Frühjahrssession 2023

Mit dem Mantelerlass haben die eidgenössischen Räte den Grundstein für die künftige Energie- und Versorgungssicherheitsstrategie der Schweiz gelegt. Bis 2050 sollen 45 Terawattstunden Strom aus erneuerbaren Energiequellen (exklusive Wasserkraft) produziert werden. Begrüssenswert ist, dass das Messwesen liberalisiert und der Netzzuschlag nicht erhöht wird, womit die Kunden nicht noch mehr belastet werden. Eine klarere Priorisierung von Nutzinteressen gegenüber Schutzinteressen und somit ein deutliches Bekenntnis zum Zubau erneuerbarer Energien wäre wünschenswert gewesen. Das Parlament hat es unterlassen, die Wiederausfuhr von Kriegsmaterial an bestimmte Drittstaaten zu erlauben. Abnehmerländer kritisieren die Schweiz und suchen neue Lieferanten. In der BVG-Reform haben die eidgenössischen Räte eine Einigung gefunden: Künftig soll deutlich mehr Personen ein Zugang zur 2. Säule ermöglicht werden. Mit dem Entscheid, die Kinderbetreuung besser und nachhaltiger zu finanzieren, wird der Weg für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf geebnet. Nicht zielführend ist das Festhalten des Nationalrats am indirekten Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungs-Initiative sowie die Ablehnung der Renteninitiative.

Finanzen & Steuern

Jetzt eine nachhaltige AHV-Finanzierung aufgleisen

Noch einmal Jahre verstreichen lassen, obwohl mit der Renteninitiative ein ernst zu nehmender Lösungsbeitrag auf dem Tisch liegt, kann sich die Schweiz nicht leisten. Die Politik muss jetzt handeln, um die Finanzierung der AHV auch nach 2027 zu sichern.

Darum geht es: Verschiedene regelmässig erhobene Sorgenbarometer zeigen, dass der Schweizer Bevölkerung das Vertrauen in die AHV fehlt. Sowohl die Initiative als auch ein nachhaltig ausgestalteter Finanzierungsmechanismus im Rahmen eines Gegenvorschlags können dieses Vertrauen wiederherstellen, indem sie die demografischen Realitäten berücksichtigen und die Aspekte Lebenserwartung und Rentenalter sinnvoll miteinander verbinden.

Das findet economiesuisse: Die Schweiz braucht ein starkes AHV-System, damit die Renten der ersten Säule auch in Zukunft ausbezahlt werden können. Die Wirtschaft unterstützt die Renteninitiative.

Empfehlung economiesuisse: Annahme

Stand der Beratungen: Die kleine Kammer hat die Renteninitiative, wie bereits der Bundesrat und die vorberatende Kommission, abgelehnt. Der Bundesrat arbeite derzeit an einer Vorlage zur Stabilisierung der AHV für die Zeit von 2030 bis 2040. Daher brauche es keinen Gegenvorschlag. Das Geschäft geht nun in den Nationalrat.

Die Prämienverbilligung funktioniert – es braucht keinen Ausbau

Die Wirtschaft steht der Volksinitiative und dem Gegenvorschlag kritisch gegenüber. Seit der ersten Beratung im Nationalrat im Juni 2022 hat sich auch die finanzpolitische Ausgangslage deutlich verändert. Der Gegenvorschlag führt dazu, dass die Vorgaben der Schuldenbremse im Finanzplan nicht mehr eingehalten werden können.

Darum geht es: Sowohl die Prämien-Entlastungs-Initiative als auch ein Gegenvorschlag führen zu massiven nicht gegenfinanzierten Kostenfolgen. Die Prämienverbilligungen werden in naher Zukunft auch ohne die Volksinitiative erhöht. Dafür sorgt bereits ein Bundesgerichtsentscheid von 2019, der zu einer Anhebung der Einkommensuntergrenzen führt.

Das findet economiesuisse: Wie der Ständerat sollte auch der Nationalrat nicht auf einen Gegenvorschlag eintreten. Mehrausgaben von fast 2 Milliarden Franken müssten über Mehreinnahmen oder Einsparungen finanziert werden. Der Gegenvorschlag bringt auch keine Lösungen für die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen.

