Sondersession 2022

Die dreitägige Sondersession des Nationalrats ist heute zu Ende gegangen. Leider hat die Grosse Kammer die Chance verpasst, das Mehrwertsteuersystem für Unternehmen und Konsumenten zu vereinfachen. Immerhin konnte sie sich bei der Einführung eines Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristen auf einen Kompromiss einigen, der für die Wirtschaft tragbar ist.

Session im Überblick

Immer mehr Ausnahmen und neue Privilegien: Diese negative Tendenz bei der Mehrwertsteuer hat der Nationalrat in der Sondersession leider noch verstärkt. Bereits heute ist die Abwicklung der Mehrwertsteuer einer der grössten administrativen Kostenfaktoren für Schweizer Unternehmen (schätzungsweise über eine Milliarde Franken jährlich). Das System ist ausserdem so komplex, dass sich Unternehmen vermehrt ausserstande sehen, die Steuer für den Staat überhaupt zu erheben. Eine Vereinfachung ist dringend notwendig. Der nächstberatende Ständerat muss hier korrigierend eingreifen.

Mehr wirtschaftspolitische Weitsicht hat der Nationalrat beim Zivilprozessrecht bewiesen – nach dem Ständerat sagt auch er Ja zum Ausbau des Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristen. Der vom Nationalrat beschlossene Kompromiss ermöglicht, dass Schweizer Unternehmen in internationalen Zivilprozessen nicht unnötigerweise sensitive Informationen preisgeben müssen und somit besser geschützt sind. Damit dies so bleibt, muss der Ständerat den nationalrätlichen Entscheid noch bestätigen.

Vorwärts geht es auch im Gesundheitswesen, konkret beim elektronischen Patientendossier (EPD). Dieses ist bisher nicht zum Fliegen gekommen – zu komplex und fehleranfällig ist seine Infrastruktur, zu kompliziert auch die Eröffnung eines Dossiers. Mit der Annahme einer entsprechenden Kommissionsmotion soll das EPD nun endlich benutzerfreundlich und flächendeckend einsetzbar werden. Mit seinem Richtungsentscheid Ende April hat der Bundesrat die Weichen schon einmal gestellt.

Schliesslich hat der Nationalrat auch eine Motion angenommen, die Medizinprodukte aussereuropäischer Regulierungssysteme in der Schweiz zulassen will. Vor dem Hintergrund begrenzter inländischer Produktionskapazitäten und reduziert verfügbarer Medizinprodukte aus Europa begrüsst die Wirtschaft diesen Entscheid. Die Schweiz erhöht damit ihren Handlungsspielraum bei der Beschaffung von Medizinprodukten.

Warum ist das Startgeld für den Berglauf von der Mehrwertsteuer ausgenommen, doch auf jeder Bergführerrechnung stehen 7,7 Prozent? Warum werden Strom und der Velohelm hoch besteuert, Kaviar und Filet jedoch tief? Falls Sie auf diese Fragen keine Antwort wissen, sind Sie in guter Gesellschaft: Auch Schweizer Firmen verstehen die heutige Mehrwertsteuer kaum mehr. Hier eine neue Steuerausnahme, dort ein neuer Steuersatz – das aktuelle System ist schwer handhabbar und volkswirtschaftlich ineffizient. economiesuisse setzt sich deshalb bei der anstehenden Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes für ein faires, unverzerrtes System ein, das alle Unternehmen und Leistungen grundsätzlich gleich belastet.

Schwierigkeiten bereitet Schweizer Unternehmen auch die Benachteiligung gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten bei Zivilprozessen. Nach wie vor fehlt ein Schweizer Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristen. Dadurch werden unsere Firmen enorm angreifbar, weil sie sensitive Informationen offenlegen müssen. Anders als in der Schweiz sind Unternehmensjuristen in vielen Ländern ähnlich geschützt wie freischaffende Anwälte. Das Abwehrdispositiv der Schweiz sollte endlich mit einem Geheimnisschutz für Unternehmensjuristen gestärkt werden.

