Son­der­ses­si­on 2021

Die drei­tä­gi­ge Son­der­ses­si­on des Na­tio­nal­rats ist zu Ende. Das Fazit für die Wirt­schaft fällt ge­mischt aus. Das Au­gen­merk von eco­no­mie­su­is­se liegt je­doch be­reits auf den für die Wirt­schaft wich­ti­gen Ge­schäf­ten der Som­mer­ses­si­on. Sie be­ginnt am 31. Mai 2021.

Ses­si­on im Über­blick

Die Gros­se Kam­mer hat in der Son­der­ses­si­on be­schlos­sen, einen Min­dest­preis für in­län­di­schen Zu­cker ein­zu­füh­ren. Das ist un­ver­ständ­lich, denn damit schränkt der Na­tio­nal­rat die Wettbe­werbs­fähigkeit der Schwei­zer Le­bens­mit­tel­in­dus­trie ein, statt sie zu stär­ken. Der Stän­de­rat soll­te hier un­be­dingt kor­ri­gie­rend ein­grei­fen.

Rich­ti­ger­wei­se nicht ein­ge­tre­ten ist der Na­tio­nal­rat hin­ge­gen auf den Ent­wurf einer Ver­fas­sungs­än­de­rung, mit wel­cher ein ob­li­ga­to­ri­sches Re­fe­ren­dum für völ­ker­recht­li­che Ver­trä­ge mit Ver­fas­sung­s­cha­rak­ter ge­for­dert wird. Eine sol­che Än­de­rung ist un­nö­tig.

Nach der Ses­si­on ist wie immer vor der Ses­si­on: Be­reits Ende Mai tref­fen sich beide Räte zur Som­mer­ses­si­on. eco­no­mie­su­is­se wird sich mit Ve­he­menz für die Stär­kung des Wirt­schafts­stand­orts Schweiz und ins­be­son­de­re für des­sen Wett­be­werbs­fä­hig­keit ein­set­zen. Die Un­ter­neh­men brau­chen ins­ge­samt bes­se­re Rahmenbe­dingungen – nach der Pan­de­mie dring­li­cher denn je.

In der Son­der­ses­si­on be­ra­ten die Na­tio­nal­rä­tin­nen und Na­tio­nal­rä­te unter an­de­rem drei Vor­la­gen, die die Wirt­schaft aus­drück­lich zur Ab­leh­nung emp­fiehlt.

So zum Bei­spiel die par­la­men­ta­ri­sche In­itia­ti­ve, wel­che einen Min­dest­preis für in­län­di­schen Zu­cker for­dert, der durch hö­he­re Zoll­sät­ze auf im­por­tier­tem Zu­cker durch­ge­setzt wer­den soll. Die be­reits hohen Pro­duk­ti­ons­kos­ten für die hie­si­ge Le­bens­mit­tel­in­dus­trie wür­den wei­ter stei­gen, Pro­duk­te von Schwei­zer Her­stel­lern wür­den folg­lich im Ver­gleich zur aus­län­di­schen Kon­kur­renz teu­rer. Es droht ein Ver­lust von Ar­beits­plät­zen. eco­no­mie­su­is­se lehnt die Vor­la­ge ent­schie­den ab.

Eine Mo­ti­on ver­langt, dass Im­por­teu­re, die Gold in die Schweiz ein­füh­ren, des­sen Ur­sprung an­ge­ben müs­sen. Eine hö­he­re Trans­pa­renz im Gold­han­del liegt auch im In­ter­es­se der Schwei­zer Wirt­schaft, die vor­lie­gen­de Mo­ti­on ist aber nicht ziel­füh­rend und ab­zu­leh­nen. Die Ver­bes­se­rung der Rück­ver­folg­bar­keit der glo­ba­len Lie­fer­ket­ten muss wei­ter­hin glo­bal, in Zu­sam­men­ar­beit mit allen In­ter­es­sen­grup­pen, vor­an­ge­trie­ben wer­den. Die Schweiz ist hier be­reits aktiv.

Un­nö­tig ist auch die Vor­la­ge, wel­che ein ob­li­ga­to­ri­sches Re­fe­ren­dum für völ­ker­recht­li­che Ver­trä­ge mit Ver­fas­sung­s­cha­rak­ter vor­sieht. Wich­ti­ge in­ter­na­tio­na­le Ab­kom­men wer­den der Stimm­be­völ­ke­rung be­reits heute vor­ge­legt. Es gibt daher kei­nen Grund, die Ver­fas­sung zu än­dern.

