
Frühjahrssession 2025
Allgemeine Wirtschaftspolitik
Wichtiges Instrument für mehr Finanzmarktstabilität
Der Public Liquidity Backstop (PLB) ist ein international etabliertes Instrument, um systemrelevante Banken in ausserordentlichen Krisensituationen mit Liquidität zu versorgen. Die Einführung des PLB würde die Stabilität des Schweizer Finanzplatzes stärken.
Darum geht es: Mit dem PLB soll ein zusätzliches Instrument geschaffen werden, um im Krisenfall systemrelevanten Banken zusätzliche Liquiditätshilfen gewähren zu können. Der PLB ist die ultima ratio, um eine systemrelevante Bank im Krisenfall zu stabilisieren, wenn mit allen vorigen Massnahmen dieses Ziel nicht erreicht werden konnte. Ein Konkurs einer systemrelevanten Bank hätte weitreichende negative Konsequenzen für den Finanzsektor und die gesamte Wirtschaft. Viele Länder haben deshalb ihr Instrumentarium für den Krisenfall durch den PLB ergänzt.
Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft begrüsst die Einführung des PLB als zusätzliches Instrument der Too-Big-To-Fail-Regulierung. Der PLB ist ein wirksames und international verbreitetes Instrument zur Stärkung der Finanzmarktstabilität. economiesuisse ist aber der Meinung, dass eine Abgeltungspauschale nicht gerechtfertigt ist. Dies, weil kein genereller Anspruch für systemrelevante Banken auf den PLB besteht und weil die betroffene Bank und deren Management schwerwiegende Eingriffe zu erwarten haben, sollte der PLB zur Anwendung kommen.
Empfehlung economiesuisse: Annahme
Stand der Beratungen: Der Ständerat lobte mehrheitlich den Bericht der PUK, vereinzelt wurde Kritik am CS-Management und der Finma geäussert und folgt, gegen die Forderung des Bundesrats, der Empfehlung seiner vorberatenden Kommission, die Vorlage zu sistieren, bis die Gesetzesrevision voraussichtlich Ende 2025 vorliegt. Zur Sistierung des Bankengesetzes muss sich jetzt noch der Nationalrat äussern.
Vertrauen in den Finanz-platz Schweiz stärken
Stabilitätsmassnahmen ja, jedoch ohne Einschränkungen der Wettbewerbsfähigkeit.
Darum geht es: Die PUK unterbreitet den Räten 4 Motionen und 6 Postulate betreffend Regulierung und Überwachung systemrelevanter Banken. Finanzstabilität und gesamtwirtschaftliche Interessen sollen stärker gewichtet werden, um systemrelevante Banken im Krisenfall zu unterstützen, ohne dass der Staat sich damit selbst gefährdet. Der Bericht zeigt: Der CS-Zusammenbruch ist auf Managementfehler, unzureichende Aufsicht und strukturelle Defizite zurückzuführen. Die Finanzmarktgesetzgebung muss nicht grundlegend reformiert, sondern gezielt weiterentwickelt werden, um eine wettbewerbsfähige und stabile Finanzmarktarchitektur zu gewährleisten.
Das findet economiesuisse: Der Dachverband äussert sich im Folgenden zu den für die Gesamtwirtschaft relevanten Vorstösse:
- 24.4529 Annahme: Stärkung des schweizerischen Finanzsystems und Verhinderung internationaler Finanzkrisen. Eine international abgestimmte Regulierung ist entscheidend.
- 24.4526 Ablehnung: Einschränkung der Flexibilität der Regulierungsbehörden in Krisen gefährdet Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit. Die prinzipienbasierte Regelung hat sich bewährt.
- 24.4527 Ablehnung: Übermässige Stärkung der FINMA-Kompetenzen untergräbt Gewaltenteilung. Bestehende Instrumente sind ausreichend, müssen aber richtig angewandt werden.
- 24.4528 Annahme: Mehr Handlungsspielraum der SNB in Krisenbewältigung stärkt das Finanzsystem.
- 24.4533 Annahme: Prüfung einer Anpassung des Aufsichtskonzepts für systemrelevante Banken zur Reduzierung von Interessenskonflikten, ohne Ableitung eines generellen Handlungsbedarfes für alle Finanzdienstleister.
- 24.4535 Annahme: Vergütungssysteme bei systemrelevanten Banken dürfen keine falschen Anreize setzen. Variable Vergütungen nur bei Geschäftserfolg. Massnahmen müssen wettbewerbsfähig und proportional sein.