Zum Gesundheitswesen: Dort gilt es, die Lehren aus der Covid-19-Pandemie zu ziehen. Die letzten zwei Jahre haben den Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung schonungslos offengelegt. Insbesondere das elektronische Patientendossier (EPD) liegt immer noch auf dem Krankenbett – nicht einmal 10'000 Personen haben bisher ein solches eröffnet. Die nationalrätliche Gesundheitskommission will das Projekt nun endlich zum Fliegen bringen. Mit der kostendeckenden Finanzierung des EPD und der Weiterentwicklung seiner Infrastruktur adressiert die entsprechende Motion die richtigen Problemfelder. economiesuisse unterstützt diese daher vollumfänglich.

Schliesslich hat die Pandemie auch aufgezeigt, dass die Schweiz aufgrund ihrer Grösse und Ressourcen nicht in der Lage ist, sich mit allen Medizinprodukten selbst zu versorgen. Sie ist sowohl bei der Prüfung wie auch bei der Beschaffung auf das Ausland angewiesen. Da jedoch die EU seit Mai 2021 gegenseitige Konformitätserklärungen mit der Schweiz nicht mehr anerkennt, ist die Verfügbarkeit von europäischen Medizinprodukten in der Schweiz reduziert. Dem gilt es entgegenzuwirken, indem auch Medizinprodukte in der Schweiz zugelassen werden, welche ausserhalb der EU zertifiziert worden sind. Der Handlungsspielraum der Schweiz bei der Beschaffung wird damit erhöht. Deshalb unterstützt economiesuisse die entsprechende Motion Rösti.

Nationalrat

BESSERER SCHUTZ VON SCHWEIZER UNTERNEHMEN IN ZIVILPROZESSEN

Die seit dem 1. Januar 2011 geltende Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) hat sich insgesamt bewährt. Verbesserungspotenzial wurde insbesondere in Bezug auf die Prozesskosten sowie die Verbesserungen hinsichtlich der Verfahrenskoordination ausgemacht, wodurch der Zugang zum Recht auch aus Sicht der Wirtschaft verbessert werden soll. Darüber hinaus ist für den Wirtschaftsstandort Schweiz die Einführung des zivilprozessrechtlichen Mitwirkungsverweigerungsrechts für Unternehmensjuristen von besonderem Interesse (Art. 160a E-ZPO).

Position economiesuisse

economiesuisse empfiehlt, die Vorlage anzunehmen und einen Berufsgeheimnisschutz für Unternehmen einzuführen. Folglich soll bei Art. 160a und 167a E-ZPO primär die Minderheit II (Markwalder, Eymann, …) (= gem. Bundesrat) unterstützt werden. Falls Minderheit II vom Rat abgelehnt werden sollte, empfiehlt die Wirtschaft, den Antrag der Kommissionsmehrheit anzunehmen.

Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristen schützt hiesige Firmen

Unternehmensjuristen unterstützen Mitarbeitende von Unternehmen in juristischen Alltagsfragen und beraten auch die Geschäftsleitungsmitglieder und operationell tätige Kaderleute, damit deren Geschäftsentscheide mit der Rechtsordnung kompatibel sind. Der fehlende Geheimnisschutz für Unternehmensjuristen macht schweizerische Unternehmen enorm angreifbar. Unternehmensjuristen kennen Branche, regionale Besonderheiten, Personen des Unternehmens und Strategien ihrer Arbeitgeberin am besten. Ein auf nationaler Ebene verankerter gesetzlicher Geheimnisschutz ist von Bedeutung, damit Unternehmen nicht unnötigerweise sensitive Risikoinformationen preisgeben müssen oder sogar missbräuchlich dazu gezwungen werden. Schweizer Unternehmen würden mit der Verankerung des Berufsgeheimnisschutzes in der ZPO in internationalen Zivilprozessen besser geschützt.

