# 5 / 2024
01.10.2024

Unabhängigkeit der SNB verteidigen – Zum Wohl der Schweiz!

Die Angriffe auf die Unabhängigkeit der SNB

Die Unabhängigkeit der Zentralbank ist eine wichtige Bedingung für stabile Preise. Obschon die Kosten der Inflation massiv sind, lanciert die hiesige Politik immer wieder Vorstösse, welche die Unabhängigkeit der SNB bedrohen. Sie bedroht damit auch den Wohlstand der Schweiz. Eine Auswertung der politischen Geschäfte seit 2014 zeigt, dass die Politik vor allem die Bilanz- oder Gewinnverwendung beeinflussen oder den Aufgabenkatalog der SNB mit Umweltaufgaben erweitern möchte (vgl. Abbildung 5).

Aber auch die Zusammensetzung des Direktoriums oder die Negativzinsen waren Schwerpunkte politischer Vorstösse. Keine Partei kann die Finger ganz von der SNB lassen, aber die SP hat besondere Schwierigkeiten damit. Abbildung 6 zeigt, dass fast vier von zehn Geschäften zur Nationalbank seit 2014 aus ihrer Feder stammten.

Das Timing der Vorstösse ist nicht zufällig: Abbildung 7 zeigt, dass sich die Geschäfte 2015 oft um die neuen Negativzinsen drehten, die Bilanz 2020 für Corona-Ausgaben angezapft werden sollte und Geschäfte zu Umweltthemen seit 2017 stetig zunehmen. Auch Volksinitiativen setzen sich mit der SNB auseinander: Eine neue Initiative möchte beispielsweise, dass die SNB auch Bitcoin in den Korb der Währungsreserven aufnimmt. Unsere Auswertung zeigt, dass die Versuchung, die SNB politisch zu vereinnahmen, gross ist und sich hartnäckig hält.

Klimaaufgaben für die SNB?

Im November 2023 entschied die UREK-N, dass die SNB nun auch Klimaberichte publizieren muss. Wie erwartet wurde der erste dieser Berichte bereits zum Politikum, und anstatt im Kontext der SNB über Preisstabilität zu berichten, wurde über das Klima diskutiert. Mehr Schaden darf nicht angerichtet werden: Das Mandat soll nicht um die Beachtung von Klimarisiken erweitert und die Anlagepolitik der SNB nicht zum Diktat links-grüner Interessen werden. Bereits innerhalb des heutigen Mandats versteht sich, dass die SNB sämtliche Finanzrisiken, darunter auch Umweltrisiken, bei ihrer Geldpolitik beachtet. Steigende Temperaturen beinhalten physische (Schäden durch vermehrte extreme Wetterlagen oder Meeresspiegelanstieg) und Transitionsrisiken (strukturelle Veränderungen der Wirtschaft). Diese stellen vor allem in besonders betroffenen Wirtschaften (küstennah, stark in fossilen Energieträgern exponiert) Risiken für die Preisstabilität dar. Die SNB ist heute ideal positioniert, um Preisstabilität zu gewährleisten. Eine solche Mandatserweiterung würde diese Position gefährden. Da die Fremdwährungsanlagen der SNB seit der Finanzkrise stark gewachsen sind, möchten einige politische Kräfte vorschreiben, dass diese grüner angelegt werden sollten. Man spricht auch von einem «tilting» (kippen) des Portfolios. Die SNB verfügt aber bereits über eine sinnvolle Anlagestrategie. Ihre Bilanz muss vollumfänglich geldpolitisch verwendbar sein und das bedeutet, dass Anlagen sicher und liquide investiert sein müssen. Eine gleichmässige Verteilung des Portfolios über das gesamte Anlageuniversum sichert ab und bevorzugt oder benachteiligt nicht. Bei einem «tilting» wären zudem politische Entscheide notwendig: Was ist überhaupt grün? Wie werden braune Anlagen bestraft und grüne belohnt? Dürfen die grünen Anlagen auch wieder verkauft werden? Was passiert, wenn ausgeschlossene Unternehmen grüner werden? Die SNB wäre in eine ständige Diskussion um ihre Anlagestrategie verwickelt. Ausserdem zeigte die Bank of England die praktischen Grenzen von «tilting» auf. Nur Anlagen in der Kohleindustrie konnten ausgeschlossen werden, da weitere Ausschliessungen das Portfolio zu unsicher und illiquide gemacht hätten. Wer diesen Argumenten nicht folgen will, kann sich auch an den Daten orientieren. Einige Zentralbanken haben sich bereits gesetzlich in irgendeiner Form einem Umweltziel verschrieben. Die Europäische Zentralbank findet zum Beispiel sogar, dass Notenbanken eine Rolle bei der Dekarbonisierung zu spielen haben. Im Vergleich mit der SNB schneiden die Klimabanken aber schlecht ab. Abbildung 8 zeigt, dass sich die Klimabanken nicht einzig auf die Preisstabilität fokussieren können und deren Wirtschaften seit 2020 höhere Inflationsraten als die Schweiz aufweisen.