Empfehlung economiesuisse: Annahme
Stand der Beratungen: Nachdem der Ständerat nun auch der Nationalrat sämtliche, von der PUK eingebrachten, Vorstösse zur Beschränkung der Erleichterung von Eigenmittel- und Liquiditätsvorschriften für systemrelevante Banken und zur Stärkung der Durchsetzungskraft der Finma bei systemrelevanten Firmen angenommen haben, ist die Umsetzung der vier Motionen für die Landesregierung verbindlich. Die Vorstösse wurden an den Bundesrat überwiesen.
Kostenbeteiligung endlich anpassen
Die Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung sind in den letzten zwanzig Jahren um 73 Prozent gestiegen. Trotzdem wurde die Kostenbeteiligung in diesem Zeitraum nie angepasst. Gleichzeitig wird die Prämienbelastung beklagt. Mit einer Erhöhung der Franchise können die Prämien gesenkt und unnötige Behandlungen vermieden werden.
Darum geht es: Der Bundesrat wird beauftragt, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Kostenbeteiligung so zu ändern, dass die ordentliche Franchise die aktuelle Kostensituation in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung besser abbildet.
Das findet economiesuisse: Eine Anpassung der Franchise ist überfällig. Noch wirksamer wäre allerdings eine Reform der Kostenbeteiligung, die auch den Selbstbehalt umfasst. Die heutige Regelung führt dazu, dass sich Personen mit hohem Leistungsbezug über die Zeit hinweg relativ immer weniger an den Kosten beteiligen müssen. Gemäss Risikoausgleichsstatistik bezahlen Vielbezüger eine durchschnittliche Kostenbeteiligung von nur noch 7 Prozent, während Wenigbezüger eine Selbstbeteiligung von 48 Prozent aufweisen. Eine Erhöhung der Selbstbehalt-Obergrenze würde diese Ungleichbehandlung ausgleichen. Zudem könnte die Erhöhung des Selbstbehaltes flexibler gestaltet werden als bei der Franchise, indem bestimmte Leistungen ausgenommen und andere mit mehr als 10 Prozent belastet werden. Damit könnten z.B. vermutete Fehlversorgungen (Über- und Unterversorgung) abgebaut und die Zweckmässigkeit einer Leistung berücksichtigt werden.
Empfehlung economiesuisse: Annahme
Stand der Beratungen: Die Motion wurde mehrheitlich vom bürgerlichen Block mit 118 zu 70 Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen. Somit folgte der Nationalrat der Mehrheit seiner vorberatenden Kommission und der Empfehlung des Bundesrats.
Monopol-Einheitskasse – ein teures Experiment
Die Kantone können bereits heute Krankenversicherungen gründen. Diese müssen aber im Wettbewerb mit anderen Anbietern stehen. Der Kanton Genf will mit einer Standesinitiative eine Monopolkasse schaffen, die sich dem Wettbewerb entziehen kann. Monopole sind immer teuer und ineffizient – ein Rezept für hohe Prämien.
Darum geht es: Die Einheitskrankenkasse ist in eidgenössischen Abstimmungen bereits mehrfach abgelehnt worden. Der Grosse Rat des Kantons Genf fordert die Bundesversammlung dennoch auf, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, damit die Kantone eine Monopolkasse testen können. Der geänderte Rechtsrahmen soll es Genf und anderen Kantonen ermöglichen, ein staatliches Gesundheitswesen einzuführen.
Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft lehnt die Standesinitiative ab, weil sie das Kostenproblem im Gesundheitswesen verschärft. Der Wettbewerb unter den Krankenversicherern setzt wichtige Anreize, die mit einer Einheitskasse verlorengingen. Keine Kasse kann es sich heute leisten, die Kosten nicht im Griff zu haben oder die Verwaltung unnötig aufzublähen. Sie würde Versicherte verlieren. Gleichzeitig versuchen die Versicherer, mit gutem Service und innovativen Angeboten neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen. So sind in den letzten Jahren Versicherungsmodelle wie HMO, Telemedizin oder Managed Care für die Versicherten immer attraktiver geworden.
Der Kanton Genf stellt sich eine Einheitsversicherung nach dem Vorbild der SUVA vor und verweist auf deren gute Leistungen. Dabei übersieht er, dass zum einen die SUVA kein echter Monopolist ist, sondern mit privaten Anbietern konkurrieren muss. Zum anderen ist die Kostendynamik in der Krankenversicherung nicht mit jener der Unfallversicherung gleichzusetzen.
Empfehlung economiesuisse: Ablehnung
Stand der Beratungen: Die eidgenössischen Räte wollen nicht, dass die Kantone kantonale Einheitskrankenkassen schaffen können. Nach dem Ständerat hat nun auch der Nationalrat die Standesinitiative aus dem Kanton Genf mit 124 zu 64 Stimmen abgelehnt. Sie ist damit vom Tisch.