Empfehlung economiesuisse: Ablehnung

Stand der Beratungen: Der Nationalrat hält am indirekten Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungs-Initiative fest. Die Vorlage geht nun zurück in den Ständerat: Hält die kleine Kammer am Nichteintretensentscheid vom Dezember 2022 fest, ist die Vorlage vom Tisch. Die Initiative käme damit ohne Gegenvorschlag an die Urne.

Risikobasierter Ansatz bei der Besteuerung

Das Parlament hat den Bundesrat beauftragt, die Tabaksteuer auf E-Zigaretten auszuweiten. Der vorgeschlagene Wert von 0.20 Franken per Milliliter Flüssigkeit bei wiederverwendbaren Zigaretten trägt aber dem Auftrag einer risikoprofilorientierten Besteuerung nicht Rechnung; er ist um fast das Doppelte zu hoch.

Darum geht es: Die Unterstellung von E-Zigaretten unter die Tabaksteuer ist richtig. Die Besteuerung soll aufgrund des niedrigeren Schädlichkeitspotenzials aber tiefer angesetzt werden als bei herkömmlichen Zigaretten.

Das findet economiesuisse: Der vorgeschlagene Steuersatz von 0,2 Milliliter Flüssigkeit ist deutlich zu hoch angesetzt. Ein um 95 Prozent reduziertes Risikoprofil führt dazu, dass die Steuerbelastung bei 0.11 Franken per Milliliter Flüssigkeit liegen muss. Eine zu hohe Besteuerung ist nicht im Sinne der Ergiebigkeit der neuen Abgabe: Sie fördert Schmuggel und Schwarzmarkt, wie Erfahrungen im Ausland zeigen.

Empfehlung economiesuisse: Annahme – bedingt

Stand der Beratungen: Die kleine Kammer ist auf die Teilrevision des Tabaksteuergesetzes eingetreten. Nun muss sich in einem nächsten Schritt der Nationalrat mit der Vorlage befassen.

Kostendämpfung im Gesundheitswesen: Keine zusätzliche Wettbewerbsverzerrung durch die Mehrwertsteuer

Solange eine Vielzahl von mehrwertsteuerlichen Ausnahmen beibehalten werden, sollen auch Ambulatorien und Tageskliniken im Bereich des Gesundheitswesens von der Mehrwertsteuer befreit werden – nicht zuletzt, weil diese wichtige und kostengünstige Leistungen für das Gesamtsystem erbringen.

Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft empfiehlt, der Version des Nationalrats zu folgen. Die medizinisch-technische Entwicklung hat die ambulante Erbringung einer Vielzahl von Leistungen sowie die Schaffung neuer Institutionen (Ambulatorien und Tageskliniken) ermöglicht. Diese sollten auch von der Befreiung der Mehrwertsteuer im Gesundheitswesen profitieren können. Eine steuerliche Benachteiligung macht, auch aus Kostenüberlegungen, keinen Sinn. In diesem Sinne ist Art. 21 Abs. 2 Ziff. 2, 3bis und 12 E-MWSTG in der Fassung des Nationalrats anzunehmen.

Empfehlung economiesuisse: Annahme – bedingt

Stand der Beratungen: Der Ständerat hat beschlossen, dass ausländische Online-Versandhäuser künftig auf ihrem Schweizer Umsatz eine Mehrwertsteuer entrichten müssen. Dabei folgt er dem Nationalrat. Entschieden wurde zudem, dass für Monatshygieneprodukte künftig der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 2,5 Prozent anstelle von 7,7 Prozent gilt. Der Bundesrat rechnet mit Mindereinnahmen von 5 Millionen Franken. Uneinigkeit besteht im Rat darüber, wie Leistungen von Reisebüros der Mehrwertsteuer unterstellt sein sollen. Die kleine Kammer möchte sowohl inländische als auch ausländische Reisebüros von der Mehrwertsteuer ausnehmen, während der Bundesrat die Ausnahme von der Mehrwertsteuer nur für Leistungen von ausländischen Reisebüros beantragt. Darüber hinaus beschloss der Ständerat, dass die Unterstützung durch die Spitex steuerfrei sein soll.

