# 1 / 2020
10.03.2020

Keine Ver­glei­che im Stra­fre­cht – Die auf­ge­scho­be­ne An­kla­gee­rhe­bung für Un­ter­neh­men

Im Rah­men der Re­vi­sion der Stra­f­pro­zes­sord­nung hatte die Bun­de­sa­n­wal­tschaft eine auf­ge­scho­be­ne An­kla­gee­rhe­bung für Un­ter­neh­men nach ame­ri­ka­ni­schem Vor­bild ge­for­dert. Ein sol­ches In­stru­ment führt un­wei­ger­li­ch zu einer erhe­bli­chen Stärkung der oh­ne­hin star­ken Po­si­tion der Stra­f­ver­fol­gung­sbehörden. Ein Au­sbau ohne glei­ch­zei­ti­gen Au­sbau von Kon­troll­me­cha­ni­smen der Stra­f­ver­fol­gung­sbehörden auf Ebene der Gewal­ten­tei­lung ist aus Sicht der Wir­ts­chaft nicht an­ge­zeigt. Der Bun­de­srat teil­te diese Ein­schätzung und nahm das An­lie­gen nicht in die Par­la­men­tsvor­la­ge auf. Das dos­sier­po­li­tik be­leu­ch­tet die Vor- und Na­ch­tei­le eines sol­chen Re­ch­tsin­sti­tu­ts und nimmt eine Ei­nord­nung der auf­ge­scho­be­nen An­kla­gee­rhe­bung im sch­wei­ze­ri­schen Stra­f­pro­zes­sre­cht vor.

L’essenziale in breve

Bei einem Deferred Prosecution Agreement (DPA), auf Deutsch «aufgeschobene Anklageerhebung für Unternehmen», handelt es sich um eine aussergerichtliche Einigung im Strafprozess. Dabei verzichtet die Staatsanwaltschaft einstweilen auf eine Anklageerhebung, solange das Unternehmen «vereinbarte» Verpflichtungen wie zum Beispiel die Zahlung eines Bussgeldes erfüllt.

Der Bundesrat lehnte die Aufnahme der aufgeschobenen Anklageerhebung für Unternehmen in die Strafprozessordnung im August 2019 ab, da die ohnehin schon starke Stellung der Staatsanwaltschaft dadurch noch weiter ausgebaut würde. Zudem seien zu diesem neuen Instrument keine entsprechenden Gegengewichte oder Kontrollmechanismen vorgesehen.

Damit leistete der Bundesrat dem Vorschlag der Bundesanwaltschaft keine Folge, die sich dafür ausgesprochen hatte, dieses in der Schweiz unbekannte Rechtsinstitut einzuführen. Bei ihrem Formulierungsvorschlag hatte sich die Bundesanwaltschaft an das bekannte amerikanische Instrument DPA angelehnt.

Das dossierpolitik beleuchtet die Vor- und Nachteile eines solchen Rechtsinstituts und nimmt eine Einordnung der aufgeschobenen Anklageerhebung im schweizerischen Strafprozessrecht vor.

Posizione di economiesuisse

  • Ein Instrument, wie es die aufgeschobene Anklageerhebung für Unternehmen («schweizerisches Deferred Prosecution Agreement») darstellt, führt zu einer erheblichen Stärkung der in der Schweiz ohnehin starken Position der Strafverfolgungsbehörden. Ein Ausbau ohne gleichzeitigen Ausbau von Kontrollmechanismen der Strafverfolgungsbehörden auf Ebene der Gewaltenteilung ist daher nicht wünschenswert.
  • Eine eingehende Prüfung der Vereinbarkeit mit in unserem Strafrecht vorgesehenen rechtsstaatlichen Prinzipien wäre bei der Einführung von entsprechenden neuen Instrumenten zwingend; eine leichtfertige punktuelle Einführung übersieht die möglichen negativen Effekte.
  • Die im Ausland gemachten Erfahrungen mit diesem Institut rechtfertigen eine grundsätzlich kritische Haltung diesem gegenüber.
  • Sinn und Unsinn von (bestehenden und neuen) Sanktionen im schweizerischen Rechtssystem sind aus Sicht der Wirtschaft stets in einem grösseren Kontext und unter Berücksichtigung des feinen Zusammenspiels von straf- und verwaltungsrechtlichen Sanktionen zu sehen. Strafrecht soll dabei stets Ultima Ratio bleiben.