Wettbewerb & Regulatorisches
Sammelklagen sollen kein Schweizer Geschäftsmodell werden
Die Zahlen sind eindrücklich: Die eingereichten Sammelklagen in Europa und in den USA, insbesondere im Bereich Klima, haben sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt. Die Schweiz soll hier nicht mitziehen und auf einen Import ausländischer Rechtsinstrumente verzichten.
Darum geht es: Die RK-N hat sich intensiv mit der Vorlage des Bundesrates zur Einführung von Instrumenten des kollektiven Rechtsschutzes im Zivilprozess beschäftigt. Nach zahlreichen Zusatzabklärungen wie einer Regulierungsfolgeabschätzung und einer rechtsvergleichenden Studie kam eine klare Mehrheit der Kommission zum Schluss, dass Sammelklagen nicht zum Schweizer Rechtssystem passen und das Risiko einer «Amerikanisierung» bergen. Die Kommission befürchtet, dass erfolgsbeteiligte Anwaltskanzleien die Wirtschaft mit schädlichen Klagen – gerade auch im Klimabereich – eindecken könnten.
Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft empfiehlt, der Mehrheit der RK-N zu folgen und die Vorlage abzulehnen. Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern zeigen, dass solche Instrumente die Klageindustrie fördern, die das Rechtssystem kommerzialisieren — zum Nachteil der derjenigen, die im juristischen Wettrüsten nicht mithalten können. Die Risiken von missbräuchlichen Klagen gegen Unternehmen und den Staat sind in wirtschaftlich starken Ländern wie der Schweiz besonders hoch. Ein «kollektiver Rechtsschutz light» ist kein gangbarer Weg. Die Schweiz verfügt über bewährte Instrumente wie die Klagehäufung und ein sehr gut ausgebautes Ombudssystem, um die eigenen Ansprüche geltend zu machen. Technologische Fortschritte erweitern diese Möglichkeiten noch weiter.
Empfehlung economiesuisse: Ablehnung
Stand der Beratungen: Der Nationalrat beschliesst für die vom Bundesrat ausgearbeitete Vorlage für neue Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes, mit 112 zu 74 Stimmen bei vier Enthaltungen, nichteintreten. Er folgt damit einem Antrag der Mehrheit ihrer vorberatenden Kommission für Rechtsfragen, die in der Vorlage die Gefahr einer «Amerikanisierung» des Schweizer Rechtssystems sieht. Jetzt muss der Ständerat noch über die Vorlage entscheiden und bei dessen eintreten geht diese zurück in den Nationalrat.
Werbeverbote behindern den Wettbewerb
Kinder und Jugendliche sollen nicht der Tabakwerbung ausgesetzt sein. Das Gesetz darf jedoch nicht über diesen Auftrag hinausgehen. Werbung ist eine Voraussetzung für eine funktionierende Marktwirtschaft.
Darum geht es: Die Umsetzung der Volksinitiative «Ja zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Tabakwerbung» kommt nach dem Nichteintretensentscheid in der Frühjahrssession 2024 zum zweiten Mal in den Nationalrat. Die SGK-N hält grossmehrheitlich an der Variante des Ständerates fest und fordert notwendige Anpassungen der bundesrätlichen Vorlage, die über die Volksinitiative hinausgeht und zusätzliche Regulierungen und Verbote einführen möchte. Damit wird dem Nationalrat eine Vorlage präsentiert, die noch in wichtigen Punkten Anpassungsbedarf aufweist.
Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft unterstützt grundsätzlich die Mehrheit der SGK-N, fordert aber Anpassungen bei den folgenden wichtigen Punkten, die den Wettbewerb einschränken, gemäss der jeweiligen Minderheit:
- Art. 19 Abs. 1 Bst. c (mobiles Verkaufspersonal): Annahme gemäss Minderheit II und damit der Variante des Ständerates
- Art. 18 Abs. 1 Einleitungssatz sowie Abs. 1 Bst. b und Abs. 2: Annahme gemäss Minderheit
- Art. 18 Abs. 1 Bst. a (Presse): Annahme gemäss Minderheit I
- Art. 18 Abs. 1 Bst. e (Werbung an öffentlich zugänglichen Orten): Annahme gemäss Minderheit I
Empfehlung economiesuisse: Annahme bedingt
Stand der Beratungen: Nationalrat nähert sich beim Tabakwerbeverbot der kleinen Kammer an. Beim Mobilen Verkaufspersonal setzte sich der Antrag der Mehrheit in Art. 19 Abs. 1 Bst. c durch. In der Gesamtabstimmung waren 145 Stimmen für die Annahme des Entwurfes und 32 dagegen, bei 17 Enthaltungen.