Stärkung von Compliance im gemeinsamen Interesse von Mitarbeitenden und Unternehmen

Der Berufsgeheimnisschutz für unternehmensinterne Juristen im Interesse des betroffenen Unternehmens trägt zur Stärkung der internen Compliance eines Unternehmens bei. Gewissenhafte Mitarbeitende werden ermuntert, mögliche Fehler nicht zu vertuschen, sondern mit den Unternehmensjuristen zusammenzuarbeiten. Unternehmensjuristen erhalten dadurch die Möglichkeit, die Situation zu analysieren und im Interesse der gemeinsamen Arbeitgeberin die geeigneten Massnahmen zu ergreifen. Verstossen Mitarbeitende dabei gegen Schweizer Recht, können sie auch nach Einführung des Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristen straf- und verwaltungsrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden.

Internationaler Trend: Auch andere Länder schützen ihre Unternehmen

Der Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristen, der seit Langem im angloamerikanischen Recht unter dem Ausdruck «Legal Professional Privilege» (LPP) verankert ist und die amerikanischen Unternehmen vor allem im Vorfeld von Zivilprozessen schützt, wird zunehmend in den umliegenden europäischen Ländern eingeführt. Deutschland beispielsweise schützt Unternehmensjuristen im Zivilrecht seit 2016 gleich wie freischaffende Anwälte. Auch Frankreich prüft die Einführung entsprechender Vorschriften. Singapur ging in dieser Frage schon vor Jahren in die richtige Richtung: Der damalige Justizminister begründete die Einführung des Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristen im Jahr 2012 mit der Erhöhung der Standortattraktivität für ausländische Unternehmen.

Auch die OECD empfiehlt ihren Mitgliedstaaten seit Oktober 2021, den Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristen einzuführen oder zu stärken.

Die Schweiz sollte schnellstmöglich ihr Abwehrdispositiv verbessern, damit sie nicht in naher Zukunft leichtfertig zum Einfallstor für die sich international organisierende Klageindustrie wird.

Stand der Beratungen

In der Sondersession 2022 berät der Nationalrat die Vorlage als Zweitrat.

Die vorberatende RK-NR empfiehlt ihrem Rat in der Gesamtabstimmung mit 22 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung, die Vorlage anzunehmen und spricht sich ebenfalls für die überfällige Einführung eines Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristen aus. Dabei hat sie auf der Grundlage der ständerätlichen Fassung gearbeitet und beantragt ihrem Rat mit 14 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung, das «Erfordernis der Gegenseitigkeit» zu streichen. Die Minderheit II (Markwalder, Eymann, …) beantragt, der bundesrätlichen Fassung zu folgen.

Der Ständerat hatte der gesamten Vorlage in der Sommersession 2021 in erster Lesung mit 39 zu 0 Stimmen zugestimmt. Die Kleine Kammer sprach sich dabei für die Einführung eines Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristen aus, allerdings mit dem Rechtsunsicherheit bringenden «Erfordernis der Gegenseitigkeit» (28 zu 13 Stimmen, 0 Enthaltungen).

Beurteilung der Beratungen

Mit 125 zu 64 Stimmen sagt der Nationalrat Ja zum Ausbau des Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristen. Damit stärkt er den Wirtschaftsstandort Schweiz. Obwohl die Variante des Bundesrats technisch überzeugender gewesen wäre, hat die vorberatende Nationalratskommission die Vorlage aus dem Ständerat in grundlegenden Punkten verbessert. Somit kann die Wirtschaft den gefundenen Kompromiss mittragen.

Als Nächstes beugt sich der Ständerat über die Vorlage. Die Kleine Kammer darf nun aber nicht auf seine alte Version zurückkommen, sondern muss vielmehr den vom Nationalrat vorgeschlagenen Kompromiss bestätigen. Nur so kann die Schweiz im internationalen Vergleich endlich nachziehen.

Lesen Sie hier die ausführliche Beurteilung von economiesuisse.