Aussenwirtschaft

Etwas Licht, viel Schatten: Exportnation unter Druck

Die international orientierte Schweizer Wirtschaft stand 2022 vor grossen Herausforderungen. In seinem Bericht hebt der Bundesrat zu Recht folgende Punkte hervor:

  • Die abnehmende Dynamik in den Beziehungen mit wichtigen Partnern akzentuieren die Nachteile im internationalen Wettbewerb.
  • Die wachsenden Staatsinterventionen im In- und Ausland stehen teilweise im Widerspruch zu den Zielen der Nachhaltigkeit.
  • Die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik 2022 war teilweise erfolgreich (z.B. Industriezollabbau), aber wichtige Aufgaben und insbesondere die Europapolitik bleiben ungelöst.
  • Der Ukrainekrieg, die Coronapandemie und geopolitische Spannungen stellen Schweizer Unternehmen vor grosse Herausforderungen.

economiesuisse empfiehlt die Genehmigungsanträge zur Annahme:

  • Im Kakao- wie auch im Kaffeeübereinkommen werden wichtige Aspekte der ökonomischen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit im internationalen Handel gestärkt.
  • Das bilaterale Kooperationsabkommen der Wettbewerbsbehörden verbessert den Wettbewerb und die Rechtssicherheit für Unternehmen in den Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland.

Industrie stärken, verlässlich bleiben

Die Schweizer Sicherheit ist vom Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine direkt bedroht. Damit die Schweiz sich auch künftig auf eine eigene Rüstungsindustrie verlassen kann, braucht es eine Anpassung des Kriegsmaterialgesetzes. Bestimmte Länder sollen vom Verbot der Wiederausfuhr ausgenommen werden.

Darum geht es: Das Kriegsmaterialgesetz wurde in den vergangenen Jahren derart verschärft, dass die Wiederausfuhr auch in Ausnahmesituationen nicht mehr möglich ist. Abnehmerländer in Europa kritisieren die Schweiz und suchen neue Lieferanten.

Das findet economiesuisse: Beide Motionen gehen in die richtige Richtung. Wenn die Schweiz eine eigene Rüstungsindustrie will, muss diese exportieren können. Das Kriegsmaterialgesetz (KMG) wurde zuletzt vor anderthalb Jahren verschärft. Angesichts der bedrohten Sicherheit ganz Europas soll ausgewählten Ländern die Wiederausfuhr an Drittstaaten wieder möglich sein. Diese Länder sind in Anhang 2 der Kriegsmaterialverordnung enthalten.

Empfehlung economiesuisse: Annahme

Stand der Beratungen: Im Parlament gibt es bis anhin keine Mehrheit für indirekte Waffenlieferungen an die Ukraine. Der Nationalrat hat entschieden, die Weitergabe von Schweizer Waffen durch Drittstaaten nicht zu erleichtern. Gutgeheissen hat die grosse Kammer, dass der Bundesrat die Wiederausfuhr von in der Schweiz hergestellten Waffen ausnahmsweise bewilligen kann, wenn der UNO-Sicherheitsrat einen Angriffskrieg verurteilt. Dieser Beschluss dürfte in der Realität allerdings nur marginale Veränderungen bringen. Schon heute sind Wiederausfuhren bewilligungsfähig, wenn der Sicherheitsrat wegen einer Verletzung des Gewaltverbots militärische Massnahmen autorisiert. Bereits am Montag hat der Ständerat die Motion Burkart für die Wiederausfuhr von Kriegsmaterial knapp abgelehnt. Die Diskussion um Waffenexporte ist noch nicht beendet. Es sind derzeit drei parlamentarische Initiativen zum Thema hängig.

Kooperation statt Konfrontation

Die Schweiz verfolgt – wie die EU – betreffend Nachhaltigkeit richtigerweise keinen machtpolitischen, sondern einen kooperativen Ansatz. Nachhaltigkeitskapitel sind deshalb weiterhin von konfrontativen Streitbeilegungsverfahren (Schiedsgericht) auszunehmen.