Finanzen & Steuern
Keine Milliarden-Steuerausfälle und Firmenverkäufe ins Ausland
Die Juso-Initiative rüttelt nicht nur an den rechtstaatlichen Prinzipen, sondern gefährdet den Erhalt von Traditionsfirmen in der Schweiz. Verschiedene Studien kommen denn auch klar zum Schluss: Die Steuereinnahmen des Bundes würden nicht etwa steigen, sondern deutlich sinken.
Darum geht es: Die Juso-Initiative fordert die Einführung einer neuen Erbschaftssteuer in der Höhe von fünfzig Prozent auf Vermögen über 50 Millionen Franken. Der Ertrag soll beim Bund und in den Kantonen zweckgebunden «für die sozial gerechte Bekämpfung der Klimakrise» verwendet werden. Dafür ist die «Gesamtwirtschaft» umzubauen. Der Bundesrat und die WAK-N empfehlen, die Initiative ohne Gegenvorschlag abzulehnen.
Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft lehnt die Juso-Volksinitiative entschieden ab:
- Eine 50%-Steuer lässt jede Nachfolgeplanung von mittelständischen Schweizer Familienunternehmen scheitern. Laut einer PwC-Studie müssten zwei Drittel dieser Unternehmen zwangsverkauft werden.
- Die Initiative könnte Steuerausfälle von bis zu 3,6 Milliarden Franken verursachen. Das reichste 1 Prozent zahlt 23,2 Prozent der Steuern. Bei einer Abwanderung ins Ausland müsste der Mittelstand mehr zahlen, oder es käme zu Kürzungen staatlicher Leistungen.
- Die Initiative greift in Kantonskompetenzen ein und mindert deren Erträge aus Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuern, was den Wirtschaftsstandort schwächt. Die Schweiz erzielt im internationalen Vergleich bereits heute überdurchschnittlich hohe Steuereinnahmen in diesem Bereich.
- Die Steuer betrifft nur etwa 2.500 Personen und verletzt damit das Allgemeinheitsgebot. Sie untergräbt zudem die Wirtschafts- und Niederlassungsfreiheit und schafft durch die rückwirkende Anwendung unklarer Bestimmungen erhebliche rechtliche Unsicherheit.
Empfehlung economiesuisse: Ablehnung
Stand der Beratungen: Mit 132 zu 49 Stimmen bei 8 Enthaltungen stimmte der bürgerliche Block des Nationalrates gegen eine nationale Besteuerung von Millionen-Erbschaften zugunsten des Klimaschutzes. Vier Gegenvorschläge der Linken, aus deren Reihen auch die Enthaltungen kamen, wurden zuvor abgelehnt. Das Geschäft geht an den Ständerat.
Heiratsstrafe und negative Erwerbsanreize gleichzeitig abschaffen
Das heutige System der gemeinsamen und progressiven Besteuerung von Ehepaaren führt besonders für verheiratete Zweitverdienende zu eingeschränkten Erwerbsanreizen. Mit dem Systemwechsel werden die negativen Erwerbsanreize so weit als möglich eliminiert. Um eine gleichmässige Verteilung der Kosten der Reform über alle Einkommensklassen zu erreichen, sieht die Vorlage eine verschärfte Progression im Tarifverlauf vor.
Darum geht es: Die Schweizer Wirtschaft ist auf qualifizierte Fachkräfte angewiesen. Bei Zweitverdienenden besteht ein ungenutztes Arbeitskräftepotenzial. Bei dieser Gruppe führt die Individualbesteuerung zu einer deutlichen Verbesserung der Erwerbsanreize. Mit Splittinglösungen oder anderen Modellen der gemeinsamen Veranlagung lässt sich dieser Effekt nicht im gleichen Ausmass realisieren.
Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft unterstützt einen Gegenvorschlag, der die negativen Erwerbsanreize bestmöglich minimiert. Eine weitere Verstärkung der Progression wird jedoch abgelehnt, weil das den gewünschten Beschäftigungseffekten entgegenwirkt. Um volle Wirkung zu entfalten, muss der Systemwechsel zudem auf allen Staatsebenen umgesetzt werden. Der Schnittstellen-Problematik zu anderen Rechtgebieten ohne Individual-, sondern mit Ehepaarbetrachtung ist die nötige Aufmerksamkeit zu schenken (z.B. Prämienverbilligungen, Krippensubventionen, Erbrecht).