MEDIKAMENTENVERSORGUNG LANGFRISTIG SICHERN

Die Schweiz ist aufgrund ihrer Grösse und Ressourcen nicht in der Lage, sich mit allen benötigten Medizinprodukten selbst zu versorgen. Sie ist sowohl bei der Prüfung als auch bei der Beschaffung von Medizinprodukten zur nationalen Versorgung auf das Ausland angewiesen. Mit dieser Motion soll der Bundesrat beauftragt werden, die Gesetzgebung so anzupassen, dass in der Schweiz auch Medizinprodukte aussereuropäischer Regulierungssysteme zugelassen werden können.

Position economiesuisse

economiesuisse empfiehlt, die Motion anzunehmen.

Konformitätsanerkennung wird momentan von der EU nicht angewendet

Dank des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätserklärungen (MRA) konnte die Schweiz bislang am europäischen Binnenmarkt für Medizinprodukte teilnehmen und in der EU zertifizierte und zugelassene Medizinprodukte problemlos einführen. Allerdings weigert sich die EU, das MRA an die neueste Rechtsentwicklung in der EU anzupassen, solange die institutionellen Fragen zwischen der Schweiz und der EU nicht geklärt sind. Deshalb wird die Schweiz seit Mai 2021 im Bereich der Medizinprodukte gegenüber der EU als Drittstaat behandelt. Die Nichtanwendung des MRA auf die Medizinprodukte verunmöglicht, dass Schweizer Prüfstellen Produkte für Europa (CE-Markierung) zulassen können und schwächt den Schweizer MedTech-Standort. Sie reduziert aber auch die Verfügbarkeit CE-markierter Medizinprodukte in der Schweiz und wirkt sich negativ auf die Versorgungssicherheit der Schweizer Bevölkerung aus.

Motion verschafft Abhilfe

Der Branchenverband Swiss Medtech hat in Zusammenhang mit den bekannten Problemen bei der Umsetzung der neuen europäischen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, MDR) mehrfach auf den sich in den kommenden Jahren anbahnenden Versorgungsengpass bei Medizinprodukten aufmerksam gemacht.

Mit der Umsetzung der Motion wird nicht nur der Handlungsspielraum der Schweiz bei der Beschaffung von Medizinprodukten erhöht, sondern auch die nationale Versorgung mit Medizinprodukten langfristig gesichert. Ausserdem kann die Schweiz ihre Vorreiterrolle als Medtech-Innovationshub ausbauen.

Stand der Beratungen

Der Nationalrat behandelt die Motion voraussichtlich in der Sondersession 2022 als Erstrat.

Beurteilung der Beratungen

Der Nationalrat will die Versorgungssicherheit der Schweizer Bevölkerung mit Medizinprodukten stärken. Mit 109 zu 77 Stimmen bei 2 Enthaltungen hat er eine Motion angenommen, wonach künftig auch Medizinprodukte aussereuropäischer Regulierungssysteme zugelassen werden sollen. economiesuisse begrüsst diesen Entscheid, da er den Handlungsspielraum der Schweiz bei der Beschaffung erhöht. Dies insbesondere vor dem Hintergrund reduzierter Verfügbarkeit europäischer Medizinprodukte in der Schweiz. Der nächstberatende Ständerat soll nun dem Nationalrat folgen.

MEHRWERTSTEUER VEREINFACHEN

Die Vorlage umfasst eine Vielzahl von Massnahmen, mit denen der Bundesrat einerseits Vorstösse des Parlaments umsetzt, andererseits eigene Änderungen einbringt. Die Mehrwertsteuerpflicht für Onlineplattformen ist die wichtigste Massnahme des Revisionspakets. Daneben soll es KMU ermöglicht werden, die Mehrwertsteuer jährlich abzurechen. Weitere Neuregelungen betreffen CO2-Emissionszertifikate, ausländische Reisebüros und Bestimmungen zur Steuervertretung. Der Katalog der Steuerausnahmen soll erweitert und neue Leistungen sollen dem reduzierten Steuersatz unterstellt werden.

Position economiesuisse

economiesuise empfiehlt, die Vorlage mit Änderungen anzunehmen.