MIN­DEST­GRENZ­SCHUTZ FÜR ZU­CKER GE­FÄHR­DET WETT­BE­WERBS­FÄ­HIG­KEIT DER SCHWEI­ZER LE­BENS­MIT­TEL­IN­DUS­TRIE

Die par­la­men­ta­ri­sche In­itia­ti­ve for­dert einen Min­dest­preis für in­län­di­schen Zu­cker. Die­ser soll durch hö­he­re Zoll­sät­ze auf im­por­tier­tem Zu­cker durch­ge­setzt wer­den.

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

eco­no­mie­su­is­se lehnt den Min­dest­grenz­schutz für Zu­cker ent­schie­den ab. Eine An­nah­me würde die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Schwei­zer Le­bens­mit­tel­in­dus­trie ge­fähr­den. Be­reits heute ist die Schwei­zer Le­bens­mit­tel­in­dus­trie stark unter Druck. Der agrar­po­li­tisch be­ding­te Nach­teil in den Roh­stoff­prei­sen schwächt die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der hie­si­gen Le­bens­mit­tel­her­stel­ler. Ein Min­dest­grenz­schutz von 7 Fran­ken je 100 Ki­lo­gramm würde den Roh­stoff­preis­nach­teil für ex­por­tier­te schwei­ze­ri­sche Le­bens­mit­tel ver­stär­ken. Die im In­land pro­du­zier­ten zu­cker­hal­ti­gen Pro­duk­te wer­den schliess­lich einen er­heb­li­chen fi­nan­zi­el­len Nach­teil ge­gen­über den im Aus­land pro­du­zier­ten zoll­frei­en Pro­duk­te haben und so kaum mehr kon­kur­renz­fä­hig sein. Somit muss davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass Ar­beits­plät­ze in der Schwei­zer Le­bens­mit­tel­in­dus­trie auf dem Spiel ste­hen. Aus die­sem Grund ist der Min­dest­grenz­schutz klar ab­zu­leh­nen.

Der vor­lie­gen­de Ent­wurf der WAK-NR sieht zudem vor, den Ein­zel­kul­tur­bei­trag für Zu­cker­rü­ben, die ge­mäss öko­lo­gi­schem Leis­tungs­nach­weis an­ge­baut wer­den, auf 1500 Fran­ken pro Hekt­are und Jahr zu kür­zen und dafür für bio­lo­gisch an­ge­bau­te Zu­cker­rü­ben einen Zu­schlag von 700 Fran­ken und für ohne Fun­gi­zi­de und In­sek­ti­zi­de an­ge­bau­te Zu­cker­rü­ben einen sol­chen von 500 Fran­ken pro Hekt­are und Jahr zu zah­len. Dies ist aus Sicht von eco­no­mie­su­is­se nicht ziel­füh­rend. Wenn das Ziel eine öko­lo­gi­sche­re Zu­cker­rü­ben­pro­duk­ti­on ist, dann soll­te die Min­de­rung der Ri­si­ken für die Um­welt (Schutz von Ge­wäs­sern und Boden, Er­hal­tung der Bio­di­ver­si­tät usw.) be­lohnt wer­den und nicht prin­zi­pi­ell der bio­lo­gi­sche Anbau. Eine res­sour­cen­ef­fi­zi­en­te und in allen Di­men­sio­nen nach­hal­ti­ge Land­wirt­schaft ist auf neue Sor­ten, wis­sen­schafts­ba­sier­te Pflan­zen­schutz­mit­tel und in­no­va­ti­ve An­bau­tech­ni­ken an­ge­wie­sen.

Stand der Be­ra­tun­gen

Die Vor­la­ge be­fin­det sich in der Um­set­zungs­pha­se. In der Son­der­ses­si­on 2021 berät der Na­tio­nal­rat den von der WAK-NR aus­ge­ar­bei­te­ten Ge­set­zes­ent­wurf als Er­strat.

Be­ur­tei­lung der Be­ra­tun­gen

Ent­ge­gen der Emp­feh­lung der Wirt­schaft hat die Gros­se Kam­mer den Ge­set­zes­ent­wurf an­ge­nom­men. Würde der Min­dest­grenz­schutz für Zu­cker tat­säch­lich ein­ge­führt, würde die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Schwei­zer Le­bens­mit­tel­in­dus­trie wie oben be­schrie­ben ein­ge­schränkt, statt ge­stärkt. Der Stän­de­rat soll­te hier un­be­dingt kor­ri­gie­rend ein­grei­fen.

