Son­der­ses­si­on 2022

Die drei­tä­gi­ge Son­der­ses­si­on des Na­tio­nal­rats ist heute zu Ende ge­gan­gen. Lei­der hat die Gros­se Kam­mer die Chan­ce ver­passt, das Mehr­wert­steu­er­sys­tem für Un­ter­neh­men und Kon­su­men­ten zu ver­ein­fa­chen. Im­mer­hin konn­te sie sich bei der Ein­füh­rung eines Be­rufs­ge­heim­nis­schut­zes für Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten auf einen Kom­pro­miss ei­ni­gen, der für die Wirt­schaft trag­bar ist.

Ses­si­on im Über­blick

Immer mehr Aus­nah­men und neue Pri­vi­le­gi­en: Diese ne­ga­ti­ve Ten­denz bei der Mehr­wert­steu­er hat der Na­tio­nal­rat in der Son­der­ses­si­on lei­der noch ver­stärkt. Be­reits heute ist die Ab­wick­lung der Mehr­wert­steu­er einer der gröss­ten ad­mi­nis­tra­ti­ven Kos­ten­fak­to­ren für Schwei­zer Un­ter­neh­men (schät­zungs­wei­se über eine Mil­li­ar­de Fran­ken jähr­lich). Das Sys­tem ist aus­ser­dem so kom­plex, dass sich Un­ter­neh­men ver­mehrt aus­ser­stan­de sehen, die Steu­er für den Staat über­haupt zu er­he­ben. Eine Ver­ein­fa­chung ist drin­gend not­wen­dig. Der nächst­be­ra­ten­de Stän­de­rat muss hier kor­ri­gie­rend ein­grei­fen.

Mehr wirt­schafts­po­li­ti­sche Weit­sicht hat der Na­tio­nal­rat beim Zi­vil­pro­zess­recht be­wie­sen – nach dem Stän­de­rat sagt auch er Ja zum Aus­bau des Be­rufs­ge­heim­nis­schut­zes für Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten. Der vom Na­tio­nal­rat be­schlos­se­ne Kom­pro­miss er­mög­licht, dass Schwei­zer Un­ter­neh­men in in­ter­na­tio­na­len Zi­vil­pro­zes­sen nicht un­nö­ti­ger­wei­se sen­si­ti­ve In­for­ma­tio­nen preis­ge­ben müs­sen und somit bes­ser ge­schützt sind. Damit dies so bleibt, muss der Stän­de­rat den na­tio­nal­rät­li­chen Ent­scheid noch be­stä­ti­gen.

Vor­wärts geht es auch im Ge­sund­heits­we­sen, kon­kret beim elek­tro­ni­schen Pa­ti­en­ten­dos­sier (EPD). Die­ses ist bis­her nicht zum Flie­gen ge­kom­men – zu kom­plex und feh­ler­an­fäl­lig ist seine In­fra­struk­tur, zu kom­pli­ziert auch die Er­öff­nung eines Dos­siers. Mit der An­nah­me einer ent­spre­chen­den Kom­mis­si­ons­mo­ti­on soll das EPD nun end­lich be­nut­zer­freund­lich und flä­chen­de­ckend ein­setz­bar wer­den. Mit sei­nem Rich­tungs­ent­scheid Ende April hat der Bun­des­rat die Wei­chen schon ein­mal ge­stellt.

Schliess­lich hat der Na­tio­nal­rat auch eine Mo­ti­on an­ge­nom­men, die Me­di­zin­pro­duk­te aus­ser­eu­ro­päi­scher Re­gu­lie­rungs­sys­te­me in der Schweiz zu­las­sen will. Vor dem Hin­ter­grund be­grenz­ter in­län­di­scher Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten und re­du­ziert ver­füg­ba­rer Me­di­zin­pro­duk­te aus Eu­ro­pa be­grüsst die Wirt­schaft die­sen Ent­scheid. Die Schweiz er­höht damit ihren Hand­lungs­spiel­raum bei der Be­schaf­fung von Me­di­zin­pro­duk­ten.

