Mobilität

Zu­kunft der Mo­bi­li­tät: alles nur Pri­cing?

Der Bun­des­rat hat sei­nen Kon­zept­be­richt Mo­bi­li­ty Pri­cing in die An­hö­rung ge­schickt. Er­klär­tes Ziel ist, im In­di­vi­du­al- und im öf­fent­li­chen Ver­kehr die Mo­bi­li­täts­nach­fra­ge zu be­ein­flus­sen. Die be­ste­hen­den Ka­pa­zi­tä­ten von Stras­se und Schie­ne sol­len so bes­ser ge­nutzt wer­den. eco­no­mie­su­is­se be­grüsst, dass sich der Bund Ge­dan­ken zu einer zu­kunfts­fä­hi­gen Ver­kehrs­po­li­tik macht und dabei Schie­ne und Stras­se glei­cher­mas­sen in die Über­le­gun­gen ein­be­zo­gen wer­den. Der prä­sen­tier­te An­satz greift je­doch zu kurz, weil er die not­wen­di­ge Ak­zep­tanz, die Her­aus­for­de­run­gen der In­fra­struk­tur­fi­nan­zie­rung sowie wich­ti­ge tech­no­lo­gi­sche Mo­bi­li­täts­trends prak­tisch aus­blen­det.

Mit­tels Mo­bi­li­ty Pri­cing möch­te der Bun­des­rat die Mo­bi­li­täts­nach­fra­ge durch be­nut­zungs­be­zo­ge­ne Ab­ga­ben be­ein­flus­sen, um die Stras­sen- und Schie­nen­in­fra­struk­tur bes­ser aus­zu­las­ten. Eine ef­fi­zi­en­te­re Nut­zung macht öko­no­misch Sinn, die Prio­ri­tä­ten sind je­doch falsch ge­steckt. Aus Sicht von eco­no­mie­su­is­se muss der As­pekt der Fi­nan­zie­rung im Zen­trum der Über­le­gun­gen ste­hen. Das heu­ti­ge Ver­kehrs­fi­nan­zie­rungs­sys­tem lei­det an Fehl­an­rei­zen und In­trans­pa­renz, weil das Ver­ur­sa­cher­prin­zip nur un­ge­nü­gend um­ge­setzt ist. Mo­bi­li­ty Pri­cing muss in ers­ter Linie als zu­kunfts­fä­hi­ges Fi­nan­zie­rungs­in­stru­ment zur Si­che­rung leis­tungs­fä­hi­ger Ver­kehrs­in­fra­struk­tu­ren ver­stan­den wer­den.

Der Be­richt des Bun­des­rats greift zu kurz: Die Di­gi­ta­li­sie­rung wird die Mo­bi­li­tät voll er­fas­sen. In ab­seh­ba­rer Zeit wer­den au­to­no­me Fahr­zeu­ge auf un­se­ren Stras­sen ver­keh­ren. Der «Sharing»-Trend führt dazu, dass immer mehr Men­schen kein ei­ge­nes Auto mehr be­sit­zen, son­dern ein Fahr­zeug bloss mit­be­nut­zen. Neue, pri­va­te An­bie­ter wer­den dem Nut­zer Mo­bi­li­täts­dienst­leis­tun­gen ver­kau­fen, die nicht mehr an be­stimm­te Fahr­zeu­ge oder Ver­kehrs­trä­ger ge­bun­den sind. Öf­fent­li­cher Ver­kehr und In­di­vi­du­al­ver­kehr wer­den zum «in­di­vi­dua­li­sier­ten ÖV» zu­sam­men­wach­sen, den man sich be­quem über das Smart­pho­ne be­stellt.

«Mo­bi­li­ty as a ser­vice» wird zum neuen Pa­ra­dig­ma. In die­ser Mo­bi­li­täts­welt wird der Ver­kehr zu­neh­mend von Pri­va­ten or­ga­ni­siert. Es wer­den Ak­teu­re mit neuen Ge­schäfts­mo­del­len auf­tau­chen, die den Weg in die Mo­bi­li­tät von mor­gen wei­sen wer­den. Die De­bat­te um UBER ist erst der An­fang. In die­sem Um­feld ist der Staat her­aus­ge­for­dert, seine Rolle zu de­fi­nie­ren und die Fi­nan­zie­rungs­ba­sis für die In­fra­struk­tur­nut­zung auf eine neue Grund­la­ge zu stel­len. Es geht darum, die nach­hal­ti­ge In­fra­struk­tur­fi­nan­zie­rung auch in der Mo­bi­li­täts­welt von mor­gen si­cher­zu­stel­len. Wie sonst, wenn nicht über eine ver­kehrs­trä­ger­über­grei­fen­de Be­nut­zungs­ab­ga­be, will man den Nut­zer künf­tig an den In­fra­struk­tur­kos­ten be­tei­li­gen?

Der Bun­des­rat tut gut daran, das Thema pro­ak­tiv an­zu­ge­hen. Ein Mo­bi­li­ty Pri­cing ver­stan­den als Ver­kehrs­ma­nage­ment ist in sei­ner Wir­kung aber be­grenzt und wird den Ent­wick­lun­gen im Be­reich der Mo­bi­li­tät nicht ge­recht. Ent­schei­dend ist, dass Lö­sun­gen für eine nach­hal­ti­ge, trans­pa­ren­te und nut­zungs­ori­en­tier­te Fi­nan­zie­rung für die Ver­kehrs­in­fra­struk­tur ge­fun­den wer­den, die die Las­ten ver­ur­sa­cher­ge­recht ver­teilt. Die tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lung gibt uns die Mög­lich­kei­ten, An­ge­bot und Nach­fra­ge der Mo­bi­li­tät neu zu den­ken. eco­no­mie­su­is­se sieht darin die pri­mä­re Auf­ga­be und auch grös­se­re Chan­cen in der öf­fent­li­chen Dis­kus­si­on.

Ver­an­stal­tungs­hin­weis
Im Rah­men des 16. asut-Kol­lo­qui­ums am 18. No­vem­ber 2015 im Kur­saal Bern fin­det eine Ta­gung zur in­tel­li­gen­ten Mo­bi­li­tät in Ko­ope­ra­ti­on mit ITS-CH statt. Wei­te­re In­for­ma­tio­nen wer­den in Kürze unter www.​asut.​ch er­hält­lich sein.