Bilanzverwendung

Der Politik läuft jeweils das Wasser im Mund zusammen, wenn sie die Bilanz der SNB und einige Gewinnzahlen der letzten Jahre anschaut. Für sie suggeriert die Bilanz von 822 Milliarden Franken, dass reichlich Geld für Parteiinteressen vorhanden wäre. Ausserdem sieht sie die Nationalbankgewinne als vorprogrammiert – die meisten Kantone planen diese sogar in ihren Jahresbudgets ein. Wie die jüngsten Jahresabschlüsse aber zeigen, sind Nationalbankgewinne alles andere als garantiert. Die Politik soll sich besser auf keine oder tiefe Ausschüttungen einstellen.

Vorstösse in Zusammenhang mit der Bilanz beziehen sich meist darauf, Teile der Bilanz zu einem Staatsfonds auszusondern oder die Gewinne der SNB für die AHV oder die Tilgung der Staatsschulden zu verwenden. Auch sie würden die Bilanz von der Geldpolitik zweckentfremden. Kaum eingerichtet, würde die Politik auf Gewinnmaximierung anstelle von stabiler Preise pochen.

Seit Kurzem grassiert die Idee, dass die SNB sogar auch bei Verlusten Geld verteilen sollte. Das SNB-Observatory, eine Gruppe dreier Ökonomen, machte Musik für die Ohren der Politik, als es argumentierte, dass die SNB auch 2022 und 2023 trotz Verlusten genügend Mittel in den Rückstellungen für Währungsreserven für eine Ausschüttung gehabt hätte. Dazu muss man wissen: Die Nationalbank muss zu Zwecken der Währungsstabilität jährlich Rückstellungen für Währungsreserven bilden. Diese Zuweisungen werden jeweils vom Jahresergebnis abgezogen und beeinflussen so den ausschüttbaren Gewinn. Laut Nationalbankgesetz müssen diese Rückstellungen genügend hoch sein und sich am Wirtschaftswachstum der Schweiz orientieren. Es stellen sich also die Fragen: Sind diese Rückstellungen oder die jährlichen Zuweisungen zu hoch bemessen und verhindern eine Ausschüttung? Abbildung 9 beweist das Gegenteil. Während der Normalität vor der Finanzkrise empfand die SNB Rückstellungen in Höhe von ungefähr 30 Prozent der Bilanz als genügend hoch und wies den Rückstellungen jährlich einen Betrag gemäss dem Wirtschaftswachstum zu. Während der Krisenjahre schrumpften die Rückstellungen für Währungsreserven im Verhältnis zur Bilanzsumme markant. Bereits ab 2009 demonstrierte die SNB, dass sie die Rückstellungen als zu tief empfindet und begann höhere Zuweisungen an die Rückstellungen zu tätigen. Die Rückstellungen für Währungsreserven sind heute weiterhin tiefer als vor der Finanzkrise. Es ist richtig, diese weiterhin zu stärken.