Darum geht es: Im internationalen Vergleich verhandelt die Schweiz in ihren Freihandelsabkommen äusserst substanzielle Nachhaltigkeitskapitel (z.B. das Abkommen mit Indonesien im Rahmen der Efta). Davon Bestandteil sind verschiedene kooperative Instrumente zur Beilegung von Streitigkeiten. Dies bedeutet keineswegs, dass diese Bestimmungen völkerrechtlich nicht durchgesetzt werden können. So werden zum Beispiel im Rahmen von gemischten Ausschüssen handelsrelevante Nachhaltigkeitsthemen besprochen.

Das findet economiesuisse: Der Verzicht auf konfrontative Sanktionsinstrumente im Bereich der Nachhaltigkeit ist für die Schweizer Handelspolitik auch künftig der richtige Weg.

Empfehlung economiesuisse: Ablehnung

Beschränkung der Lagerdauer bringt keine Erhöhung der Zollsicherheit

Zollfreilager tragen zum Abbau der Handelshemmnisse bei. Sie unterstehen der Kontrolle des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit und sind folglich kein rechtsfreier Raum. Eine zusätzliche Beschränkung der Lagerdauer ist nicht zielführend.

Darum geht es: Die parlamentarische Initiative sieht vor, die Dauer der Warenlagerung in Zollfreilagern zu beschränken. Damit soll gegen illegale Geschäfte vorgegangen werden. Die bereits heute obligatorische Inventarisierung der gelagerten Güter zeigt auch deren Besitzverhältnisse an, wodurch ein allfälliger Missbrauch aufgedeckt werden kann.

Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft empfiehlt, der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben. Das Ziel der Vorlage, Geldwäscherei und die Finanzierung krimineller Organisationen durch illegalen Kunsthandel zu bekämpfen, ist zwar nachvollziehbar. Inwiefern die vorgeschlagene Beschränkung der Lagerdauer einen Beitrag dazu leistet, ist allerdings nicht ersichtlich. Hingegen sollten aus Sicht von economiesuisse die bereits bestehenden Kontrollfunktionen der Behörden gezielt eingesetzt werden.

Empehlung economiesuisse: Ablehnung

Energie & Umwelt

Viel von allem: Tempo auch bei der Windkraft

Um die Energieziele zu erreichen, muss die Schweiz die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien bis 2050 verdoppeln. Die vorgeschlagenen Verfahrensänderungen beim Bau von Windparks leisten auch im Winter einen wichtigen Beitrag.

Darum geht es: Das Parlament hat letztes Jahr einer «Solaroffensive» zugestimmt. Diese erleichtert temporär den Bau von Solaranlagen im alpinen Raum und fördert damit auch den dringlichen Ausbau der erneuerbaren Energien. Um Versorgungssicherheit zu gewährleisten, braucht es «viel von allem» – insbesondere auch Windkraft.

Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft unterstützt die Kommissionsinitiative aus folgenden Gründen:

  • Die Beschleunigung (Kantone entscheiden abschliessend) ermöglicht schon bald die Produktion von zusätzlichem grünem Strom im Umfang von 1 TWh.
  • Windkraftparks liefern auch im Winter und tragen so zur Versorgungssicherheit bei.
  • Die Beschleunigung ist befristet, bis das Volumen von 1 TWh aus Windkraft erreicht ist.

Empfehlung economiesuisse: Annahme

Stand der Beratungen: Der Nationalrat hat dem dringlichen Bundesgesetz zur Beschleunigung der Bewilligungsverfahren für Windparkanlagen zugestimmt. Nach der Solaroffensive zum Ausbau von Fotovoltaikanlagen hat sich der Nationalrat nun auch für eine Offensive zum Ausbau der Windenergie entschieden. Bis Windparks mit einer zusätzlichen Leistung von 600 Megawatt (entspricht etwa einer Terrawattstunde produziertem Strom) im Vergleich zu 2021 gebaut sind, sollen die Standard-Verfahren ausgesetzt werden. Mit dieser parlamentarischen Initiative können weit fortgeschrittene Projekte zum Bau von Windkraftanlagen schnell umgesetzt werden. Der Entscheid des Nationalrats ist wichtig, da die Windenergie einen signifikanten Beitrag an die Winterproduktion leisten und die Winterproblematik etwas entschärfen kann. Als Nächstes kommt das Gesetz in den Ständerat.