Empfehlung economiesuisse: Annahme
Stand der Beratungen: Nachdem der Nationalrat im Herbst mit knapper Mehrheit einer Individualbesteuerung, als indirekten Gegenvorschlag zur von der FDP eingereichten Steuergrechtigkeits-Initiative, zustimmte, tritt nun auch der Ständerat auf eine abgeschwächte Vorlage des Bundesrates ein. Er folgt mit knapper Mehrheit bei 23 zu 21 Stimmen seiner vorberatenden Kommission, die die Vorlage des Bundesrates ebenfalls knapp mit Stichentscheid von Präsident Hans Wicki annahm.
Aussenwirtschaft
Digitalisierung und Vereinfachung zugunsten der Exportwirtschaft
Mit dem DaziT-Programm soll der Zoll digitalisiert werden. Die Totalrevision des Zollgesetzes leistet somit einen wertvollen Beitrag zur Modernisierung und Verbesserung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen der Schweiz. Die Vorlage bedarf jedoch einiger Detailkorrekturen.
Darum geht es: Mit der Totalrevision sollen die verschiedenen Aufgabenbereiche des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit zusammengeführt und harmonisiert werden. Das neue Gesetz umfasst daher Grundlagen für die unterschiedlichsten Bereiche, von Verzollungsverfahren bis zur Zusammenarbeit mit der Polizei. Die Zollgesetzrevision bildet zusammen mit dem Transformationsprogramm DaziT die Grundlage für eine längst überfällige Modernisierung der Zollprozesse.
Das findet economiesuisse: In der Detailberatung haben beide Räte wichtige Präzisierungen und Nachbesserungen am Gesetz vorgenommen. Aus Sicht von economiesuisse sind folgende Punkte noch zu korrigieren:
- Kontrolle und Vereinfachung: Dank allgemeiner Anmeldepflicht (Art. 13 BAZG-VG gemäss BR) und zusätzlicher Vereinfachung (Art. 15 Abs. 4 BAZG-VG gemäss SR) können mehr Firmen von administrativen Vereinfachungen profitieren, während wichtige Datengrundlagen für Kontrollen erhalten bleiben.
- Klare Regeln: Bei wichtigen Aspekten ist auf «Kann»-Formulierungen zu verzichten. Daher ist bei Art. 17 und 18 BAZG-VG die Version Bundesrat beizubehalten, sowie die Version Nationalrat bei Art. 15 Abs. 3 und Art. 23 Abs. 1 BAZG-VG.
- Aktivierung der Warenanmeldung nicht auf eine Person einschränken: Art. 19 BAZG-VG gemäss BR sieht eine Abfolge verschiedener aktivierungspflichtiger Wirtschaftsakteure vor und schränkt so diesen wichtigen Schritt des Zollverfahrens in der Praxis nicht ein.
Empfehlung economiesuisse: Annahme bedingt
Stand der Beratungen: Der Nationalrat hat die Abweichungen des Ständerates beraten und folgte mehrheitlich den Beschlüssen, wie bereits ihre vorberatende Kommission. Aufgrund verbliebener Differenzen geht das Geschäft nun zurück an den Ständerat.
Fehldiagnose eines Scheinproblems
Eine staatliche Investitionskontrolle ist nicht im Interesse einer offenen und vernetzten Schweiz. Ausserdem fehlt dafür jegliche Evidenz. Bis heute sind keine Übernahmen bekannt, die in der Vergangenheit die öffentliche Ordnung oder die Sicherheit der Schweiz gefährdet hätten.
Darum geht es: Die Vorlage sieht vor, Übernahmen von inländischen Unternehmen durch staatlich kontrollierte Investoren aus dem Ausland einer Genehmigungspflicht zu unterstellen. Damit soll verhindert werden, dass solche Investoren die öffentliche Ordnung oder die Sicherheit der Schweiz gefährden. Der Bundesrat und die WAK-S lehnen das vom Parlament in Auftrag gegebene Vorhaben ab.
Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft empfiehlt dem Ständerat, seiner vorberatenden Kommission zu folgen und nicht auf den Gesetzentwurf einzutreten.
- Eine Investitionsprüfung verursacht hohe Kosten für Wirtschaft und Behörden, ohne klaren Nutzen. Die eigentliche Bedrohung für die öffentliche Sicherheit geht nicht von legalen Firmenübernahmen aus, sondern von illegalen Aktivitäten wie Cyberkriminalität.
- Die kritischen Infrastrukturen der Schweiz (z.B. Energie oder Telekommunikation) sind bereits heute hauptsächlich in Besitz des Staates (Bund, Kantone, Gemeinde).