Mehrwertsteuer für das Gros der Unternehmen nicht mehr handhabbar

Die Mehrwertsteuer ist ein tragender Pfeiler der Bundeseinnahmen. Sie wird von den Schweizer Unternehmen auf eigene Kosten und vollständig auf eigenes Risiko selbstständig veranlagt. Die technische Komplexität der Mehrwertsteuer ist heute für das Gros der Unternehmen kaum mehr handhabbar. Die administrativen Kosten werden auf jährlich über eine Milliarde Franken geschätzt – ein immenser Betrag, der besser in die Firmenentwicklung, in die Innovation und den Erhalt von Arbeitsplätzen investiert würde.

Vorlage verstärkt negative Tendenz

Die unbefriedigende Situation hat massgeblich mit den zahlreichen Brüchen zu tun, die das Mehrwertsteuersystem durchziehen. Unzählige Ausnahmen, unterschiedliche Steuersätze und verschiedene Umsatzgrenzen machen das System widersprüchlich, zufällig und letztlich unverständlich. Die vorliegende Teilrevision verschärft das Problem leider, indem neue Konsumbereiche privilegiert behandelt werden sollen.

Leistungen sollen möglichst gleich behandelt werden

Jedes Privileg stellt einen Nachteil und eine Belastung für andere, nichtprivilegierte Bereiche dar, weil ohne Privilegien die Steuerbelastung bei gleichem Steueraufkommen tiefer sein könnte. Eine faire, unverzerrte Mehrwertsteuer belastet alle Unternehmen und alle Leistungen grundsätzlich gleich. Auch aus Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten ist dies die einzige faire Lösung. Nur eine für alle gleiche Mehrwertsteuer kann der heutigen Breite und Vielfalt des Konsums gerecht werden. In einem System mit willkürlichen Privilegien leidet die Akzeptanz. Immer neue Privilegien müssen beschlossen werden, weil das System ja sonst unfair ist. Um diese für die Mehrwertsteuer schädliche Entwicklung nicht weiter voranzutreiben, ist auf neue Privilegien konsequent zu verzichten.

Anträge der Kommission bringen punktuell Verbesserungen

Verschiedene Mehrheitsanträge der vorberatenden Kommission WAK-NR sind begrüssenswert, weil sie insbesondere für die Praxis echte Vereinfachungen bringen (z.B. beim Verlagerungsverfahren). Minderheitsanträge, die den Einbezug von Dienstleistungen in die Besteuerung von Onlineplattformen verlangen und eine alternative Lösung für die Thematik ausländischer Reisebüros vorschlagen, sind zudem auch für den Schutz des Schweizer Steuersubstrats bedeutsam.

Stand der Beratungen

In der Sondersession 2022 berät der Nationalrat die Vorlage als Erstrat. Dessen vorberatende WAK-NR empfiehlt ihrem Rat in der Gesamtabstimmung ohne Gegenstimme, die Vorlage anzunehmen.

Beurteilung der Beratungen

Das Schweizer Mehrwertsteuersystem wird immer komplizierter. So will der Nationalrat etwa zusätzliche Konsumbereiche privilegiert behandeln. Das ist der falsche Weg. Unternehmen sind auf ein möglichst einfaches handhabbares Mehrwertsteuersystem angewiesen, damit sie die Konsumsteuer korrekt für den Staat erheben können. Wenn immer mehr Ausnahmen, immer mehr steuerliche Privilegien das Mehrwertsteuersystem durchziehen, steigen die schon heute hohen administrativen Kosten für die Schweizer Firmen noch weiter. In der Summe verstärken die Beschlüsse der Grossen Kammer leider diese negative Tendenz.

Der nächstberatende Ständerat muss korrigierend eingreifen. Wo Anpassungen und Weiterentwicklungen erforderlich sind, wie im Fall der Besteuerung von Onlineplattformen, unterstützt dies auch die Wirtschaft. Die Regelungen sollen aber so getroffen werden, dass sie sich reibungslos in die Mehrwertsteuersystematik einfügen.