Warum ist das Start­geld für den Berg­lauf von der Mehr­wert­steu­er aus­ge­nom­men, doch auf jeder Berg­füh­rer­rech­nung ste­hen 7,7 Pro­zent? Warum wer­den Strom und der Ve­lo­helm hoch be­steu­ert, Ka­vi­ar und Filet je­doch tief? Falls Sie auf diese Fra­gen keine Ant­wort wis­sen, sind Sie in guter Ge­sell­schaft: Auch Schwei­zer Fir­men ver­ste­hen die heu­ti­ge Mehr­wert­steu­er kaum mehr. Hier eine neue Steu­er­aus­nah­me, dort ein neuer Steu­er­satz – das ak­tu­el­le Sys­tem ist schwer hand­hab­bar und volks­wirt­schaft­lich in­ef­fi­zi­ent. eco­no­mie­su­is­se setzt sich des­halb bei der an­ste­hen­den Teil­re­vi­si­on des Mehr­wert­steu­er­ge­set­zes für ein fai­res, un­ver­zerr­tes Sys­tem ein, das alle Un­ter­neh­men und Leis­tun­gen grund­sätz­lich gleich be­las­tet.

Schwie­rig­kei­ten be­rei­tet Schwei­zer Un­ter­neh­men auch die Be­nach­tei­li­gung ge­gen­über ihren aus­län­di­schen Kon­kur­ren­ten bei Zi­vil­pro­zes­sen. Nach wie vor fehlt ein Schwei­zer Be­rufs­ge­heim­nis­schutz für Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten. Da­durch wer­den un­se­re Fir­men enorm an­greif­bar, weil sie sen­si­ti­ve In­for­ma­tio­nen of­fen­le­gen müs­sen. An­ders als in der Schweiz sind Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten in vie­len Län­dern ähn­lich ge­schützt wie frei­schaf­fen­de An­wäl­te. Das Ab­wehr­dis­po­si­tiv der Schweiz soll­te end­lich mit einem Ge­heim­nis­schutz für Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten ge­stärkt wer­den.

Zum Ge­sund­heits­we­sen: Dort gilt es, die Leh­ren aus der Covid-19-Pan­de­mie zu zie­hen. Die letz­ten zwei Jahre haben den Nach­hol­be­darf in Sa­chen Di­gi­ta­li­sie­rung scho­nungs­los of­fen­ge­legt. Ins­be­son­de­re das elek­tro­ni­sche Pa­ti­en­ten­dos­sier (EPD) liegt immer noch auf dem Kran­ken­bett – nicht ein­mal 10'000 Per­so­nen haben bis­her ein sol­ches er­öff­net. Die na­tio­nal­rät­li­che Ge­sund­heits­kom­mis­si­on will das Pro­jekt nun end­lich zum Flie­gen brin­gen. Mit der kos­ten­de­cken­den Fi­nan­zie­rung des EPD und der Wei­ter­ent­wick­lung sei­ner In­fra­struk­tur adres­siert die ent­spre­chen­de Mo­ti­on die rich­ti­gen Pro­blem­fel­der. eco­no­mie­su­is­se un­ter­stützt diese daher voll­um­fäng­lich.

Schliess­lich hat die Pan­de­mie auch auf­ge­zeigt, dass die Schweiz auf­grund ihrer Grös­se und Res­sour­cen nicht in der Lage ist, sich mit allen Me­di­zin­pro­duk­ten selbst zu ver­sor­gen. Sie ist so­wohl bei der Prü­fung wie auch bei der Be­schaf­fung auf das Aus­land an­ge­wie­sen. Da je­doch die EU seit Mai 2021 ge­gen­sei­ti­ge Kon­for­mi­täts­er­klä­run­gen mit der Schweiz nicht mehr an­er­kennt, ist die Ver­füg­bar­keit von eu­ro­päi­schen Me­di­zin­pro­duk­ten in der Schweiz re­du­ziert. Dem gilt es ent­ge­gen­zu­wir­ken, indem auch Me­di­zin­pro­duk­te in der Schweiz zu­ge­las­sen wer­den, wel­che aus­ser­halb der EU zer­ti­fi­ziert wor­den sind. Der Hand­lungs­spiel­raum der Schweiz bei der Be­schaf­fung wird damit er­höht. Des­halb un­ter­stützt eco­no­mie­su­is­se die ent­spre­chen­de Mo­ti­on Rösti.

Na­tio­nal­rat

BES­SE­RER SCHUTZ VON SCHWEI­ZER UN­TER­NEH­MEN IN ZI­VIL­PRO­ZES­SEN

Die seit dem 1. Ja­nu­ar 2011 gel­ten­de Schwei­ze­ri­sche Zi­vil­pro­zess­ord­nung (ZPO) hat sich ins­ge­samt be­währt. Ver­bes­se­rungs­po­ten­zi­al wurde ins­be­son­de­re in Bezug auf die Pro­zess­kos­ten sowie die Ver­bes­se­run­gen hin­sicht­lich der Ver­fah­rens­ko­or­di­na­ti­on aus­ge­macht, wo­durch der Zu­gang zum Recht auch aus Sicht der Wirt­schaft ver­bes­sert wer­den soll. Dar­über hin­aus ist für den Wirt­schafts­stand­ort Schweiz die Ein­füh­rung des zi­vil­pro­zess­recht­li­chen Mit­wir­kungs­ver­wei­ge­rungs­rechts für Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten von be­son­de­rem In­ter­es­se (Art. 160a E-ZPO).