- Eine Investitionsprüfung schafft sowohl für inländische Unternehmen als auch für ausländische Investoren erhebliche Rechtsunsicherheit. Wer von Partnerländern Marktöffnung einfordert, kann kein überschiessendes Regime im eigenen Markt aufbauen.
- Auch ohne Investitionsprüfung handhabt die Schweiz im OECD-Vergleich bereits heute ausländische Direktinvestitionen restriktiver als ihre Nachbarländer. So kennt die Schweiz spezialgesetzliche Regelungen wie die Fusionskontrolle im Wettbewerbsrecht oder Meldepflichten im Börsenrecht.
Empfehlung economiesuisse: Ablehnung
Stand der Beratungen: Nachdem der Nationalrat sich in der Herbstsession für strengere Investitionskontrollen ausgesprochen hatte, beschliesst auch der Ständerat mit 29 zu16 Stimmen ohne Enthaltungen auf die Vorlage einzutreten und folgte damit der Minderheit ihrer vorberatenden Kommission. Der Bundesrat, sowie die Mehrheit der vorberatenden Kommission waren der Meinung, dass es keine Investitionsprüfung brauche. Der Ständerat berät zu einem späteren Zeitpunkt über das Investitionsprüfgesetz und die Vorlage geht zurück an die vorberatende Kommission.
Chance jetzt packen!
Das Freihandelsabkommen der EFTA-Staaten mit Indien ist das erste Europas mit dem aufstrebenden Land. Die Schweizer Wirtschaft unterstützt dieses Abkommen ausdrücklich. Es eröffnet unserer Exportnation einen besseren Marktzugang zu einer Volkswirtschaft mit einem Wachstumspotenzial von jährlich 6 bis 9 Prozent. Die Importzölle werden in den kommenden Jahren deutlich sinken.
Darum geht es: Am 20. März 2024 haben die EFTA-Staaten mit Indien ein Freihandelsabkommen unterzeichnet. Für die Schweizer Aussenwirtschaft ist das ein Meilenstein. In Zeiten des weltweit zunehmenden Protektionismus erhält die Exportnation Schweiz die Chance, am wirtschaftlichen Potenzial des weltweit bevölkerungsreichsten Landes mit stetigem Wirtschaftswachstum teilzuhaben.
Schweizer Unternehmen erhalten einen besseren Marktzugang für Güter und Dienstleistungen. Der Schutz des geistigen Eigentums wird ebenfalls verbessert. Erstmals vereinbart Indien im Rahmen eines Freihandelsabkommens ein rechtlich verbindliches Kapitel zu Handel und Nachhaltigkeit. Das FHA verschafft Schweizer Unternehmen gegenüber ihren Konkurrenten aus der EU und UK, die noch über kein Abkommen mit Indien verfügen, einen wichtigen Wettbewerbsvorteil.
Das findet economiesuisse: economiesuisse empfiehlt dem Nationalrat, dem klaren Bekenntnis des Ständerates zu folgen und das Abkommen zu genehmigen. Will die Schweiz ihren kompetitiven Vorteil nutzen, dann ist eine zügige Ratifizierung des Freihandelsabkommens im Schweizer Interesse. So könnten Schweizer Unternehmen bestenfalls schon Ende 2025 von dessen zahlreichen Vorteilen profitieren.
Empfehlung economiesuisse: Annahme
Stand der Beratungen: Nachdem der Ständerat das Abkommen in der Wintersession einstimmig angenommen hat, hat nun auch der Nationalrat mit 131 zu 22 Stimmen bei 38 Enthaltungen die Vorlage gutgeheissen. Aufgrund der übereinstimmenden Beschlussfassung beider Räte ist das Geschäft bereit für die Schlussabstimmung.
Doppelspurigkeiten verhindern
Der grenzüberschreitende Handel mit Foltergütern soll mittels eines neuen Gesetzes strenger kontrolliert werden. Dieses Anliegen ist zu unterstützen. Bei der Umsetzung sind aber Doppelspurigkeiten durch mehrere Bewilligungsverfahren und damit unnötige Handelshemmnisse zu verhindern.
Darum geht es: Der grenzüberschreitende Handel mit Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zur Folter verwendet werden können, soll künftig strenger kontrolliert werden. Der Bundesrat hat dafür ein neues Gesetz entworfen.
Das findet economiesuisse: Die Zielsetzung des Foltergütergesetzes ist zu unterstützen. Einige der im Foltergütergesetz erwähnten Güter sind bereits seit Jahren durch andere Regulierungen entweder bewilligungspflichtig oder verboten. Mehrere Exportbewilligungen auf der Grundlage verschiedener Gesetze würde den administrativen Aufwand für Firmen unnötig steigern. Folglich empfiehlt economiesuisse in der Differenzbereinigung am Beschluss des Ständerates zu Art. 2 Abs. 3 FGG festzuhalten. So würde für Arzneimittel das bestehende Bewilligungsverfahren beibehalten und diese Güter nicht dem neuen Foltergütergesetz unterstellt.
