Der Elefant im Sitzungszimmer des Bundesrats
Wenn die Engländer von einem «Elephant in the room» sprechen, so meinen sie ein Problem, welches so gross ist, dass sich niemand der Anwesenden getraut, es anzusprechen. Alle schauen gebannt auf den Elefanten und alle machen gleichzeitig Small Talk. Dies kann dann verheerend sein, wenn das Haus brennt und man, statt den Brand zu löschen, über neue Vorhänge fürs Wohnzimmer spricht.
Der Schweizer Franken drückt enorm auf die hiesigen Unternehmen und deren internationale Wettbewerbsfähigkeit. Die Unternehmen haben zwar entschieden und entschlossen auf den Frankenschock reagiert und somit bislang das Schlimmste verhindert. Doch die Gefahren sind noch lange nicht ausgestanden. Die Verbesserung der Rahmenbedingungen gerade im Wettbewerb mit anderen Standorten ist die entscheidende Herausforderung, die im Raum steht wie der sprichwörtliche Elefant.
So wie es ausschaut, hat auch der Bundesrat, als er sich am letzten Freitag zur Besprechung des weiteren Vorgehens bei der Aktienrechtsrevision in seinem Sitzungszimmer zusammenfand, diesen massigen Elefanten nicht angesprochen. Statt sich bei der Revision bei der Aktienrechtsvorlage darauf zu fokussieren, wie man den Schweizer Wirtschaftsstandort attraktiver machen und wie man die hiesigen Unternehmen entlasten könnte, machte er Small Talk und schlägt nach der Vernehmlassung kleinste Anpassungen vor. Hier wird eine Quote etwas gesenkt, dort eine Klageart gestrichen. Eine Kehrtwende zum Gebotenen ist aber nicht zu erkennen. Vor diesem Hintergrund noch schlimmer als die Vorschläge ist, dass der Bundesrat in den Grundsätzen unbeirrt an seiner von planwirtschaftlichem Gedankengut geprägten Vorlage festhält und weiter auf eine staatsgläubige Regulierung setzt.
Exemplarisch zeigt sich dies an seinem Festhalten am weltweit einzigartigen Geschlechter-Richtwert auf Stufe der Geschäftsleitungen börsenkotierter Unternehmen. Was soll gerade ein solcher, beinahe schon experimenteller Vorschlag in einer Zeit, in der die Unternehmen Rechtssicherheit und möglichst wenig staatlichen Interventionismus brauchen? Es gibt gute Gründe für gemischte Teams. Aber keine für einen regulatorischen Aktivismus.
Geschlossen hatte die Schweizer Wirtschaft dargelegt, was sie vom Bundesrat bei der Aktienrechtsrevision erwartet: attraktive Rahmenbedingungen und eine schnörkellose Überführung des Volkswillens im Nachgang zur Minder-Initiative ins Gesetz. Gleichzeitig soll sich der Staat klar aus Feldern raushalten, welche die Unternehmer selbst regeln können und sollen.
Mit seinen Vorschlägen schafft der Bundesrat nun einerseits Rechtsunsicherheit für die Unternehmen, andererseits wird die Attraktivität unseres Standorts geschmälert, statt endlich gefördert. Ein flexibles Aktienrecht, das die Unternehmen nach ihren Bedürfnissen ausgestalten können, ist – noch – einer der wesentlichen Vorteile der Schweiz. Davon wird geradezu leichtfertig abgewichen.
Ein freiheitliches Aktienrecht ist ein zentrales Element unserer Standortattraktivität.
Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesrat endlich und bald den Elefanten anspricht. Die jüngste Gelegenheit hat er verpasst. Er kommt aber nicht umhin, bei der Ausarbeitung der Botschaft für die Aktienrechtsrevision im kommenden Jahr nochmals grundsätzlich über die Bücher zu gehen.