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

eco­no­mie­su­is­se emp­fiehlt, die Vor­la­ge an­zu­neh­men und einen Be­rufs­ge­heim­nis­schutz für Un­ter­neh­men ein­zu­füh­ren. Folg­lich soll bei Art. 160a und 167a E-ZPO pri­mär die Min­der­heit II (Mark­wal­der, Ey­mann, …) (= gem. Bun­des­rat) un­ter­stützt wer­den. Falls Min­der­heit II vom Rat ab­ge­lehnt wer­den soll­te, emp­fiehlt die Wirt­schaft, den An­trag der Kom­mis­si­ons­mehr­heit an­zu­neh­men.

Be­rufs­ge­heim­nis­schutz für Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten schützt hie­si­ge Fir­men

Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten un­ter­stüt­zen Mit­ar­bei­ten­de von Un­ter­neh­men in ju­ris­ti­schen All­tags­fra­gen und be­ra­ten auch die Ge­schäfts­lei­tungs­mit­glie­der und ope­ra­tio­nell tä­ti­ge Ka­der­leu­te, damit deren Ge­schäfts­ent­schei­de mit der Rechts­ord­nung kom­pa­ti­bel sind. Der feh­len­de Ge­heim­nis­schutz für Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten macht schwei­ze­ri­sche Un­ter­neh­men enorm an­greif­bar. Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten ken­nen Bran­che, re­gio­na­le Be­son­der­hei­ten, Per­so­nen des Un­ter­neh­mens und Stra­te­gi­en ihrer Ar­beit­ge­be­rin am bes­ten. Ein auf na­tio­na­ler Ebene ver­an­ker­ter ge­setz­li­cher Ge­heim­nis­schutz ist von Be­deu­tung, damit Un­ter­neh­men nicht un­nö­ti­ger­wei­se sen­si­ti­ve Ri­si­ko­in­for­ma­tio­nen preis­ge­ben müs­sen oder sogar miss­bräuch­lich dazu ge­zwun­gen wer­den. Schwei­zer Un­ter­neh­men wür­den mit der Ver­an­ke­rung des Be­rufs­ge­heim­nis­schut­zes in der ZPO in in­ter­na­tio­na­len Zi­vil­pro­zes­sen bes­ser ge­schützt.

Stär­kung von Com­p­li­an­ce im ge­mein­sa­men In­ter­es­se von Mit­ar­bei­ten­den und Un­ter­neh­men

Der Be­rufs­ge­heim­nis­schutz für un­ter­neh­mens­in­ter­ne Ju­ris­ten im In­ter­es­se des be­trof­fe­nen Un­ter­neh­mens trägt zur Stär­kung der in­ter­nen Com­p­li­an­ce eines Un­ter­neh­mens bei. Ge­wis­sen­haf­te Mit­ar­bei­ten­de wer­den er­mun­tert, mög­li­che Feh­ler nicht zu ver­tu­schen, son­dern mit den Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten zu­sam­men­zu­ar­bei­ten. Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten er­hal­ten da­durch die Mög­lich­keit, die Si­tua­ti­on zu ana­ly­sie­ren und im In­ter­es­se der ge­mein­sa­men Ar­beit­ge­be­rin die ge­eig­ne­ten Mass­nah­men zu er­grei­fen. Ver­stos­sen Mit­ar­bei­ten­de dabei gegen Schwei­zer Recht, kön­nen sie auch nach Ein­füh­rung des Be­rufs­ge­heim­nis­schut­zes für Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten straf- und ver­wal­tungs­recht­lich zur Re­chen­schaft ge­zo­gen wer­den.