Wir müssen die Stromproduktion verdoppeln: Rahmenbedingungen jetzt schaffen

Die Schweiz ist beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu zögerlich unterwegs. Die bürokratische EU zeigt mit ihrer Notverordnung für einmal, wie Turbo geht.

Darum geht es: Bis zum Jahr 2050 muss die Schweiz ihre Stromproduktion verdoppeln, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig die Dekarbonisierung voranzutreiben. Die Vorlage ist die Grundlage dafür.

Das findet economiesuisse: Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist als nationales Interesse zu priorisieren. Nutzinteressen müssen gegenüber Schutzinteressen höher gewichtet werden. Zudem müssen die Verfahren grundsätzlich beschleunigt werden. Der Netzzuschlag sollte nicht erhöht und die Mittel daraus technologieneutral auf die Winterproduktion ausgerichtet werden.

Das empfiehlt economiesuisse im Besonderen:

  • Die Stromproduktion in Gletschervorfeldern ist im nationalen Interesse.

Empfehlung economiesuisse: Annahme

Stand der Beratungen: Die grosse Kammer hat den Mantelerlass in der Schlussabstimmung gutgeheissen. In weiten Teilen ist sie bei der Abwägung zwischen Schutz- und Nutzinteressen der vorberatenden Kommission UREK-N gefolgt. Es sollen grundsätzlich keine Energiebauten in Biotopen von nationaler Bedeutung sowie in Wasser- und Zugvogelreservaten möglich sein. Damit stellt sich der Nationalrat gegen den Ständerat, der auch in diesen Gebieten Energiebauten zulassen möchte. Einigkeit besteht aber darin, dass die 15 Wasserkraftprojekte vom «runden Tisch» rasch realisiert werden sollen. Der Bau neuer Atomkraftwerke soll weiterhin verboten bleiben. Dagegen soll der Bau von Solaranlagen bei Errichtung neuer Gebäude oder Grundsanierungen verpflichtend werden. Die vollständige Strommarktöffnung ist vorläufig vom Tisch, da nun auch der Nationalrat dieser eine Absage erteilt hat. Neu will der Nationalrat Effizienz-Zielvorgaben für Elektrizitätslieferanten einführen. Die Vorlage geht nun zur Differenzbereinigung zurück an den Ständerat.

Allgemeine Wirtschaftspolitik

Für eine bessere und nachhaltig finanzierte Kinderbetreuung

Die Wirtschaft unterstützt eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf – die fehlenden Strukturen werden heute von Vätern und Müttern immer weniger verstanden. Damit die Verbesserung aber nachhaltig finanziert werden kann, braucht es zwingend eine Koppelung an die Erwerbstätigkeit.

Darum geht es: Wirksame Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind grundsätzlich unterstützenswert. Mit der Vorlage wird jedoch eine neue grosse Bundesaufgabe mit gebundenen Ausgaben geschaffen. Dafür braucht es einen einwandfreien Bedarfs- und Wirkungsnachweis.

Das findet economiesuisse: Um die Finanzierung zu stemmen, muss die Vorlage redimensioniert werden: Dafür muss auch die föderale Aufgabenteilung überprüft werden. Für Details wird auf die Anträge des Bundesrats und der Finanzkommission des Nationalrats verwiesen.

Empfehlung economiesuisse: Annahme – bedingt

Stand der Beratungen: Die grosse Kammer ist auf die Vorlage eingetreten, die ihre Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-N) erarbeitet hat. Indem Familien mehr Zuschüsse an die Betreuungskosten ihrer Kinder erhalten, soll die Erwerbstätigkeit von Müttern gefördert werden. Mit der Vorlage soll die befristete Anstossfinanzierung des Bundes zur Schaffung von Betreuungsplätzen für Kinder rechtlich verankert werden.

Mehr Naturschutz dank effizienter Zulassungsverfahren

Aus Sicht der Wirtschaft sind in den verbliebenen Teilen der AP22+ keine besonders schädlichen Elemente mehr enthalten. Doch das Verbandsbeschwerderecht bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln darf nicht ausgedehnt werden: Es verhindert die beschleunigte Zulassung einer neuen Generation von umweltschonenden Produkten.

