Frau beim Arzt

Der Bundesrat lehnt das neue Tarifmodell der Ärzte ab

Nachdem sich die Tarifpartner im Gesundheitswesen auf das neue Tarifmodell «Tardoc» geeinigt haben, wird dieses nun vom Bundesrat abgelehnt. Somit werden medizinische Leistungen weiterhin auf Basis des alten Modells «Tarmed» abgegolten, das auf die Verhältnisse der 1990er-Jahre zugeschnitten ist. Einige Leistungen werden über- und andere unterbezahlt. Jetzt ist ein Neuanfang nötig: Um die hohe Komplexität der Übungsanlage zu reduzieren, muss das Projekt in Teilprojekte aufgesplittet werden. Nur so kann die Tarifpartnerschaft erhalten werden.

Nach mehreren Anläufen haben sich die Branchenverbände der Ärzte (FMH) und der Versicherer (curafutura) sowie die Medizinaltarif-Kommission MTK als Vertretung der Spitäler auf ein aktualisiertes Tarifsystem geeinigt. Es war ein komplizierter Prozess: Nach mehreren gescheiterten Anläufen raufte man sich 2017 nochmals zusammen, 2019 wurde das neue Tarifmodell beim Bund eingereicht. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) liess sich dann 500 Tage Zeit, um den beteiligten Tarifpartnern seinen Prüfbericht zuzustellen. Die Prüfung dauerte somit etwa gleich lange wie die schwierigen Verhandlungen. Immerhin kam das Amt zum Schluss, dass der «Tardoc Version 1.1» mit Anpassungen materiell genehmigungsfähig ist. Doch es brachte auch wesentliche Kritikpunkte vor. An einem Runden Tisch mit allen Partnern, inklusive santésuisse und Gesundheitsdirektorenkonferenz, wurden die zu überarbeitenden Bereiche diskutiert und ein «Letter of Intent» verabschiedet. Nach getaner Überarbeitung reichten jedoch nicht alle Partner den Tarif ein, sondern nur die FMH mit curafutura. Die Anforderungen des Bundesamts waren für die MTK offenbar nicht mehr tragbar.

Ablehnung des Tarifs

Gestern nun hat der Bundesrat den überabeiteten Tarif Tardoc 1.2 abgelehnt, weil die Spitäler nicht mehr dabei sind. Dies ist wohl die direkte Folge der Überarbeitung, die das BAG verlangte. Der neue Tarif entspreche zudem weder den Erfordernissen von Wirtschaftlichkeit noch der Billigkeit. Beide Kritikpunkte stehen allerdings auf wackeligen Füssen. Die Wirtschaftlichkeit kann im Tardoc einfach erreicht werden, denn der Tarif besteht aus den Preisverhältnissen der Leistungen – den sogenannten Taxpunkten – und den Taxpunktwerten. Taxpunktwerte legen das preisliche Niveau fest. Wenn also der Bundesrat die Wirtschaftlichkeit anzweifelt, kann er einfach den Taxpunktwert so festlegen, dass diese erreicht wird.

Was bedeutet Billigkeit? Billig im rechtlichen Sinne ist ein Tarif, welcher der geltenden Rechtsordnung entspricht und auf berechtigte soziale und wirtschaftliche Belange Rücksicht nimmt. Nun stellt sich die Frage, ob der jetzige Tarif Tarmed billig ist, wenn er Leistungen teilweise in absurder Verzerrung der heutigen Verhältnisse entschädigt. Aus Sicht von economiesuisse wäre der neue Tarif in dieser Hinsicht ein klarer Fortschritt. Mit seinem heutigen Entscheid aber schwächt der Bundesrat die Tarifautonomie und bestraft genau diejenigen Tarifpartner, welche sich zusammengerauft haben.

Reset-Knopf drücken

Die Aufgabe, einen Einheitstarif für einen grossen Teil des Schweizer Gesundheitswesens zu erarbeiten, ist quasi unlösbar. Vier Branchenverbände sollten sich auf mehrere Tarife einigen, die in einem Leistungsbereich von gut 14 Milliarden Franken angewendet werden. Zum Vergleich: Dieser Umfang entspricht der Wirtschaftsleistung von Albanien. Niemandem käme es in den Sinn, für diese Wirtschaft ein einziges Preismodell vorzugeben.

Statt nun das Unmögliche nochmals zu versuchen, müsste der Bundesrat jetzt einen Neuanfang lancieren. Es gilt, die grosse Komplexität zu reduzieren. Dies gelingt nur, wenn das Tarifmodell für den gesamten Leistungsbereich auf kleinere Einheiten aufgesplittet wird. Für economiesuisse ist klar: Es braucht mindestens vier separate Tarife für die Leistungsbereiche: Hausarztpraxis, spezialärztliche Praxis, Ambulatorium und ein klinisches Ambulatorium. Ausserdem müssen diese Tarife weiter vereinfacht werden. Hier trifft der Bundesrat einen richtigen Punkt. Neben Pauschalierungen, welche von santésuisse und den Spezialärzten bereits vorgestellt wurden, käme ein Stundentarif infrage. Diese Art von Entschädigung kennen viele andere Branchen seit Langem und er vereinfacht einen Tarif massgeblich.

Solange die Chiropraktoren mit ihrem Umsatz von 100 Millionen Franken einen eigenen Tarif haben, sollte es doch möglich sein, für einen Bereich von 15 Milliarden Franken mehrere Tarife zuzulassen. Der Bundesrat hat es nun in der Hand, das Ruder herumzureissen und zu beweisen, dass er die Tarifpartnerschaft erhalten will.