Ausländische Studierende: Teure Ausbildung, unausgeschöpftes Potenzial
Studierende aus Drittstaaten: die Fakten
Um aufzuzeigen, welches Potenzial der Schweiz durch ihre restriktive Handhabung entgeht und welche Kosten bei der Ausbildung anfallen, werden in diesem Kapitel folgende vier Fragen genauer durchleuchtet:
• Wie viele Personen aus Drittstaaten studieren in der Schweiz?
• In welchen Studiengängen sind sie zu finden?
• Wie viele bleiben und arbeiten nach Abschluss in der Schweiz?
• Wie viel kostet ihre Ausbildung die Schweizer Steuerzahler?
Zur Beantwortung dieser Fragen greifen wir auf die öffentlichen Daten des Bundesamtes für Statistik zurück. Relativ gut dokumentiert sind Studierende und Absolventen nach Bildungsherkunft. Hierbei wird unterschieden zwischen Personen mit Schweizer Vorbildung und Personen, welche ihre Hochschulzugangsberechtigung im Ausland erworben haben, den sogenannten Bildungsausländern. Studierende und Absolventen aus Drittstaaten, welche im Fokus unserer Analysen stehen, sind Teil der Bildungsausländer.
Wie viele Personen aus Drittstaaten studieren in der Schweiz?
Seit den 1990er-Jahren zeichnet sich in der globalen Hochschullandschaft ein klarer Trend ab: Immer mehr Personen nehmen ein Studium im Ausland in Angriff. Auch die Schweiz spürt diesen Trend deutlich. So hat sich in den letzten 20 Jahren der Anteil Studierender aus dem Ausland von rund 10 auf 20 Prozent im Bildungsjahr 2017/18 verdoppelt. Etwa 30 Prozent dieser Bildungsausländer sind Studierende aus Drittstaaten. Den restlichen und somit grössten Teil machen Personen aus den EU/Efta-Ländern aus.
Insgesamt stammten 2017/18 5,6 Prozent aller Studierenden an Schweizer Hochschulen aus Drittstaaten. Mit einem Anteil von 7,1 gegenüber 3,2 Prozent sind sie deutlich häufiger an den universitären Hochschulen zu finden, als an Fachhochschulen und pädagogischen Hochschulen. In absoluten Zahlen waren in der betrachteten Periode 12’894 Studierende aus Drittstaaten an einer Schweizer Hochschule im Bachelor-, Master- oder Doktoratsstudium immatrikuliert, allein 10'125 davon an einer Universität. Nach Studienstufe betrachtet, sind etwa 34 Prozent in einem Doktorats-, rund 43 Prozent im Master-, und die restlichen rund 23 Prozent im Bachelorstudium eingeschrieben.
Schaut man sich die Abschlüsse an, so stellt man fest, dass 2017 2'903 Bachelor-, Master- oder Doktoratsdiplome von Personen aus Drittstaaten erworben wurden. Insgesamt gingen 17 Prozent aller in der Schweiz vergebenen Doktortitel an diese Gruppe. Bei den Masterdiplomen betrug der Anteil 9, bei den Bachelordiplomen 2 Prozent.
Tabelle 2
In welchen Studiengängen sind sie zu finden?
Eine Auswertung von Zahlen des BFS zeigt deutlich: Über 55 Prozent aller Abschlüsse von Personen aus Drittstaaten an universitären Hochschulen sind im MINT-Bereich gemacht worden. Dieser Wert liegt weit über dem MINT-Anteil aller Abschlüsse. Drittstaaten-Studierende erwarben 2017 über 1'500 Abschlüsse in MINT-Studiengängen.
Abbildung 1 gibt den Anteil Drittstaaten-Absolventen an allen Abschlüssen nach Fachbereich im Jahr 2017 wider. Es handelt sich dabei um alle Abschlüsse auf Niveau Bachelor, Master und Doktorat an den universitären Hochschulen.