In­ter­na­tio­na­ler Trend: Auch an­de­re Län­der schüt­zen ihre Un­ter­neh­men

Der Be­rufs­ge­heim­nis­schutz für Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten, der seit Lan­gem im an­glo­ame­ri­ka­ni­schen Recht unter dem Aus­druck «Legal Pro­fes­sio­nal Pri­vi­le­ge» (LPP) ver­an­kert ist und die ame­ri­ka­ni­schen Un­ter­neh­men vor allem im Vor­feld von Zi­vil­pro­zes­sen schützt, wird zu­neh­mend in den um­lie­gen­den eu­ro­päi­schen Län­dern ein­ge­führt. Deutsch­land bei­spiels­wei­se schützt Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten im Zi­vil­recht seit 2016 gleich wie frei­schaf­fen­de An­wäl­te. Auch Frank­reich prüft die Ein­füh­rung ent­spre­chen­der Vor­schrif­ten. Sin­ga­pur ging in die­ser Frage schon vor Jah­ren in die rich­ti­ge Rich­tung: Der da­ma­li­ge Jus­tiz­mi­nis­ter be­grün­de­te die Ein­füh­rung des Be­rufs­ge­heim­nis­schut­zes für Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten im Jahr 2012 mit der Er­hö­hung der Stand­ort­at­trak­ti­vi­tät für aus­län­di­sche Un­ter­neh­men.

Auch die OECD emp­fiehlt ihren Mit­glied­staa­ten seit Ok­to­ber 2021, den Be­rufs­ge­heim­nis­schutz für Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten ein­zu­füh­ren oder zu stär­ken.

Die Schweiz soll­te schnellst­mög­lich ihr Ab­wehr­dis­po­si­tiv ver­bes­sern, damit sie nicht in naher Zu­kunft leicht­fer­tig zum Ein­falls­tor für die sich in­ter­na­tio­nal or­ga­ni­sie­ren­de Kla­ge­in­dus­trie wird.

Stand der Be­ra­tun­gen

In der Son­der­ses­si­on 2022 berät der Na­tio­nal­rat die Vor­la­ge als Zweitrat.

Die vor­be­ra­ten­de RK-NR emp­fiehlt ihrem Rat in der Ge­samt­ab­stim­mung mit 22 zu 0 Stim­men bei 1 Ent­hal­tung, die Vor­la­ge an­zu­neh­men und spricht sich eben­falls für die über­fäl­li­ge Ein­füh­rung eines Be­rufs­ge­heim­nis­schut­zes für Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten aus. Dabei hat sie auf der Grund­la­ge der stän­de­rät­li­chen Fas­sung ge­ar­bei­tet und be­an­tragt ihrem Rat mit 14 zu 10 Stim­men bei 1 Ent­hal­tung, das «Er­for­der­nis der Ge­gen­sei­tig­keit» zu strei­chen. Die Min­der­heit II (Mark­wal­der, Ey­mann, …) be­an­tragt, der bun­des­rät­li­chen Fas­sung zu fol­gen.

Der Stän­de­rat hatte der ge­sam­ten Vor­la­ge in der Som­mer­ses­si­on 2021 in ers­ter Le­sung mit 39 zu 0 Stim­men zu­ge­stimmt. Die Klei­ne Kam­mer sprach sich dabei für die Ein­füh­rung eines Be­rufs­ge­heim­nis­schut­zes für Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten aus, al­ler­dings mit dem Rechts­un­si­cher­heit brin­gen­den «Er­for­der­nis der Ge­gen­sei­tig­keit» (28 zu 13 Stim­men, 0 Ent­hal­tun­gen).

Be­ur­tei­lung der Be­ra­tun­gen

Mit 125 zu 64 Stim­men sagt der Na­tio­nal­rat Ja zum Aus­bau des Be­rufs­ge­heim­nis­schut­zes für Un­ter­neh­mens­ju­ris­ten. Damit stärkt er den Wirt­schafts­stand­ort Schweiz. Ob­wohl die Va­ri­an­te des Bun­des­rats tech­nisch über­zeu­gen­der ge­we­sen wäre, hat die vor­be­ra­ten­de Na­tio­nal­rats­kom­mis­si­on die Vor­la­ge aus dem Stän­de­rat in grund­le­gen­den Punk­ten ver­bes­sert. Somit kann die Wirt­schaft den ge­fun­de­nen Kom­pro­miss mit­tra­gen.

Als Nächs­tes beugt sich der Stän­de­rat über die Vor­la­ge. Die Klei­ne Kam­mer darf nun aber nicht auf seine alte Ver­si­on zu­rück­kom­men, son­dern muss viel­mehr den vom Na­tio­nal­rat vor­ge­schla­ge­nen Kom­pro­miss be­stä­ti­gen. Nur so kann die Schweiz im in­ter­na­tio­na­len Ver­gleich end­lich nach­zie­hen.

Lesen Sie hier die aus­führ­li­che Be­ur­tei­lung von eco­no­mie­su­is­se.