TRANS­PA­RENZ IM GOLD­HAN­DEL DURCH IN­TER­NA­TIO­NAL AB­GE­STIMM­TES VOR­GE­HEN ER­HÖ­HEN

Die Mo­ti­on ver­langt vom Bun­des­rat, dass er Art. 10 Abs. 2 der Ver­ord­nung über die Sta­tis­tik des Aus­sen­han­dels (SR 632.14) an­passt, so dass Im­por­teu­re, die Gold in die Schweiz ein­füh­ren, des­sen wah­ren Ur­sprung an­ge­ben müs­sen – also das Land, in dem das Gold ab­ge­baut wurde.

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

eco­no­mie­su­is­se ist über­zeugt, dass eine Ver­bes­se­rung der Rück­ver­folg­bar­keit von glo­ba­len Lie­fer­ket­ten nur durch ein glo­bal ab­ge­stimm­tes Vor­ge­hen er­reicht wer­den kann. Die Mo­ti­on zielt auf ein ein­sei­ti­ges Vor­ge­hen der Schweiz ab. eco­no­mie­su­is­se lehnt sie des­halb ab.

Ver­bes­se­rung unter Be­rück­sich­ti­gung in­ter­na­tio­na­ler Stan­dards vor­an­trei­ben

Wie die Mo­tio­nä­rin setzt sich auch die Wirt­schaft für eine hö­he­re Trans­pa­renz im Gold­han­del ein. Die vor­ge­schla­ge­ne De­kla­ra­ti­ons­pflicht für Schwei­zer Raf­fi­ne­ri­en er­ach­tet die Wirt­schaft al­ler­dings nicht als ziel­füh­rend. So wird sie die Ver­mi­schung von Ex­trak­ti­ons- und Ver­ar­bei­tungs­land bei der Be­stim­mung des Ur­sprungs von im­por­tier­tem Gold nicht auf­he­ben kön­nen.

Schweiz in ver­schie­de­nen Pro­jek­ten en­ga­giert

In ver­schie­de­nen in­ter­na­tio­na­len Pro­jek­ten ist die Schweiz denn auch be­reits heute aktiv. So hat sie letz­tes Jahr bei der Welt­zoll­or­ga­ni­sa­ti­on (WZO) einen Vor­schlag zur An­pas­sung der in­ter­na­tio­na­len zoll­ta­ri­fa­ri­schen Klas­si­fi­zie­rung von Gold ein­ge­reicht. Kon­kret soll künf­tig zwi­schen raf­fi­nier­tem und nicht raf­fi­nier­tem Gold und zwi­schen Ban­ken­gold und Gold­le­gie­run­gen un­ter­schie­den wer­den. Da­durch kann die Rück­ver­folg­bar­keit ver­bes­sert wer­den. Die Schweiz setzt diese Neue­rung für Gold­ein­fuh­ren be­reits seit dem 1. Ja­nu­ar 2021 um. Soll­ten auch die an­de­ren WZO-Mit­glied­staa­ten den Schwei­zer Vor­schlag an­neh­men, würde die neue zoll­ta­ri­fa­ri­sche Klas­si­fi­zie­rung von Gold ab 2027 welt­wei­ter Stan­dard.

Wei­ter hat die Lon­don Bul­li­on Mar­ket As­so­cia­ti­on (LBMA) im Sep­tem­ber 2020 zum ers­ten Mal län­der­be­zo­ge­ne Daten über den Im­port von Gold ver­schie­de­ner Ka­te­go­ri­en in meh­re­re Län­der (ein­schliess­lich in die Schweiz) pu­bli­ziert. Dazu bei­ge­tra­gen haben die en­ga­gier­ten Dis­kus­sio­nen an­läss­lich des Multi-Sta­ke­hol­der-Mee­tings zu Gold­han­del und Gold­raf­fi­nie­rung in der Schweiz, wel­ches im De­zem­ber 2019 auf In­itia­ti­ve des SECO und des EDA in Bern statt­fand.

Schliess­lich un­ter­stützt das SECO seit 2013 die «Bet­ter Gold In­itia­ti­ve». Diese för­dert die Ent­wick­lung von Wert­schöp­fungs­ket­ten für eine ver­ant­wor­tungs­vol­le Gold­pro­duk­ti­on in Peru, Ko­lum­bi­en und Bo­li­vi­en. Zwi­schen 2013 und 2017 konn­ten dank der In­itia­ti­ve rund 2,5 Ton­nen Gold aus hand­werk­lich be­trie­be­nen Minen unter ver­ant­wor­tungs­vol­len Be­din­gun­gen pro­du­ziert und ex­por­tiert wer­den.

