Auf Brett balancierte Steine, eine Seite überwiegt die andere

Un­aus­ge­wo­ge­ne Schein­lö­sung

Die vor­be­ra­ten­de Kom­mis­si­on für so­zia­le Si­cher­heit und Ge­sund­heit des Stän­de­rats (SGK-S) hat die Dis­kus­si­on zur Re­form AHV21 ab­ge­schlos­sen. Lei­der hat es die Kom­mis­si­on ver­passt, die Vor­la­ge ins Gleich­ge­wicht zu brin­gen. Im Ge­gen­teil, mit der Er­hö­hung des Ehe­paar­pla­fonds und der Er­hö­hung der Zu­satz­fi­nan­zie­rung wurde eine un­aus­ge­wo­ge­ne Schein­lö­sung be­schlos­sen. An­ge­sichts der enor­men fi­nan­zi­el­len Her­aus­for­de­run­gen kommt für eco­no­mie­su­is­se nur eine Re­form in­fra­ge, die die AHV auch struk­tu­rell ent­las­tet, und zwar im Um­fang der Zu­satz­fi­nan­zie­rung.

Der Bun­des­rat hat die Bot­schaft zur Sta­bi­li­sie­rung der AHV im Som­mer 2019 ver­ab­schie­det. Nun kommt die Vor­la­ge erst­mals ins Par­la­ment. Die Re­form be­steht aus struk­tu­rel­len und fi­nan­zi­el­len Mass­nah­men. Die wich­tigs­te struk­tu­rel­le Mass­nah­me ist die Er­hö­hung des Frau­en­ren­ten­al­ters auf 65 Jahre. Die Er­hö­hung soll für die be­trof­fe­nen Jahr­gän­ge fi­nan­zi­ell ab­ge­fe­dert wer­den. Wei­ter ent­hält die Vor­la­ge Ele­men­te für eine Fle­xi­bi­li­sie­rung der Pen­sio­nie­rung. Der zwei­te Teil der Vor­la­ge um­fasst die Zu­satz­fi­nan­zie­rung der AHV über eine Er­hö­hung der Mehr­wert­steu­er (MWST). Der Bun­des­rat schlägt 0,7 Pro­zent­punk­te vor.

Un­aus­ge­wo­ge­ne Vor­la­ge gerät wei­ter in Schief­la­ge

Be­reits der Vor­schlag des Bun­des­rats ist un­aus­ge­wo­gen zwi­schen struk­tu­rel­len und fi­nan­zi­el­len Mass­nah­men. Nun hat die vor­be­ra­ten­de Kom­mis­si­on die Vor­la­ge noch stär­ker aus dem Gleich­ge­wicht ge­bracht. Mit der über­ra­schen­den Er­hö­hung des Ehe­paar­pla­fonds hat sie einen AHV-Aus­bau be­schlos­sen, der zu Mehr­aus­ga­ben von jähr­lich 650 Mil­lio­nen Fran­ken führt. Trotz Ein­spa­run­gen bei den Ab­fe­de­rungs­mass­nah­men für die Frau­en be­trägt die Net­to­ent­las­tung der AHV ge­ra­de noch 300 Mil­lio­nen Fran­ken. Dies würde einer MWST-Er­hö­hung von ma­xi­mal 0,1 Pro­zent­punk­ten ent­spre­chen. 

Neben einer MWST-Er­hö­hung wird auch der AHV-Fonds­be­stand ge­senkt

Die von der Kom­mis­si­on be­schlos­se­ne Zu­satz­fi­nan­zie­rung ist je­doch weit­aus höher und geht sogar noch über jene des Bun­des­rats hin­aus. Die Zu­satz­fi­nan­zie­rung ge­mäss Kom­mis­si­on be­steht ei­ner­seits aus der Er­hö­hung der MWST. In einem ers­ten Schritt soll sie um 0,3 Pro­zent­punk­te stei­gen. Ein zwei­ter Er­hö­hungs­schritt um wei­te­re 0,4 Pro­zent­punk­te folgt, so­bald der AHV-Fonds­be­stand unter 90 Pro­zent sinkt. Der AHV-Fonds muss die Aus­ga­ben für die Ren­ten von einem Jahr de­cken und be­trägt heute ge­mäss Vor­ga­ben in der Regel 100 Pro­zent. Damit um­fasst die Zu­satz­fi­nan­zie­rung nicht nur die Er­hö­hung der MWST, son­dern auch die Re­duk­ti­on des AHV-Fonds­be­stands um zehn Pro­zent. Dies ent­spricht im­mer­hin einem ein­ma­li­gen Bei­trag von 4 bis 5 Mil­li­ar­den Fran­ken, der eben­falls in die Fi­nan­zie­rung der AHV-Aus­ga­ben flies­sen würde. An­ge­sichts der ra­sant zu­neh­men­den ne­ga­ti­ven Um­la­ge­er­geb­nis­se der AHV ist die ge­lo­cker­te An­for­de­rung an den Fonds­be­stand den­noch ein Trop­fen auf den heis­sen Stein. Die Er­hö­hung der MWST um ins­ge­samt 0,7 Pro­zent­punk­te wäre nur eine Frage der Zeit. 

Struk­tu­rel­le An­pas­sun­gen sind un­um­gäng­lich

Ein Au­to­ma­tis­mus der Fi­nan­zie­rung der AHV in Ab­hän­gig­keit vom Mit­tel­be­darf scheint zwar in­ter­es­sant, weil damit rasch eine Lö­sung auf dem Tisch liegt. Auch dass da­durch Steu­er­er­hö­hun­gen auf Vor­rat ver­hin­dert wer­den kön­nen, ist zu be­grüs­sen. Eine au­to­ma­ti­sier­te Fi­nan­zie­rung, die keine struk­tu­rel­len An­pas­sun­gen vor­sieht, ist je­doch nur eine Schein­lö­sung. Die AHV kann al­lein durch Mehr­ein­nah­men nicht mit ver­tret­ba­ren Kos­ten für die steu­er­zah­len­de Be­völ­ke­rung sta­bi­li­siert wer­den. Im­mer­hin: Mit der recht­li­chen Ver­knüp­fung der An­glei­chung des Frau­en­ren­ten­al­ters und der MWST-Er­hö­hung wird eine zen­tra­le For­de­rung der Wirt­schaft er­füllt.

Deut­li­che Kor­rek­tur nötig

Der Stän­de­rat berät die AHV21 in der Früh­jahrs­ses­si­on. Um die Vor­la­ge nicht nur aus­ge­wo­gen und nach­hal­tig, son­dern auch mehr­heits­fä­hig zu ma­chen, braucht es eine deut­li­che Kor­rek­tur. eco­no­mie­su­is­se kann den Re­form­vor­schlag nur mit einer Zu­satz­fi­nan­zie­rung im Um­fang der struk­tu­rel­len Ent­las­tung und ohne AHV-Aus­bau un­ter­stüt­zen.