ME­DI­KA­MEN­TEN­VER­SOR­GUNG LANG­FRIS­TIG SI­CHERN

Die Schweiz ist auf­grund ihrer Grös­se und Res­sour­cen nicht in der Lage, sich mit allen be­nö­tig­ten Me­di­zin­pro­duk­ten selbst zu ver­sor­gen. Sie ist so­wohl bei der Prü­fung als auch bei der Be­schaf­fung von Me­di­zin­pro­duk­ten zur na­tio­na­len Ver­sor­gung auf das Aus­land an­ge­wie­sen. Mit die­ser Mo­ti­on soll der Bun­des­rat be­auf­tragt wer­den, die Ge­setz­ge­bung so an­zu­pas­sen, dass in der Schweiz auch Me­di­zin­pro­duk­te aus­ser­eu­ro­päi­scher Re­gu­lie­rungs­sys­te­me zu­ge­las­sen wer­den kön­nen.

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

eco­no­mie­su­is­se emp­fiehlt, die Mo­ti­on an­zu­neh­men.

Kon­for­mi­tätsa­n­er­ken­nung wird mo­men­tan von der EU nicht an­ge­wen­det

Dank des Ab­kom­mens über die ge­gen­sei­ti­ge An­er­ken­nung von Kon­for­mi­täts­er­klä­run­gen (MRA) konn­te die Schweiz bis­lang am eu­ro­päi­schen Bin­nen­markt für Me­di­zin­pro­duk­te teil­neh­men und in der EU zer­ti­fi­zier­te und zu­ge­las­se­ne Me­di­zin­pro­duk­te pro­blem­los ein­füh­ren. Al­ler­dings wei­gert sich die EU, das MRA an die neu­es­te Rechts­ent­wick­lung in der EU an­zu­pas­sen, so­lan­ge die in­sti­tu­tio­nel­len Fra­gen zwi­schen der Schweiz und der EU nicht ge­klärt sind. Des­halb wird die Schweiz seit Mai 2021 im Be­reich der Me­di­zin­pro­duk­te ge­gen­über der EU als Dritt­staat be­han­delt. Die Nicht­an­wen­dung des MRA auf die Me­di­zin­pro­duk­te ver­un­mög­licht, dass Schwei­zer Prüf­stel­len Pro­duk­te für Eu­ro­pa (CE-Mar­kie­rung) zu­las­sen kön­nen und schwächt den Schwei­zer Med­Tech-Stand­ort. Sie re­du­ziert aber auch die Ver­füg­bar­keit CE-mar­kier­ter Me­di­zin­pro­duk­te in der Schweiz und wirkt sich ne­ga­tiv auf die Ver­sor­gungs­si­cher­heit der Schwei­zer Be­völ­ke­rung aus.

Mo­ti­on ver­schafft Ab­hil­fe

Der Bran­chen­ver­band Swiss Med­tech hat in Zu­sam­men­hang mit den be­kann­ten Pro­ble­men bei der Um­set­zung der neuen eu­ro­päi­schen Me­di­zin­pro­duk­te­ver­ord­nung (Me­di­cal De­vice Re­gu­la­ti­on, MDR) mehr­fach auf den sich in den kom­men­den Jah­ren an­bah­nen­den Ver­sor­gungs­eng­pass bei Me­di­zin­pro­duk­ten auf­merk­sam ge­macht.

Mit der Um­set­zung der Mo­ti­on wird nicht nur der Hand­lungs­spiel­raum der Schweiz bei der Be­schaf­fung von Me­di­zin­pro­duk­ten er­höht, son­dern auch die na­tio­na­le Ver­sor­gung mit Me­di­zin­pro­duk­ten lang­fris­tig ge­si­chert. Aus­ser­dem kann die Schweiz ihre Vor­rei­ter­rol­le als Med­tech-In­no­va­ti­ons­hub aus­bau­en.

Stand der Be­ra­tun­gen

Der Na­tio­nal­rat be­han­delt die Mo­ti­on vor­aus­sicht­lich in der Son­der­ses­si­on 2022 als Er­strat.

Be­ur­tei­lung der Be­ra­tun­gen

Der Na­tio­nal­rat will die Ver­sor­gungs­si­cher­heit der Schwei­zer Be­völ­ke­rung mit Me­di­zin­pro­duk­ten stär­ken. Mit 109 zu 77 Stim­men bei 2 Ent­hal­tun­gen hat er eine Mo­ti­on an­ge­nom­men, wo­nach künf­tig auch Me­di­zin­pro­duk­te aus­ser­eu­ro­päi­scher Re­gu­lie­rungs­sys­te­me zu­ge­las­sen wer­den sol­len. eco­no­mie­su­is­se be­grüsst die­sen Ent­scheid, da er den Hand­lungs­spiel­raum der Schweiz bei der Be­schaf­fung er­höht. Dies ins­be­son­de­re vor dem Hin­ter­grund re­du­zier­ter Ver­füg­bar­keit eu­ro­päi­scher Me­di­zin­pro­duk­te in der Schweiz. Der nächst­be­ra­ten­de Stän­de­rat soll nun dem Na­tio­nal­rat fol­gen.