Stand der Be­ra­tun­gen

Der Na­tio­nal­rat be­han­delt die Mo­ti­on in sei­ner Son­der­ses­si­on 2021 als Er­strat. Der Bun­des­rat be­an­tragt die Ab­leh­nung der Mo­ti­on.

Be­ur­tei­lung der Be­ra­tun­gen

Die Vor­la­ge wurde aus Zeit­grün­den nicht be­han­delt.

KEIN GRUND FÜR EINE VER­FAS­SUNGS­ÄN­DE­RUNG GE­GE­BEN

Völ­ker­recht­li­che Ver­trä­ge, die auf­grund ihres In­halts Ver­fas­sungs­rang haben oder deren Um­set­zung eine Än­de­rung der Bun­des­ver­fas­sung er­for­dert, sol­len dem ob­li­ga­to­ri­schen Re­fe­ren­dum un­ter­ste­hen.

Die­ses Re­fe­ren­dums­recht ist nach ver­brei­te­ter Lehr­mei­nung heute schon Teil des un­ge­schrie­be­nen Ver­fas­sungs­rechts, soll nun aber aus­drück­lich in der Bun­des­ver­fas­sung ver­an­kert wer­den. Die Vor­la­ge setzt die Mo­ti­on 15.3557 Ca­ro­ni «Ob­li­ga­to­ri­sches Re­fe­ren­dum für völ­ker­recht­li­che Ver­trä­ge mit ver­fas­sungs­mäs­si­gem Cha­rak­ter» um.

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

eco­no­mie­su­is­se emp­fiehlt, nicht auf die Vor­la­ge ein­zu­tre­ten.

Be­reits heute weit­rei­chen­de di­rekt­de­mo­kra­ti­sche Mit­be­stim­mung in der Aus­sen­po­li­tik

Die Mit­be­stim­mungs­rech­te der Schwei­zer Stimm­be­völ­ke­rung in der Aus­sen­po­li­tik sind im in­ter­na­tio­na­len Ver­gleich wohl ein­zig­ar­tig. So sehen Art. 140 und 141 der Bun­des­ver­fas­sung be­reits heute für eine Viel­zahl von Fäl­len ein ob­li­ga­to­ri­sches oder fa­kul­ta­ti­ves Re­fe­ren­dum für in­ter­na­tio­na­le Ab­kom­men vor. Be­inhal­tet zum Bei­spiel ein Staats­ver­trag Be­stim­mun­gen mit «Ver­fas­sungs­rang» und macht da­durch eine Ver­fas­sungs­än­de­rung not­wen­dig, un­ter­liegt er be­reits heute dem ob­li­ga­to­ri­schen Re­fe­ren­dum.

Weder kon­kre­ter Hand­lungs­be­darf noch Pro­blem­druck er­kenn­bar

Die Bun­des­be­hör­den und ein Teil der Lehre an­er­ken­nen im Zu­sam­men­hang mit Staats­ver­trä­gen be­reits heute ein (un­ge­schrie­be­nes) ob­li­ga­to­ri­sches Re­fe­ren­dum sui ge­ne­ris (vgl. Be­richt des Bun­des­ra­tes v. 12.06.2015). Der Hand­lungs­be­darf ist daher für eco­no­mie­su­is­se nicht aus­rei­chend, um eine Ver­fas­sungs­än­de­rung zu recht­fer­ti­gen.

Stand der Be­ra­tun­gen

Der Na­tio­nal­rat be­han­delt die Vor­la­ge in der Son­der­ses­si­on 2021 als Zweitrat. In der Herbst­ses­si­on 2020 hat der Stän­de­rat der Vor­la­ge zu­ge­stimmt.

Be­ur­tei­lung der Be­ra­tun­gen

Mit 140 gegen 50 Stim­men bei einer Ent­hal­tung hat sich der Na­tio­nal­rat klar gegen Ein­tre­ten auf die Vor­la­ge ent­schie­den. eco­no­mie­su­is­se be­grüsst den deut­li­chen Ent­scheid, weil die be­ab­sich­tig­te Ver­fas­sungs­än­de­rung gänz­lich un­nö­tig ist, unter an­de­rem, weil be­reits heute für die meis­ten völ­ker­recht­li­chen Ver­trä­ge das fa­kul­ta­ti­ve Re­fe­ren­dum gilt.