Den höchsten Anteil an Drittstaaten-Absolventen weisen mit 17,5 Prozent die Maschinen- und Elektroingenieurwissenschaften auf. Auf Platz 2 folgen die Exaktwissenschaften, gefolgt von den exakt- und naturwissenschaftlichen übrigen Fachrichtungen. Die Top 5 werden komplettiert durch die die fächerübergreifenden und übrigen Studienrichtungen der technischen Wissenschaften und die Naturwissenschaften. Auch überdurchschnittlich oft finden sich Drittstaaten-Absolventen in den Fachrichtungen Theologie, Pharmazie, interdisziplinäre und andere Fachrichtungen, sowie im Bauwesen/Geodäsie. Unterdurchschnittlich vertreten sind sie hingegen in der Medizin, den Rechtswissenschaften, aber auch in den Sozialwissenschaften, den Sprachwissenschaften und historischen sowie Kulturwissenschaften.
Abbildung 1
Es zeigt sich ein deutliches Bild: Personen aus Drittstaaten sind im MINT-Bereich stark übervertreten. Und genau bei MINT-Fachkräften ist der Mangel in der Schweiz besonders eklatant. Es besteht ein nicht unerhebliches Potenzial, diese Fachkräfte, die sich während dem Studium hierzulande bereits akklimatisieren konnten, erfolgreich im Arbeitsmarkt zu integrieren und so dem Fachkräftemangel teilweise entgegenzuwirken.
Und auch für den wissenschaftlichen Nachwuchs sind Ausländer von enormer Bedeutung. Der Anteil Personen aus Drittstaaten unter den Doktoranden schwankt in den MINT-Fächern zwischen 20 und 30 Prozent. Eine starke Forschungslandschaft Schweiz braucht also Studierende aus Drittstaaten, die zu Exzellenz in Forschung und Lehre beitragen können.
Wie viele bleiben und arbeiten nach Abschluss in der Schweiz?
Internationale Absolventen sind in der Regel mobil und verschwinden daher oft schnell aus dem Einzugsgebiet amtlicher Register. Auch verlässliche Angaben dazu, wie viele Absolventen aus Drittstaaten tatsächlich nach dem Studium in der Schweiz einer Erwerbstätigkeit nachgehen, gibt es nicht. Wir versuchen an dieser Stelle mittels verfügbarer Informationen eine einigermassen realitätsnahe Abbildung der tatsächlichen Situation zu erstellen.
Dazu bieten sich zwei Anhaltspunkte an. Der Erste ist die Antwort des Bunderates auf die Motion von Nationalrat Marcel Dobler, in der festgehalten wird, dass das Staatssekretariat für Migration (SEM) jährlich 150 bis 200 Arbeitsbewilligungen für Absolventen aus Drittstaaten im Rahmen von bewilligten Kontingenten ausstellt. Um ein Gefühl zu erhalten, wie viel Prozent aller Absolventen eines Jahrgangs diese Bewilligungen ausmachen, setzen wir sie ins Verhältnis zu den jährlichen Bachelor- und Masterabschlüssen. Daraus lässt sich schliessen, dass kaum 10 Prozent aller Bachelor- und Masterabsolventen tatsächlich auf dem Schweizer Arbeitsmarkt erwerbstätig werden.
Einen zweiten Anhaltspunkt gibt uns die Studie von Lombard (2017) von der Universität Neuchâtel. Sie berechnet Verbleibquoten für internationale Absolventen von Schweizer Hochschulen. Hierzu schaut sie sich alle Master-Absolventen von 2012 an. Das Ergebnis zeigt, dass zwei Jahre nach Abschluss noch 28 Prozent der Absolventen aus Drittstaaten in der Schweiz verweilen. Weitere 16 Prozent beginnen nach Abschluss ein Doktorat in der Schweiz. Wie viele der im Inland verbleibenden 28 Prozent, welche sich nicht in Ausbildung befinden, tatsächlich arbeiten und wie viele sich aus familiären oder anderen Gründen in der Schweiz aufhalten, ist unbekannt. Eine ähnliche Studie aus Deutschland kommt zum Ergebnis, dass die Hälfte, der nach Abschluss im Land gebliebenen Personen tatsächlich auch erwerbstätig ist. Geht man von einer gleich hohen Rate auch für die Schweiz aus, so sind bloss 14 Prozent eines Absolventenjahrgangs tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt aktiv.
