Protektionismus bis der Kuchen ganz weg ist
Während der globale Handel stagniert, hat sich die Anzahl protektionistischer Massnahmen weltweit stark erhöht. Für die kleine, offene Volkswirtschaft der Schweiz verheisst das nichts Gutes. Vielmehr bräuchte es mehr Liberalisierung statt Abschottung und Marktverzerrung.
Ein stagnierender Welthandel, wie wir ihn derzeit erleben, verheisst nichts Gutes. Erst recht nicht, wenn diese Stagnation seit rund 15 Monaten andauert. Und schon gar nicht für eine kleine, offene Volkswirtschaft wie die Schweiz mit einem Aussenhandelsanteil von 57 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Was mich besonders beunruhigt, ist der Umstand, dass wir es gleichzeitig auch mit einer überdurchschnittlichen Zunahme protektionistischer Massnahmen zu tun haben. Wie der Ökonom Simon Evenett von der Universität St. Gallen in seinem neuesten Global Trade Alert darlegt, gehen weit über drei Viertel davon auf das Konto der 20 grössten Wirtschaftsnationen. Viele davon sind wichtige Zielmärkte für unsere Schweizer Unternehmen.
Solche beunruhigenden Entwicklungen sind zwar leider schon länger zu beobachten. Sie haben sich aber mit dem stagnierenden Welthandel nochmals massiv verstärkt. Evenett spricht von einer Zunahme um 50 Prozent im Vergleich zu 2014. Wenn der Kuchen nicht mehr wächst, sind alle am Tisch versucht, umso energischer ihr eigenes Stück auf dem Teller zu verteidigen. Verteidigung heisst hier unter anderem: interventionistische Industriepolitik, Absatzförderung oder Subventionen, höhere Zölle, «buy local» im öffentlichen Beschaffungswesen oder restriktivere Ursprungsregeln. Auch die Schweiz ist von solchen Massnahmen regelmässig betroffen.
Wenn wichtige Wirtschaftspartner immer weniger Schweiz in ihrem Kuchenstück haben wollen, schadet das langfristig unserer Exportindustrie.
Insbesondere striktere Lokalisierungsregeln sind für Schweizer Unternehmen eine grosse Herausforderung – und haben spürbar zugenommen. Die Schweiz zählt zudem zur kleinen Gruppe jener Länder, die von solchen Massnahmen überdurchschnittlich betroffen sind. Wenn wichtige Wirtschaftspartner immer weniger Schweiz in ihrem Kuchenstück haben wollen, schadet das langfristig unserer Exportindustrie. Gleichzeitig ist denkbar, dass Firmen ihre Produktion stärker in die Zielmärkte verlagern oder zukünftige Investitionen nicht mehr in der Schweiz, sondern anderswo tätigen.
Für die Schweizer Exportwirtschaft muss die Entwicklung dringend wieder in die andere Richtung gehen: Mehr Liberalisierung anstatt Abschottung und Marktverzerrung. Auch Freihandelsabkommen können vor bestimmten protektionistischen Massnahmen schützen. Zudem muss Protektionismus wo immer möglich in die WTO-Streitschlichtung gebracht werden. Denn nur bei offenen Märkten können Schweizer Unternehmen im globalen Wettbewerb durch ihre innovativen und qualitativ hochwertigen Produkte überzeugen.
PS: Auch die Schweiz trägt ihren Teil zum wachsenden Protektionismus im Welthandel bei – etwa mit einem stark subventionierten und abgeschotteten Agrarmarkt.