Wer die Bilateralen III torpediert, verspielt unsere Trümpfe!

Das Wichtigste in Kürze:

  • Ohne Bilaterale III verlieren wir zentrale Handelsvorteile ab 2026.
  • Ein «umfassendes Freihandelsabkommen» wäre die schlechtere Alternative.
  • Die Brexit-Erfahrung zeigt: Mit einem Freihandelsabkommen verlieren wir viel mehr, als wir gewinnen.

Die Verhandlungen über die Bilateralen III schreiten voran. Doch bevor das definitive Verhandlungsresultat überhaupt vorliegt, bestehen mit der Kündigungsinitiative II, der Kompass-Europa-Initiative (KEI) und der Grenzschutzinitiative eine Reihe von Volksinitiativen, welche alle das gleiche Ziel haben: die Beendigung des erfolgreichen bilateralen Wegs. Diese Volksinitiativen haben noch eine weitere Gemeinsamkeit: sie alle bieten keine bessere Alternative in der Europapolitik. Es wird zwar gelegentlich von einem «umfassenden Freihandelsabkommen» gesprochen, jedoch ohne diesen alternativen Weg zu konkretisieren. Verbunden wird das Ganze mit dem Prinzip Hoffnung.

Die Gegner der Bilateralen III lassen wichtige Fragen unbeantwortet

Völlig unklar bleibt beispielsweise, was geschieht, wenn bei einem Nicht-Abschluss der Bilateralen III das heutige Abkommen über technische Handelshemmnisse ab 2026 für die Unternehmen in insgesamt 19 Branchen auslaufen würde. Oder es fehlt eine Antwort, welche Unternehmen bei einer Begrenzung der Zuwanderung in welchem Ausmass noch Arbeitnehmende aus dem EU/EFTA-Raum anstellen können. Wer die Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt begrenzen will, soll auch klar aufzeigen, wie stark genau die Zuwanderung ins Gewerbe, in die Industrie, den Dienstleistungssektor oder den Gesundheitsbereich reduziert werden soll. Oder noch besser: mit gutem Beispiel vorangehen und sich selbst beschränken.

Wir halten noch alle Trümpfe in der eigenen Hand – anders als die Briten

Ohne die Bilateralen III bräuchte es auch neue Konzepte für den Land- und Luftverkehr, oder für die Lebensmittel und Agrarprodukte. Seit 25 Jahren hat die Schweiz die bilateralen Abkommen mit der EU. Sie haben sich bewährt. Sowohl für die Schweiz als auch für unsere europäischen Nachbarn. Wir sind eine interessante Partnerin für die EU - beim Warenhandel die Nummer 4. Zudem sind wir der wichtigste Partner ausserhalb der EU mit Abkommen wie den Bilateralen. Das ist beachtlich. Doch statt diese Ausgangslage zu nutzen und unsere Trümpfe für ein möglichst gutes Resultat in den laufenden Verhandlungen einzusetzen, wollen starke Kräfte in unserem Land diese ungenutzt aus der Hand geben und die Türe zuknallen. Sie sind der Überzeugung, dass die Schweiz bei Verhandlungen über ein «umfassendes Freihandelsabkommen» besser abschneiden würde.

Gerade die Erfahrung der Briten zeigt aber, dass beim Ringen um ein Freihandelsabkommen die Partnerin auf der anderen Seite die gleiche war, nämlich die EU. Und dass der Brexit-Deal eben gerade nicht ein Hit wurde. Das liegt nicht etwa daran, dass die Briten schlecht verhandelt hätten. Und sicher nicht an der Grösse Grossbritanniens – immerhin die zweitgrösste Wirtschaft Europas und G-7 Mitglied. Es liegt daran, dass zwar die gleichen Verhandlungspartner am Tisch waren, aber mit dem Ausscheiden Grossbritanniens aus dem Binnenmarkt über viel weniger verhandelt werden konnte. Folglich konnte Grossbritannien trotz seiner Bedeutung viele seiner Trümpfe gar nicht ausspielen. Das sollte uns zu denken geben.

Trümpfe clever einsetzen und bilateralen Erfolgsweg weitergehen

Bei einem «umfassenden Freihandelsabkommen» dürfte es der Schweiz nicht anders gehen als Grossbritannien. Es gibt keinen Grund, warum die EU uns bessere Konditionen gewähren sollte als den Briten. Wir würden alles auf diese eine Karte setzen. Bei den allfälligen Verhandlungen über eine Revision des bestehenden Freihandelsabkommens von 1972 hätte die Schweiz weniger anzubieten. Wir könnten unsere Trümpfe nicht wie heute nutzen. Wie soll da ein besseres Resultat herauskommen?

Wäre es nicht besser, unsere Trümpfe jetzt clever bei den Bilateralen III einzusetzen, um politisch und wirtschaftlich ein möglichst gutes Resultat im Sinne der Schweiz zu erzielen, statt vergeblich auf bessere Karten zu hoffen?

Für mich ist die Antwort klar. Wir sollten in den laufenden Verhandlungen unsere Trümpfe ausspielen und den bilateralen Erfolgsweg langfristig sichern. Ohne Bilaterale III würde sich die Schweiz hingegen vom heutigen bilateralen Weg verabschieden. Die Zuwanderung würde deswegen nicht einfach zurückgehen, wie das Beispiel UK ebenfalls zeigt. Und auch ein sehr «umfassendes Freihandelsabkommen» wird nicht gut genug sein, um den Bedürfnissen der Schweiz zu genügen. Aus diesem Grund wurden die Bilateralen I und II überhaupt erst abgeschlossen und seit 2000 in insgesamt elf Volksabstimmungen bestätigt.