Insgesamt ist zu vermuten, dass rund 10 bis 15 Prozent aller Absolventen aus Drittstaaten tatsächlich in der Schweiz einer wirtschaftlichen Erwerbstätigkeit nachgehen. Eine vergleichende OECD-Studie zeigt auf, dass dieser Wert in der EU bei 15 bis 29 Prozent liegt.
Wie viel kostet ihre Ausbildung die Schweizer Steuerzahler?
In der Schweiz decken die Studiengebühren nur einen Bruchteil der tatsächlichen Ausbildungskosten. Auch die Ausbildung von Ausländern, die nur in wenigen Fällen höhere Studiengebühren als Einheimische bezahlen, wird zum grössten Teil vom Schweizer Steuerzahler subventioniert.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie viel die ausländischen Studierenden die Schweiz tatsächlich kosten. Eine fiskalische Gesamtbetrachtung beinhaltet zusätzlich zu den verursachten Kosten auch die anfallenden Erträge im Gastland. Allgemein ist aus der Literatur bekannt, dass die Fiskalbilanz umso besser ist, je länger eine Person nach der Ausbildung im Inland arbeitet. Die Aufstellung einer fiskalischen Bilanz sprengt aber den Rahmen des vorliegenden Papiers. An dieser Stelle werden lediglich die Ausbildungskosten betrachtet. Ziel ist es, ein Gefühl für die tatsächlich anfallenden Kosten zu geben.
Zur Berechnung der Ausbildungskosten sind Angaben über die Kosten pro Student, die Studiengebühren und die Studiendauer notwendig. Das BFS weist die Kosten pro Student nach Fachbereich aus, nicht aber nach Studienstufe. Die Angaben zu den Studiengebühren sind transparent auf den Webseiten der Hochschulen zugänglich. Die Studiendauer wird vom BFS nach Fachbereich und Studienstufe ausgewiesen. Weiter bekannt ist die Anzahl Studierender aus Drittstaaten nach Studienstufe, nicht aber nach Fachbereich. Mittels der vorhandenen Daten lassen sich Werte nach Studienstufe, nicht aber nach Fachbereich ermitteln. Im Folgenden wird einmal exemplarisch die Kosten der Grundbildung für einen Universitätsabgänger, welcher einen Bachelor und Master in der Schweiz gemacht hat, berechnet. Zusätzlich wird approximativ ermittelt, was die Grundbildung der Studierenden aus Drittstaaten auf Niveau Bachelor und Master an Universitäten und Fachhochschulen die Schweiz pro Jahr insgesamt kosten.
Die durchschnittlichen Grundbildungskosten an einer Universität liegen gemäss BFS bei etwa 23'000 Franken. Die durchschnittliche Studiendauer beträgt im Bachelor 4 und im Master 2.5 Jahre. Die durchschnittlichen Studiengebühren an einer Schweizer Uni betragen ungewichtet 2500 Franken pro Jahr. Der anhand dieser Parameter berechnete durchschnittliche Betrag für die Ausbildungskosten eines Studierenden aus einem Drittstaat, welcher in der Schweiz sowohl den Bachelor als auch den Master absolviert, beträgt somit überschlagsmässig 133'000 Franken.
An den Fachhochschulen kostet die Grundausbildung pro Student und Jahr gemäss BFS rund 30'000 Franken. Die durchschnittlichen Studiengebühren streuen viel breiter als an den Universitäten und liegen für Ausländer insbesondere in Master-Studiengängen deutlich höher. Ungewichtet kommt man auf eine durchschnittliche Studiengebühr von rund 4800 Franken pro Jahr.
Werden auf dieser Zahlenbasis die Kosten an den Fachhochschulen, den PHs und den Universitäten hochgerechnet, so lässt sich festhalten, dass die Schweiz jedes Jahr insgesamt rund 180 Millionen Franken in die Ausbildung von etwa 8'500 Bachelor- und Master-Studierenden aus Drittstaaten investiert.