MEHR­WERT­STEU­ER VER­EIN­FA­CHEN

Die Vor­la­ge um­fasst eine Viel­zahl von Mass­nah­men, mit denen der Bun­des­rat ei­ner­seits Vor­stös­se des Par­la­ments um­setzt, an­de­rer­seits ei­ge­ne Än­de­run­gen ein­bringt. Die Mehr­wert­steu­er­pflicht für On­line­platt­for­men ist die wich­tigs­te Mass­nah­me des Re­vi­si­ons­pa­kets. Da­ne­ben soll es KMU er­mög­licht wer­den, die Mehr­wert­steu­er jähr­lich ab­zu­re­chen. Wei­te­re Neu­re­ge­lun­gen be­tref­fen CO2-Emis­si­ons­zer­ti­fi­ka­te, aus­län­di­sche Rei­se­bü­ros und Be­stim­mun­gen zur Steu­er­ver­tre­tung. Der Ka­ta­log der Steu­er­aus­nah­men soll er­wei­tert und neue Leis­tun­gen sol­len dem re­du­zier­ten Steu­er­satz un­ter­stellt wer­den.

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

eco­no­mie­sui­se emp­fiehlt, die Vor­la­ge mit Än­de­run­gen an­zu­neh­men.

Mehr­wert­steu­er für das Gros der Un­ter­neh­men nicht mehr hand­hab­bar

Die Mehr­wert­steu­er ist ein tra­gen­der Pfei­ler der Bun­des­ein­nah­men. Sie wird von den Schwei­zer Un­ter­neh­men auf ei­ge­ne Kos­ten und voll­stän­dig auf ei­ge­nes Ri­si­ko selbst­stän­dig ver­an­lagt. Die tech­ni­sche Kom­ple­xi­tät der Mehr­wert­steu­er ist heute für das Gros der Un­ter­neh­men kaum mehr hand­hab­bar. Die ad­mi­nis­tra­ti­ven Kos­ten wer­den auf jähr­lich über eine Mil­li­ar­de Fran­ken ge­schätzt – ein im­men­ser Be­trag, der bes­ser in die Fir­men­ent­wick­lung, in die In­no­va­ti­on und den Er­halt von Ar­beits­plät­zen in­ves­tiert würde.

Vor­la­ge ver­stärkt ne­ga­ti­ve Ten­denz

Die un­be­frie­di­gen­de Si­tua­ti­on hat mass­geb­lich mit den zahl­rei­chen Brü­chen zu tun, die das Mehr­wert­steu­er­sys­tem durch­zie­hen. Un­zäh­li­ge Aus­nah­men, un­ter­schied­li­che Steu­er­sät­ze und ver­schie­de­ne Um­satz­gren­zen ma­chen das Sys­tem wi­der­sprüch­lich, zu­fäl­lig und letzt­lich un­ver­ständ­lich. Die vor­lie­gen­de Teil­re­vi­si­on ver­schärft das Pro­blem lei­der, indem neue Kon­sum­be­rei­che pri­vi­le­giert be­han­delt wer­den sol­len.

Leis­tun­gen sol­len mög­lichst gleich be­han­delt wer­den

Jedes Pri­vi­leg stellt einen Nach­teil und eine Be­las­tung für an­de­re, nicht­pri­vi­le­gier­te Be­rei­che dar, weil ohne Pri­vi­le­gi­en die Steu­er­be­las­tung bei glei­chem Steu­er­auf­kom­men tie­fer sein könn­te. Eine faire, un­ver­zerr­te Mehr­wert­steu­er be­las­tet alle Un­ter­neh­men und alle Leis­tun­gen grund­sätz­lich gleich. Auch aus Sicht der Kon­su­men­tin­nen und Kon­su­men­ten ist dies die ein­zi­ge faire Lö­sung. Nur eine für alle glei­che Mehr­wert­steu­er kann der heu­ti­gen Brei­te und Viel­falt des Kon­sums ge­recht wer­den. In einem Sys­tem mit will­kür­li­chen Pri­vi­le­gi­en lei­det die Ak­zep­tanz. Immer neue Pri­vi­le­gi­en müs­sen be­schlos­sen wer­den, weil das Sys­tem ja sonst un­fair ist. Um diese für die Mehr­wert­steu­er schäd­li­che Ent­wick­lung nicht wei­ter vor­an­zu­trei­ben, ist auf neue Pri­vi­le­gi­en kon­se­quent zu ver­zich­ten.