Empfehlung economiesuisse: Annahme bedingt
Stand der Beratungen: Die beiden Räte haben beim Foltergütergesetz letzten Differenzen aus dem Weg geräumt. Der Nationalrat ist dem Ständerat gefolgt und kippte die Gesetzesartikel zu bestimmten Medikamenten aus dem Gesetz, nachdem die kleine Kammer zuvor zweimal darauf beharrte, dass der Umgang mit solchen Medikamenten bereits im Heilmittelgesetz geregelt sei.
Abkommen Schweiz-UK als Signal für offene Finanzmärke
Das Berne Financial Services Agreement markiert den Start einer neuartigen Zusammenarbeit zwischen zwei der wichtigsten Finanzmärkte Europas. So kann bisher ungenutztes Potenzial in grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen besser ausgeschöpft werden.
Darum geht es: Das Abkommen ermöglicht einen besseren Marktzugang für grenzüberschreitende Dienstleistungen in den Bereichen Banken und Investitionen, Vermögensverwaltung, Versicherungen und Finanzmarktinfrastruktur mit einem strategisch wichtigen Partnerland. Das Vereinigte Königreich ist der viertwichtigste Handelspartner der Schweiz mit einem jährlichen Handelsvolumen von rund 20 Milliarden Franken.
Das findet economiesuisse: economiesuisse unterstützt das Abkommen. Mit diesem werden die Wirtschaftsbeziehungen zwischen UK und der Schweiz weiter vertieft. Es hat gesamtwirtschaftlich einen positiven Nutzen und stärkt den hiesigen Finanzplatz. Gerade in Zeiten geopolitischer Spannungen und wachsenden Protektionismus senden die Schweiz und das Vereinigte Königreich damit ein starkes Signal für offene Märkte und Zusammenarbeit aus. Nun ist es wichtig, die Ratifizierung und Implementierung des Abkommens rasch anzugehen.
Empfehlung economiesuisse: Annahme
Stand der Beratungen: Die grosse Kammer hat die Vorlage mit 176 zu 1 Stimmen ohne Enthaltungen gutgeheissen. Zuvor hat der Ständerat dem Abkommen bereits zugestimmt.
Wirksame Unterstützung für Wiederaufbau der Ukraine
Ende 2023 wurde der finanzielle Bedarf für den Wiederaufbau auf 486 Milliarden US-Dollar geschätzt. Angesichts dieser Herausforderung ist die Unterstützung über die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) ein wichtiger Pfeiler für die Ukraine-Hilfe der Schweiz.
Darum geht es: Der Bundesrat beantragt einen Verpflichtungskredit über 96,11 Millionen Franken für die Beteiligung an der hauptsächlich dem Wiederaufbau der Ukraine dienenden Kapitalerhöhung der EBWE (Entwurf 1). Zudem beantragt er, die Anpassung des Übereinkommens zur Errichtung der EBWE zu genehmigen, die es der Bank ermöglichen soll, ihre Tätigkeit schrittweise auf Subsahara-Afrika und den Irak auszudehnen (Entwurf 2).
Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft unterstützt die Beteiligung der Schweiz an der Kapitalerhöhung der EBWE zugunsten der Ukraine.
Neben den bilateralen Massnahmen ist auch die multilaterale Unterstützung über Institutionen wie die EBWE ein wichtiger Pfeiler der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz. Angesichts des Ausmasses des Wiederaufbaus in der Ukraine schafft die Bank durch ihre Projekte und die Bereitstellung von Finanzierungen auch Beteiligungsmöglichkeiten für die Schweizer Wirtschaft. Schweizer Firmen können insbesondere in den Bereichen Industrieproduktion, Transport und Logistik, Energie sowie Informationstechnologien einen wichtigen Beitrag leisten. Sie verfügen folglich in vielen Bereichen über das Knowhow, welches für das Engagement der EBWE in der Ukraine nötig ist.
Empfehlung economiesuisse: Annahme
Stand der Beratungen: Nach dem Ständerat hat nun auch der Nationalrat mit 124 zu 65 Stimmen einer Beteiligung der Schweiz mit 96,11 Millionen Franken an einer Kapitalerhöhung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung zugestimmt.