Darum geht es: Seit einem Bundesgerichtsurteil 2018 gewährt die Verwaltung bei sämtlichen Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln, das heisst auch bei geringfügigen Anpassungen von Produkten mit dem bereits zugelassenen Wirkstoff, beschwerdeberechtigten Umweltorganisationen Parteistellung. Die WAK-N will das Verbandbeschwerderecht wieder auf die erstmalige Bewilligung und auf die gezielte Überprüfung der Produkte einschränken.

Das findet economiesuisse: Der von der WAK-N vorgezeichnete Weg ist zielführend. Das Bundesgerichtsurteil hat zu längeren Verfahren geführt. Das verzögert oder verhindert die Zulassung von neuen Pflanzenschutzmitteln, die in der Regel sicherer, effektiver und umweltfreundlicher sind.

Gut zu wissen:

  • Heute sind in der Schweiz 700 Gesuche für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln hängig.
  • Bis zum Bundesgerichtsurteil 2018 betrug die Verfahrensdauer im Durchschnitt zwölf Monate. Laut Bundesrat ist sie heute deutlich länger.

Empfehlung economiesuisse: Annahme – bedingt

Stand der Beratungen: Das Parlament hat sich auf die künftige Ausrichtung der Agrarpolitik geeinigt. Der Nationalrat hat, wie bereits zuvor die kleine Kammer, eine Vorlage ohne zusätzliche Umwelt- und Klimaziele verabschiedet. Ökologische Ziele wurden bereits in die parlamentarische Initiative «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» aufgenommen, deren Umsetzung dieses Jahr bereits gestartet worden ist. Die Räte haben sich auf die vom Bundesrat beantragte Regelung der Verbandsbeschwerde bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln geeinigt und entschieden, mit der Gesetzgebung die heutige Rechtsprechung abzubilden. Damit verfügt die Schweiz über strengere Regeln als die EU. Das Geschäft geht nun für die Differenzbereinigung zurück an den Ständerat. Parlament und Bundesrat sind sich einig, dass dieser kleine Reformschritt nicht lange halten wird. Für das Jahr 2030 ist eine neue Agrarpolitik eingebettet in eine gesamtheitliche Ernährungsstrategie vorgesehen.

Wettbewerb & Regulatorisches

Ja zur Meldepflicht, aber bitte gezielt und verhältnismässig

Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen sollen künftig dem Nationalen Zentrum für Cybersicherheit (NCSC) gemeldet werden müssen – das ist für die Bekämpfung und die Vorsorge gegen Cyberangriffe sinnvoll. Von den weitgefassten Meldepflichten sind aber potenziell Tausende von Firmen betroffen.

Darum geht es: Der Geltungsbereich der Vorlage ist nur ungenügend abgesteckt. Die Folgen für die Wirtschaft sind folglich zu wenig klar ersichtlich. Hinzu kommen neue Verfügungskompetenzen und Bussen, die einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Staat und Unternehmen entgegenlaufen.

Das findet economiesuisse: Die Wirtschaft empfiehlt die Annahme der Vorlage, lehnt die Verschärfungen der vorberatenden Kommission und den Sanktionsmechanismus der bundesrätlichen Version allerdings ab. Es braucht die Meldepflicht, aber sie soll auf kritische Infrastrukturen beschränkt bleiben und nicht für die gesamte Wirtschaft gelten. Sie muss verhältnismässig, risikobasiert und subsidiär sein. Dafür muss die Vorlage klar definiert sein, positive Anreize setzen und einem Service-Gedanken folgen. Sanktionen schaffen hingegen ein Klima des Misstrauens.

Empfehlung economiesuisse: Annahme – bedingt

Stand der Beratungen: Der Nationalrat hat sich für eine Ausweitung der Meldepflicht für Cyberangriffe ausgesprochen und folgt damit seiner vorberatenden Kommission SiK-N. Innerhalb von 24 Stunden sollen Betreiber kritischer Infrastrukturen Cyberangriffe mit grossem Schadenspotenzial sowie schwerwiegende Schwachstellen in Computersystemen melden müssen. Die Vorlage geht nun an den Ständerat.