Warum es die Schweiz über­haupt gibt

Wir alle fei­ern am 1. Au­gust die Schweiz. Wir sind eine Wil­lens­na­ti­on mit vier Spra­chen in 26 Kan­to­nen. Dass es uns als Land über­haupt gibt, ver­dan­ken wir un­se­ren Vor­fah­ren – und einer schlau­en Aus­sen­po­li­tik.

Un­se­re Vor­fah­ren waren im Spät­mit­tel­al­ter von einem star­ken Wil­len zur Selbst­be­stim­mung be­seelt. Nicht nur mit Mor­gen­stern und Hel­le­bar­de, son­dern auch mit einer schlau­en Aus­sen­po­li­tik ge­lang es den frü­hen Eid­ge­nos­sen, sich Stück für Stück mehr Ei­gen­stän­dig­keit zu er­ar­bei­ten. Gleich­zei­tig war die Eid­ge­nos­sen­schaft je­doch wei­ter­hin Teil des Hei­li­gen Rö­mi­schen Reichs. Die­ser Ba­lan­ce­akt zwi­schen Selbst­be­stim­mung und in­ter­na­tio­na­ler Ein­bet­tung wurde mit einer gros­sen An­zahl von «in­ter­na­tio­na­len» Ab­kom­men ab­ge­si­chert. Kaum zu glau­ben: So haben sich die Stän­de bei­spiels­wei­se vom je­weils neuen Kai­ser ihre «Frey­hei­ten» ver­trag­lich zu­si­chern las­sen, in­klu­si­ve Zu­gang zum kai­ser­li­chen Ge­richt zur Schlich­tung von Strei­tig­kei­ten.

Die Eid­ge­nos­sen waren wäh­rend Jahr­hun­der­ten stets ge­for­dert, mit Ab­kom­men und Al­li­an­zen konn­te die An­er­ken­nung der Eid­ge­nos­sen­schaft als ei­gen­stän­di­ges Ge­biet in­ter­na­tio­nal ver­an­kert wer­den. Im West­fä­li­schen Frie­den 1648 wurde die Schweiz erst­mals von den Herr­schafts­häu­sern Eu­ro­pas an­er­kannt und nach da­ma­li­gem Recht in­ter­na­tio­nal ab­ge­si­chert. Zwar haben sich die po­li­ti­schen Um­stän­de in den fol­gen­den Jah­ren da­nach immer wie­der ge­än­dert, aber die Ver­trags­staa­ten stan­den stets zu ihrem Wort. Kurz: Die Schweiz gibt es, weil un­se­re Vor­fah­ren ge­ris­se­ne Aus­sen­po­li­ti­ker waren, mit der Waffe in der Hand und durch den ge­schick­ten Ab­schluss ver­bind­li­cher in­ter­na­tio­na­ler Ab­kom­men.
 

Schweizer Alpen


Was be­deu­tet das nun für heute? Die Schweiz hat die völ­ker­recht­li­che An­er­ken­nung gut ge­nutzt. Dank Neu­tra­li­tät, Rechts­si­cher­heit und Of­fen­heit konn­te sich unser Land in­ter­na­tio­nal gut po­si­tio­nie­ren und ver­net­zen. Wich­ti­ge in­ter­na­tio­na­le Or­ga­ni­sa­tio­nen wie das In­ter­na­tio­na­le Rote Kreuz (IKRK), die In­ter­na­tio­na­le Union der Te­le­gra­phen­ver­wal­tun­gen (In­ter­na­tio­na­le Fern­mel­de­uni­on ITU) oder der Welt­post­ver­ein (WPV), die Welt­or­ga­ni­sa­ti­on für Geis­ti­ges Ei­gen­tum (WIPO), die Bank für In­ter­na­tio­na­len Zah­lungs­aus­gleich (BIZ) und spä­ter die UNO und die Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on (WTO) – um nur ein paar zu nen­nen – haben heute ihren Sitz in der Schweiz.

Die Schweiz hat nach dem Ab­schluss von in­ter­na­tio­na­len Ab­kom­men – heute sind es über 5000 – stets Wort ge­hal­ten und sich dafür ein­ge­setzt, dass dies auch an­de­re Na­tio­nen tun müs­sen. Da passt die nächs­ten No­vem­ber zur Ab­stim­mung ge­lan­gen­de «Selbst­be­stim­mungs»-In­itia­ti­ve nicht dazu. Denn diese In­itia­ti­ve würde alle grenz­über­schrei­ten­den Ab­kom­men der Schweiz unter einen Ge­ne­ral­vor­be­halt spä­te­rer Ver­fas­sungs­än­de­run­gen stel­len.

Das passt nicht zu un­se­rer Ge­schich­te und zu un­se­rer Tra­di­ti­on. Die Eid­ge­nos­sen­schaft hat immer Wort ge­hal­ten und da­durch po­li­tisch, kul­tu­rell wie auch wirt­schaft­lich pro­fi­tiert. Blei­ben wir dabei – und fei­ern ein schö­nes 1.-Au­gust-Fest!