Transparenz

Ein junger parlamentarischer Vorstoss, welcher der SNB neue Aufgaben vorschreiben möchte, stammt von Céline Widmer (SP) und befasst sich mit der Transparenz unserer Notenbank. Sie bezieht sich dabei auf einen weiteren Bericht des SNB-Observatory. Die SNB habe ein zu kleines Entscheidungsgremium und kommuniziere ihre Entscheidungen in ungenügender Weise, so der Tenor der Kritik. In einer wissenschaftlichen Erhebung (Dincer, Eichengreen, & Geraats, 2022) belegte die SNB im Vergleich mit anderen OECD-Ländern den zweitletzten Platz in puncto Transparenz. Die SP nutzt diese Zahlen nun mit Kalkül aus und fordert mehr Kommunikation, ein grösseres Entscheidungsgremium und als Zückerchen dazu, dass diese Erweiterung ein hohes Bewusstsein für Klimarisiken anstatt primär hoher geldpolitischer Kenntnisse mitbringen soll. Ihr Vorstoss ist klar populistisch: Wer ist schon gegen mehr Transparenz?

Bei Zentralbanken ist mehr Transparenz aber nicht immer zielführend. Einerseits müssen ihre Entscheidungen für die Marktteilnehmer klar verständlich sein, aber andererseits muss die Geldpolitik auch die Möglichkeit haben, die Märkte zu überraschen. Hätte die SNB diese Möglichkeit nicht, hätte der Euro-Franken-Mindestkurs und dessen Aufhebung nie durchgesetzt werden können. Und wie in der Küche zu viele Köche den Brei versalzen, verwirren zu viel Kommunikation oder ein grösseres Entscheidungsgremium die Märkte nur. Bei ständigen Pressekonferenzen und verschiedenen Stimmen kann schnell unklar werden, was wichtig ist und welche Stimmen wirklich Gewicht tragen. Klar ersichtlich wird dies an der sogenannten «Forward Guidance»-Strategie, welche viele Nationalbanken während der Tiefzinsperiode verfolgt haben. Um auch langfristige Zinsen zu beeinflussen, kommunizierten gerade das Fed und die EZB öffentlich, die kurzfristigen Zinsen für eine lange Zeit tief zu halten. Jerome Powell, der Fed-Chef, schloss noch im März 2022 an einer Pressekonferenz eine Zinserhöhung im Sommer aus. Im Juni 2022 war eine Erhöhung aber angezeigt und Powell stand vor dem Dilemma, die geldpolitisch richtige Entscheidung zu treffen oder sein Versprechen vom März zu brechen. Beide Alternativen wirken sich negativ darauf aus, Preise stabil halten zu können.

Dass die Transparenz von Zentralbanken ein zweischneidiges Schwert ist, zeigt auch die wissenschaftliche Evidenz. Danach sollte eine Zentralbank, welche sich primär der Preisstabilität verschreibt, nicht maximal transparent sein. Stabile Preise können dann am besten erreicht werden, wenn die Transparenz in einem mittleren Bereich liegt. Weiter stellte man fest, dass eine vermehrte Kommunikation der Prognosegenauigkeit von Zentralbanken eher schadet. Diese Erkenntnisse liefern klare Hinweise darauf, dass das Direktorium der SNB ihr Mandat und die Preisstabilität priorisiert und in Abhängigkeit davon transparent oder intransparent auftritt. Abbildung 10 zeigt, dass eine hohe Transparenz allein keine stabilen Preise verspricht. Verglichen mit den Notenbanken mit der höchsten Transparenz in der Erhebung, war die SNB am erfolgreichsten darin, stabile Preise zu wahren.