An­trä­ge der Kom­mis­si­on brin­gen punk­tu­ell Ver­bes­se­run­gen

Ver­schie­de­ne Mehr­heits­an­trä­ge der vor­be­ra­ten­den Kom­mis­si­on WAK-NR sind be­grüs­sens­wert, weil sie ins­be­son­de­re für die Pra­xis echte Ver­ein­fa­chun­gen brin­gen (z.B. beim Ver­la­ge­rungs­ver­fah­ren). Min­der­heits­an­trä­ge, die den Ein­be­zug von Dienst­leis­tun­gen in die Be­steue­rung von On­line­platt­for­men ver­lan­gen und eine al­ter­na­ti­ve Lö­sung für die The­ma­tik aus­län­di­scher Rei­se­bü­ros vor­schla­gen, sind zudem auch für den Schutz des Schwei­zer Steu­er­sub­strats be­deut­sam.

Stand der Be­ra­tun­gen

In der Son­der­ses­si­on 2022 berät der Na­tio­nal­rat die Vor­la­ge als Er­strat. Des­sen vor­be­ra­ten­de WAK-NR emp­fiehlt ihrem Rat in der Ge­samt­ab­stim­mung ohne Ge­gen­stim­me, die Vor­la­ge an­zu­neh­men.

Be­ur­tei­lung der Be­ra­tun­gen

Das Schwei­zer Mehr­wert­steu­er­sys­tem wird immer kom­pli­zier­ter. So will der Na­tio­nal­rat etwa zu­sätz­li­che Kon­sum­be­rei­che pri­vi­le­giert be­han­deln. Das ist der fal­sche Weg. Un­ter­neh­men sind auf ein mög­lichst ein­fa­ches hand­hab­ba­res Mehr­wert­steu­er­sys­tem an­ge­wie­sen, damit sie die Kon­sum­steu­er kor­rekt für den Staat er­he­ben kön­nen. Wenn immer mehr Aus­nah­men, immer mehr steu­er­li­che Pri­vi­le­gi­en das Mehr­wert­steu­er­sys­tem durch­zie­hen, stei­gen die schon heute hohen ad­mi­nis­tra­ti­ven Kos­ten für die Schwei­zer Fir­men noch wei­ter. In der Summe ver­stär­ken die Be­schlüs­se der Gros­sen Kam­mer lei­der diese ne­ga­ti­ve Ten­denz.

Der nächst­be­ra­ten­de Stän­de­rat muss kor­ri­gie­rend ein­grei­fen. Wo An­pas­sun­gen und Wei­ter­ent­wick­lun­gen er­for­der­lich sind, wie im Fall der Be­steue­rung von On­line­platt­for­men, un­ter­stützt dies auch die Wirt­schaft. Die Re­ge­lun­gen sol­len aber so ge­trof­fen wer­den, dass sie sich rei­bungs­los in die Mehr­wert­steu­er­sys­te­ma­tik ein­fü­gen.

ELEK­TRO­NI­SCHES PA­TI­EN­TEN­DOS­SIER END­LICH ZUM FLIE­GEN BRIN­GEN

Bei der Di­gi­ta­li­sie­rung des Ge­sund­heits­we­sens gibt es er­heb­li­chen Hand­lungs­be­darf, wie die Co­ro­na-Pan­de­mie deut­lich auf­ge­zeigt hat. Dies gilt ins­be­son­de­re für das elek­tro­ni­sche Pa­ti­en­ten­dos­sier (EPD), wel­ches noch viel zu wenig ge­nutzt wird. Die vor­lie­gen­de Kom­mis­si­ons­mo­ti­on will hier Ab­hil­fe schaf­fen: Der Bun­des­rat wird auf­ge­for­dert, Mass­nah­men zu er­grei­fen, damit das EPD end­lich be­nut­zer­taug­lich, ein­fach zu­gäng­lich und somit letzt­lich flä­chen­de­ckend ein­ge­setzt wer­den kann.

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

eco­no­mie­su­is­se emp­fiehlt, die Mo­ti­on an­zu­neh­men.

