Ein Kartellgesetz für die Zukunft
Ein Auto mit Jahrgang 1964 mag zwar schön anzuschauen sein, es erfüllt aber die Ansprüche an unsere modernen Mobilitätsbedürfnisse in keiner Weise. Das erste Kartellgesetz in der Schweiz wurde 1964 in Kraft gesetzt. Die institutionellen Strukturen wurden seither aber – mit Ausnahme weniger Änderungen – nicht angepasst. Gleichzeitig haben sich die Rahmenbedingungen grundlegend verändert. Die Welt sieht heute anders aus als 1964. Der Handlungsbedarf im Kartellrecht ist entsprechend gross. Statt sich aber an die notwendigen Arbeiten zu machen, will der Bundesrat dem Parlament nur eine kleine Revision vorlegen. Damit würde das Auto bestenfalls neu lackiert. Das reicht aber nicht, es braucht mehr.
Aufgabe des Kartellgesetzes ist es, den Wettbewerb zu stärken. Es gibt auch in einer freien Marktwirtschaft Verhaltensweisen, welche für den Wettbewerb schädlich sind und dadurch zu überhöhten Preisen und fehlender Innovation führen. Im Zentrum stehen dabei unzulässige Wettbewerbsabreden und der Missbrauch von Marktmacht. Das Kartellrecht ermöglicht es, in solchen Fällen einzuschreiten.
Im Zentrum eines effizienten Kartellrechtes steht das Zusammenspiel zwischen Behörden und Unternehmen, dies im Sinne von Rechtssicherheit, Berechenbarkeit, Fairness und rechtzeitigem Rechtsschutz. Alle Anpassungen am Kartellrecht müssen sich am Grundauftrag des Gesetzes, der Stärkung des Wettbewerbes, messen. 2014 hat der Bundesrat einen mutigen und grossen Reformschritt gewagt mit dem Ziel, das Kartellrecht umfassend umzubauen. Dabei ist er nicht davor zurückgeschreckt, auch die Institutionen zu reformieren. Leider scheiterte damals die Vorlage im Parlament.
2022 will der Bundesrat die nunmehr geplante Revision lieber klein halten. Damit erspart er sich Diskussionen, er löst aber den fortbestehenden Reformstau nicht auf, im Gegenteil. Denn auch wenn seine Vorlage einzelne und begrüssenswerte Punkte enthält, so ändert dies nichts daran, dass der umfassende Renovationsbedarf im Wettbewerbsrecht bestehen bleibt. Er verschärft sich zusätzlich, wenn man zuwartet und sich nun nicht endlich an die dringend notwendigen Anpassungen heranwagt.
Eine umfassende Revision ist zielführender als punktuelle Eingriffe.
Gleichzeitig riskiert man, dass das Kartellgesetz immer mehr zum Spielball politischer Vorstösse wird. Es gibt wenige Rechtsgebiete, bei denen derartig viele Vorstösse im Parlament eingereicht werden. Dies jeweils mit dem Ziel, punktuelle Anpassungen vorzunehmen. Solche Anpassungen führen aber zu nichts, wenn sie nicht abgestimmt und ins Gesetz eingebettet sind. Beim aktuellen, in die Jahre gekommenen Kartellrecht ist eine solche Abstimmung ein Ding der Unmöglichkeit. Für ein zukunftsbeständiges Kartellgesetz ist daher eine umfassende Revision wesentlich zielführender und notwendiger als stetige punktuelle Eingriffe, die dem Gesamtkonzept des Gesetzes keine Rechnung tragen.
Der Respekt vor der politisch anspruchsvollen Diskussion einzelner Revisionspunkte darf keinen Grund darstellen, wichtige Revisionspunkte von vornherein gar nicht anzugehen. Im Zentrum steht eine konstruktive Institutionenreform, die eine klare Trennung zwischen Untersuchungs- und Entscheidungsebene vorsieht. Es gilt, dass alle relevanten Akteure zusammensitzen und einen Vorschlag für eine umfassende Revisionsvorlage entwickeln. Ziel muss es dabei sein, eine Lösung zu finden, die sowohl die wirtschaftlichen Anliegen berücksichtigt und gleichzeitig politisch mehrheitsfähig ist.
economiessuisse ist bereit, einen wichtigen Diskussionsbeitrag zu leisten.
economiesuisse ist bereit, im Rahmen einer umfassenden Revision einen wichtigen Beitrag zu leisten. Meine Kollegin Anne-Cathrine Tanner hat in einer dieses Jahr erschienenen Publikation präzise dargelegt, was es für ein Kartellgesetz der Zukunft braucht und den grundlegenden Anpassungsbedarf klar identifiziert (Download in der Box unten).
Wenn alle Akteure der Wirtschaft zusammen mit dem Bund gemeinsam eine Lösung erarbeiten und dabei alle bereit sind, im Sinne des Gesamtkompromisses auch Einzelinteressen zurückzustellen, dann ist es möglich, dass wir ein Kartellrecht für die Zukunft entwickeln, das auch im Parlament überzeugen wird.