zung aus­wir­ken. So dürf­te die Un­ter­bin­dung der Ge­winn­ver­schie­bung zu mehr Ver­la­ge­run­gen von wirt­schaft­li­cher Sub­stanz an steu­er­lich at­trak­ti­ve Stand­or­te füh­ren. Der Wett­be­werb um Re­al­ka­pi­tal wird damit nicht klei­ner, son­dern sich im Ge­gen­teil noch ver­schär­fen. For­schungs­er­geb­nis­se zur Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung (einer der Ak­ti­ons­punk­te von BEPS) zei­gen, dass die Kon­zern­haupt­sit­ze als Folge der Mass­nah­me ver­legt wer­den. In Hoch­steu­er­län­dern könn­te BEPS somit mit­tel­fris­tig zu Min­der­ein­nah­men füh­ren – und damit genau zum Ge­gen­teil des­sen, was an­ge­strebt wird. Si­cher ist, dass sich der ad­mi­nis­tra­ti­ve Auf­wand so­wohl für die Steu­er­be­hör­den als auch für die in­ter­na­tio­nal tä­ti­gen Un­ter­neh­men durch BEPS mas­siv er­hö­hen wird.

Die kurze Zu­sam­men­stel­lung zeigt: der Pla­nung von BEPS hätte ei­gent­lich eine sorg­fäl­ti­ge öko­no­mi­sche Ana­ly­se vor­an­ge­hen müs­sen. Sämt­li­che Mass­nah­men müss­ten zudem auf ihre Vor- und Nach­tei­le hin ge­prüft wer­den. Weder das eine noch das an­de­re wurde bzw. wird getan. Statt­des­sen wird BEPS unter höchs­tem Druck von der OECD vor­an­ge­trie­ben. Kol­la­te­ral­schä­den, die man an­rich­tet, zäh­len nicht. Jede noch so über­la­de­ne Ge­gen­mass­nah­me wird ge­recht­fer­tigt mit dem Ver­weis auf die (wie dar­ge­stellt: bes­ten­falls lü­cken­haft be­leg­ten) dras­ti­schen Aus­wir­kun­gen des flä­chen­de­cken­den Pro­blems der Ge­winn­ver­schie­bung und ag­gres­si­ven Steu­er­ver­mei­dung. Dass das BEPS-Pro­jekt dem grund­sätz­li­chen Auf­trag der OECD, der För­de­rung des in­ter­na­tio­na­len Han­dels und der grenz­über­schrei­ten­den Di­rekt­in­ves­ti­tio­nen, mög­li­cher­wei­se dia­me­tral ent­ge­gen­steht, scheint nicht zu küm­mern.