Bis­her wenig Nut­zer und Nut­ze­rin­nen des EPD

Trotz mass­geb­li­cher In­ves­ti­tio­nen der Stamm­ge­mein­schaf­ten (or­ga­ni­sa­to­ri­sche Zu­sam­men­schlüs­se von Ge­sund­heits­fach­per­so­nen und ihren Ein­rich­tun­gen) konn­te das EPD bis­her nicht zum Flie­gen ge­bracht wer­den. Nicht ein­mal 10'000 Per­so­nen haben ein Dos­sier er­öff­net. Dies liegt auch am kom­pli­zier­ten Ver­fah­ren, um ein EPD zu er­öff­nen (On­boar­ding).

Die EPD-In­fra­struk­tur ist zu kom­plex und des­halb feh­ler­an­fäl­lig. Ge­wis­se An­bin­dun­gen wie die e-Me­di­ka­ti­on oder das e-Impf­dos­sier sind daher er­schwert. Eine Re­duk­ti­on der Kom­ple­xi­tät ist auch im or­ga­ni­sa­to­ri­schen Be­reich von­nö­ten. Un­be­strit­te­ner­mas­sen muss die EPD-In­fra­struk­tur in die di­gi­ta­len Ge­schäfts­pro­zes­se zwi­schen den Ge­sund­heits­fach­per­so­nen ein­ge­bun­den wer­den kön­nen. Hier stel­len sich nicht nur tech­ni­sche, son­dern auch fi­nan­zi­el­le Fra­gen. Muss die Ärz­te­schaft ihre On­boar­ding-Kos­ten selbst be­zah­len? Wie geht man mit Be­trie­ben um, wel­che nicht di­rekt mit der Grund­ver­si­che­rung tätig sind? Diese er­hö­hen den Nut­zen des EPD eben­falls.

Mo­ti­on adres­siert wich­ti­ge Pro­ble­me

Der Grad der op­ti­ma­len Zen­tra­li­sie­rung ist hin­ge­gen offen. Hier soll­te man wenn mög­lich den Er­for­der­nis­sen einer op­ti­ma­le­ren Da­ten­in­fra­struk­tur fol­gen. Eine ge­ne­rel­le Zen­tra­li­sie­rung würde bei den Stamm­ge­mein­schaf­ten je­doch gros­se Ab­schrei­bungs­kos­ten ver­ur­sa­chen. Dies könn­te zu Scha­den­er­satz­for­de­run­gen an den Bund füh­ren. Dar­über hin­aus würde sich das Klum­pen­ri­si­ko des Pro­jekts ver­grös­sern.

Die Mo­ti­on ortet die Pro­ble­me des EPD am rich­ti­gen Ort, indem sie die zwei Be­rei­che «kos­ten­de­cken­de Fi­nan­zie­rung des Un­ter­halts und Be­triebs» sowie «Wei­ter­ent­wick­lung des Elek­tro­ni­schen Pa­ti­en­ten­dos­siers (EPD) und sei­ner In­fra­struk­tur» adres­siert. Die Wirt­schaft emp­fiehlt des­halb die An­nah­me der Mo­ti­on.

Er­fah­ren Sie hier mehr zum elek­tro­ni­schen Pa­ti­en­ten­dos­sier.

Stand der Be­ra­tun­gen

In der Son­der­ses­si­on 2022 be­han­delt der Na­tio­nal­rat die Mo­ti­on als Er­strat. Die SGK-NR hat die Mo­ti­on im Fe­bru­ar 2022 mit 23 zu 1 Stim­me be­schlos­sen.

Be­ur­tei­lung der Be­ra­tun­gen

Der Na­tio­nal­rat will, dass der Bun­des­rat das elek­tro­ni­sche Pa­ti­en­ten­dos­sier end­lich zum Nut­zen aller Ak­teu­re funk­ti­ons­taug­lich um­ge­stal­tet. Mit der An­nah­me der ent­spre­chen­den Mo­ti­on der SGK-NR sen­det er dies­be­züg­lich klare Si­gna­le. Die Lan­des­re­gie­rung scheint den Hand­lungs­be­darf in­des­sen er­kannt zu haben. Sie hat erst kürz­lich, am 27. April 2022, eine Re­vi­si­on des EPD-Ge­set­zes an­ge­kün­digt.

eco­no­mie­su­is­se be­grüsst die­sen wich­ti­gen Rich­tungs­ent­scheid, ortet dar­über hin­aus wei­te­re Er­folgs­fak­to­ren, die zu klä­ren sind, damit das EPD sei­nen vol­len Nut­zen ent­fal­ten kann.

Zur de­tail­lier­ten Ein­schät­zung der Wirt­schaft ge­lan­gen Sie hier.