ELEKTRONISCHES PATIENTENDOSSIER ENDLICH ZUM FLIEGEN BRINGEN

Bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens gibt es erheblichen Handlungsbedarf, wie die Corona-Pandemie deutlich aufgezeigt hat. Dies gilt insbesondere für das elektronische Patientendossier (EPD), welches noch viel zu wenig genutzt wird. Die vorliegende Kommissionsmotion will hier Abhilfe schaffen: Der Bundesrat wird aufgefordert, Massnahmen zu ergreifen, damit das EPD endlich benutzertauglich, einfach zugänglich und somit letztlich flächendeckend eingesetzt werden kann.

Position economiesuisse

economiesuisse empfiehlt, die Motion anzunehmen.

Bisher wenig Nutzer und Nutzerinnen des EPD

Trotz massgeblicher Investitionen der Stammgemeinschaften (organisatorische Zusammenschlüsse von Gesundheitsfachpersonen und ihren Einrichtungen) konnte das EPD bisher nicht zum Fliegen gebracht werden. Nicht einmal 10'000 Personen haben ein Dossier eröffnet. Dies liegt auch am komplizierten Verfahren, um ein EPD zu eröffnen (Onboarding).

Die EPD-Infrastruktur ist zu komplex und deshalb fehleranfällig. Gewisse Anbindungen wie die e-Medikation oder das e-Impfdossier sind daher erschwert. Eine Reduktion der Komplexität ist auch im organisatorischen Bereich vonnöten. Unbestrittenermassen muss die EPD-Infrastruktur in die digitalen Geschäftsprozesse zwischen den Gesundheitsfachpersonen eingebunden werden können. Hier stellen sich nicht nur technische, sondern auch finanzielle Fragen. Muss die Ärzteschaft ihre Onboarding-Kosten selbst bezahlen? Wie geht man mit Betrieben um, welche nicht direkt mit der Grundversicherung tätig sind? Diese erhöhen den Nutzen des EPD ebenfalls.

Motion adressiert wichtige Probleme

Der Grad der optimalen Zentralisierung ist hingegen offen. Hier sollte man wenn möglich den Erfordernissen einer optimaleren Dateninfrastruktur folgen. Eine generelle Zentralisierung würde bei den Stammgemeinschaften jedoch grosse Abschreibungskosten verursachen. Dies könnte zu Schadenersatzforderungen an den Bund führen. Darüber hinaus würde sich das Klumpenrisiko des Projekts vergrössern.

Die Motion ortet die Probleme des EPD am richtigen Ort, indem sie die zwei Bereiche «kostendeckende Finanzierung des Unterhalts und Betriebs» sowie «Weiterentwicklung des Elektronischen Patientendossiers (EPD) und seiner Infrastruktur» adressiert. Die Wirtschaft empfiehlt deshalb die Annahme der Motion.

Erfahren Sie hier mehr zum elektronischen Patientendossier.

Stand der Beratungen

In der Sondersession 2022 behandelt der Nationalrat die Motion als Erstrat. Die SGK-NR hat die Motion im Februar 2022 mit 23 zu 1 Stimme beschlossen.

Beurteilung der Beratungen

Der Nationalrat will, dass der Bundesrat das elektronische Patientendossier endlich zum Nutzen aller Akteure funktionstauglich umgestaltet. Mit der Annahme der entsprechenden Motion der SGK-NR sendet er diesbezüglich klare Signale. Die Landesregierung scheint den Handlungsbedarf indessen erkannt zu haben. Sie hat erst kürzlich, am 27. April 2022, eine Revision des EPD-Gesetzes angekündigt.

economiesuisse begrüsst diesen wichtigen Richtungsentscheid, ortet darüber hinaus weitere Erfolgsfaktoren, die zu klären sind, damit das EPD seinen vollen Nutzen entfalten kann.

Zur detaillierten Einschätzung der Wirtschaft gelangen Sie hier.