Energie, Klima & Umwelt
Kein Verlagerungsauftrag ohne Verfassungsgrundlage
Der Bundesrat will über 500 Millionen Franken aus der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) für die Sanierung des Einzelwagenladungsverkehrs (EWLV) verwenden. Für die Wirtschaft ist klar: Dafür braucht es klare Bedingungen und sicher kein Verlagerungsziel im Inland.
Darum geht es: Der EWLV weist grosse Defizite und Investitionsbedarf aus. Der Bundesrat will Abhilfe schaffen: Betriebs- und Investitionsbeiträge sollen bei der Modernisierung und Dekarbonisierung der Schiene helfen. Die Finanzierung soll aus der LSVA erfolgen – zulasten der transportierenden Unternehmen und des Bahninfrastrukturfonds. Eine knappe Mehrheit der KVF-N will einen höheren Bahnanteil am Güterverkehr gesetzlich vorzuschreiben. Verschiedene Minderheiten fordern darüber hinaus die Stärkung von Wettbewerb und Wirtschaftsfreiheit.
Das findet economiesuisse:
- Art. 3 Abs. 1 Bst. f: Annahme der Minderheit Jauslin. Einen Verlagerungsauftrag im Binnenverkehr, wie ihn die Mehrheit der KVF-N in den Zielen des Gesetzes festhalten will, lehnt die Wirtschaft ab. Hierfür fehlt eine Verfassungsgrundlage.
- Art. 3 Abs. 2: Annahme der Mehrheit. Die Eigenwirtschaftlichkeit des EWLV ist ein zentrales Ziel der Vorlage.
- Art. 10 Abs. 5: Annahme der Minderheit Tuena. Die Förderung muss mit wirtschaftlichen Kriterien verbunden sein.
- Art. 13 Abs. 7: Annahme der Mehrheit. Transparenz über die Finanzflüsse muss gewährleistet sein.
- Art. 25 Abs. 3: Annahme der Minderheit Tuena. Die Stärkung des Wettbewerbs hilft dem ganzen System.
- Art. 32 Abs. 2: Annahme der Minderheit Giezendanner. Die Vorlage muss den Wettbewerb im Markt stärken.
Empfehlung economiesuisse: Annahme bedingt
Stand der Beratungen: Letzte Differenzen wurden in den beiden Räten bereinigt. Der vom Ständerat vorgeschlagenen Aufnahme eines Verlagerungsziels in den Erlass wurde vom Nationalrat mit 113 zu 74 Stimmen ohne Enthaltungen abgelehnt. Die Vorlage ist damit bereinigt und bereit für die Schlussabstimmungen.
Schwellenwert für Rückerstattung senken
Die Stromreserve ist wichtig, solange wir kein Stromabkommen mit der EU und keine ausreichende inländische Stromproduktion haben. Die Gebühren müssen jedoch fair verteilt werden, da sonst die Gefahr von Deindustrialisierung und Carbon Leakage entsteht – wie in Deutschland. Es braucht eine Lösung analog der bewährten Rückerstattung des Netzzuschlags.
Darum geht es: Das Parlament hat im Stromgesetz die gesetzlichen Grundlagen für eine Stromreserve geschaffen, welche der Bundesrat nun erweitern will. Sie führt zu einer erheblichen Gebührenlast, die fair verteilt werden muss.
Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft unterstützt die Weiterführung der Reserve – ohne Versorgungssicherheit kein Wohlstand und kein Netto-Null. Insbesondere wird begrüsst, dass die Verbrauchsreserve ein verbindlicher Bestandteil der Reserve werden soll: So kann diese weiter diversifiziert werden und die Unternehmen können mit einer Anpassung des Verbrauchs einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten.
Die Stromreserve verstärkt allerdings auch den besorgniserregenden Trend der steigenden Gebührenlast für Unternehmen, was die Deindustrialisierung und die Abwanderung von vergleichsweise sauberer Schweizer Produktion ins Ausland fördert («Carbon Leakage»).
Der Beschluss des Nationalrates für eine Rückerstattung bei Unternehmen mit Stromkosten in der Höhe von mindestens 20 Prozent der Bruttowertschöpfung würde fast keine Firmen entlasten. economiesuisse begrüsst daher, dass die UREK-S diesen Wert auf 10 Prozent korrigieren will – analog zur bewährten Lösung bei der Rückerstattung des Netzzuschlags im Energiegesetz.
Empfehlung economiesuisse: Annahme
Stand der Beratungen: Nach dem Nationalrat will auch der Ständerat die Stromreserve gesetzlich verankern und hat die Vorlage einstimmig angenommen. Da der Ständerat Änderungen beschloss, geht das Geschäft zurück an den Nationalrat.