Wie wirkt sich die Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve auf mei­nen Ra­sen­mä­her aus?

Im letz­ten Licht des Früh­lings­abends zie­hen wir beide un­se­re Bah­nen – mein Ra­sen­mä­her und ich, zum ers­ten Mal in der neuen Ra­sen­sai­son. Am Mor­gen hatte ein Jour­na­list ge­fragt: «Braucht die Schweiz wirk­lich all diese Wirt­schafts­ab­kom­men? Im­mer­hin gab es die ja noch nicht, als die Schweiz zur ex­por­tie­ren­den In­dus­trie­na­ti­on auf­stieg.»

Die Frage ist wich­tig und be­schäf­tigt mich, da die Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve zu Rechts­un­si­cher­heit und Nach­tei­len bei rund 5000 Ab­kom­men, dar­un­ter 600 für die Wirt­schaft, füh­ren würde. Grund­sätz­lich müs­sen wir uns die Zu­kunft vor Augen hal­ten. Für un­se­re Un­ter­neh­men sind Ab­kom­men über Frei­han­del, In­ves­ti­ti­ons­schutz oder Dop­pel­be­steue­rung sehr wich­tig. Ohne diese gibt es schlech­te­re Be­din­gun­gen für Markt­zu­gang, hö­he­re Steu­ern oder kei­nen Schutz vor Ent­eig­nun­gen.

Wie war das aber frü­her? Auch frü­her boom­ten die Ex­por­te und der da­ma­li­ge «Vor­ort» – also ge­wis­ser­mas­sen meine be­ruf­li­chen Ahnen – hatte eine star­ke Stel­lung in der Schwei­zer Han­dels­po­li­tik. «Die Ex­por­te boom­ten», be­harrt der Jour­na­list. Tat­sa­che: Es gab schon sehr früh einen Be­darf an in­ter­na­tio­na­len Ab­kom­men. So wur­den der In­ter­na­tio­na­le Te­le­gra­phen­ver­ein 1865 und der Welt­post­ver­ein 1874 ge­grün­det, um den da­ma­li­gen tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten welt­weit zum Durch­bruch zu ver­hel­fen. Ihr Sitz be­fin­det sich in Genf und Bern. Die la­tei­ni­sche Mün­zu­ni­on, eine Art Wäh­rungs­uni­on der da­ma­li­gen Gold­wäh­run­gen, wurde eben­falls 1865 ge­grün­det. Die Schweiz war bis zu deren Un­ter­gang – Grie­chen­land war eine der Ur­sa­chen – dort Mit­glied. Es gab auch Ab­kom­men über die Per­so­nen­frei­zü­gig­keit – viele Schwei­zer Ex­port­un­ter­neh­men wur­den von Aus­län­dern ge­grün­det. Der Vor­ort hatte tat­säch­lich ein Büro im Bun­des­haus. Das war zu Zei­ten des Staats­han­dels, vor allem in Kri­sen­zei­ten und im Krieg. Staa­ten mach­ten un­ter­ein­an­der die Han­dels­strö­me ab, bei­spiels­wei­se dass Kohle und Erze gegen Ma­schi­nen­tei­le oder Tex­ti­l­er­zeug­nis­se ge­tauscht wur­den. Der Vor­ort am­te­te als «Clea­ring­stel­le» und war Teil einer ziem­lich kom­pli­zier­ten Bü­ro­kra­tie.

Bei heute rund 24’000 Ex­port­un­ter­neh­men – vor allem KMU – wäre Staats­han­del kaum noch mög­lich. Zum Glück wurde die da­ma­li­ge Welt­wirt­schaft dank Gatt, Vor­läu­fe­rin der heu­ten Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on WTO, ab 1948 li­be­ra­li­siert. Das half. Das Ex­port­vo­lu­men be­gann wie­der zu wach­sen. Die meis­ten Wäh­run­gen waren aber nicht frei kon­ver­tier­bar, das heisst man konn­te zwar ex­por­tie­ren und im­por­tie­ren, aber nur, wenn man auch die nö­ti­gen De­vi­sen zu­ge­teilt er­hielt. Diese Ka­pi­tal­ver­kehrs­kon­trol­len wur­den erst mit der Grün­dung der OECD vor etwas mehr als 50 Jah­ren ab­ge­schafft. All das schuf die Rah­men­be­din­gun­gen für eine flo­rie­ren­de Schwei­zer Ex­port­wirt­schaft. Die Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve würde rück­wir­kend 600 Wirt­schafts­ab­kom­men ne­ga­tiv be­tref­fen, dar­un­ter auch die Schwei­zer Mit­glied­schaft in der WTO oder der OECD. Vor 100 Jah­ren gab es diese In­stru­men­te noch nicht, ein­ver­stan­den. Aber es gab da­mals auch keine Ra­sen­mä­her, Pa­pier­win­deln, Smart­pho­nes oder Krebs­me­di­ka­men­te. Beim Ver­sor­gen des Ra­sen­mä­hers fällt mir ein Land ein, das den Nut­zen von in­ter­na­tio­na­len Re­geln für Han­del und In­ves­ti­tio­nen nicht kennt: Nord­ko­rea. Es ist nicht Mit­glied der WTO.