# 8 / 2021
18.06.2021

Nein zur Tier- und Menschenversuchsinitiative: Die Volksgesundheit nicht aufs Spiel setzen

Initiative schadet Forschung, Wirtschaft und Gesundheit

Initiative ist überflüssig und verhindert dringend notwendige Güterabwägung

Die Initiative vertritt eine extreme Haltung. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik führt sie zu Forschungsverboten, nicht nur in der Grundlagenforschung, sondern auch in den Sozialwissenschaften. Bereits heute werden Versuche am Menschen und mit Tieren wo immer möglich durch alternative Methoden ersetzt. Die Corona-Pandemie hat wieder einmal in aller Deutlichkeit aufgezeigt, dass Tierversuche und Forschung am Menschen unabdingbar sind. Seit 2008 hat die Schweiz eines der strengsten Tierschutzgesetze weltweit. Seit 2014 ist zudem das Humanforschungsgesetz in Kraft. Der Schutz der Tiere und des Menschen im Rahmen der Forschung ist dadurch gewährleistet, was die Initiative überflüssig macht. Die Forschenden sind sich bewusst, dass der Einsatz von Tieren und Menschen in der Forschung gesetzlich und ethisch zur Anwendung höchster Standards verpflichtet. Deshalb wird seit über 30 Jahren im Rahmen der Stiftung 3R an alternativen Methoden zu Tierversuchen geforscht, wodurch in den letzten 40 Jahren die Anzahl der Versuche um rund 70 Prozent reduziert werden konnte. In der Schweiz sind Forschende dazu verpflichtet, Tierversuche auf ein Minimum zu beschränken und wenn immer möglich Alternativmethoden zu verwenden. Die gängige Praxis ermöglicht eine sorgfältige Güterabwägung zwischen dem Tierschutz oder den Persönlichkeitsrechten und den Interessen von Wissenschaft und Forschung. Bei einer Annahme der Initiative wäre eine solche Nutzen-Risiko-Abwägung unmöglich. Am Ende wäre weder Tieren noch Menschen geholfen, denn durch die Annahme der Initiative würde die Forschung nicht mehr in der Schweiz stattfinden, sondern müsste ins Ausland verlagert werden. Dort sind die Standards zum Tierschutz sehr oft niedriger als jene, die heute in der Schweiz bereits gelten.

Volksgesundheit wird aufs Spiel gesetzt

Sehr direkt von der Initiative betroffen wären das Gesundheitswesen und der Zugang der Bevölkerung zur Gesundheitsversorgung. Die Versorgung mit vielen Medikamenten könnte nicht mehr gewährleistet werden. Beispielhaft zeigt sich dies an der aktuellen Corona-Pandemie. Wären die Bestimmungen der Initiative bereits in Kraft, dürfte die Schweiz keinen Corona-Impfstoff einsetzen. Nicht nur die Volksgesundheit würde aufs Spiel gesetzt, sondern auch die wirtschaftlichen Folgen könnten gravierend ausfallen. Die Initiative gefährdet die Gesundheit von Menschen und Tier und stellt sie massiv schlechter gegenüber ausländischen Patientinnen und Patienten. Aufgrund des Einfuhrverbots wäre die Schweizer Bevölkerung von den wissenschaftlichen Fortschritten im Ausland ausgeschlossen. Es könnte ein Schwarzmarkt für Heilmittel entstehen. Während Personen mit hohem Einkommen sich für eine medizinische Behandlung ins Ausland begeben könnten, wäre das anderen verwehrt. Die Folge wäre eine Zweiklassenmedizin.

Schädlich für die Forschungslandschaft

Im Bereich Forschung und Innovation belegt die Schweiz gegenwärtig einen Spitzenplatz. Für ein ressourcenarmes, kleines Land ist dies ein zentraler Pfeiler für Erfolg und Wohlstand. Dass die Schweiz ein führender Forschungs- und Innovationsstandort ist, verdankt sie in erster Linie der Exzellenz der hiesigen Forschung, sowohl aufseiten der Hochschulen wie auch der Industrie. Die Annahme der Initiative würde teilweises Forschungsverbot in Kraft setzen und den weltweiten Spitzenplatz der Schweiz als Forschungsstandort akut gefährden. Es müsste mit einer Verlagerung von Forschungsprojekten gerechnet werden. Unternehmen und auch Forschungsinstitute müssten einen Teil ihrer Aktivitäten ins Ausland verlegen – was das Risiko erhöht, dass sie die Schweiz gleich ganz verlassen. Arbeitsplatzverluste wären die logische Folge. Schweizer Hochschulen, die im internationalen Wettbewerb mit den renommiertesten Forschungsinstituten weltweit stehen, verlören angesichts der grossen Einschränkungen an Attraktivität.

Gesamtwirtschaftliche Konsequenzen bei einer Annahme

Die Auswirkungen der Initiative beschränken sich nicht nur auf das Gesundheitswesen, die Hochschulen und die Life-Science-Industrie, sondern würden die Gesamtwirtschaft treffen. Tangiert bei einer Annahme wären unter anderem auch die Lebensmittelbranche, die chemische Industrie und die Landwirtschaft (z.B. Schädlingsbekämpfung). Somit würde die Initiative nicht nur Heilmittel betreffen, sondern auch Gegenstände des Alltagslebens, bei denen ein Bestandteil unter Anwendung von Tierversuchen hergestellt wurde.

Das von der Initiative geforderte Einfuhr- und Handelsverbot für Produkte, die unter Anwendung von Tierversuchen entwickelt wurden, verstösst gegen die internationalen Verpflichtungen der Schweiz. Das geforderte Verbot widerspricht sowohl den WTO-Abkommen wie auch dem Schweizerischen Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse. Die Produktionsmethode (frei von Tierversuchen) hat keinen Einfluss auf die physischen Eigenschaften und Merkmale eines Endprodukts. Gemäss gültigem WTO-Recht ist die Diskriminierung eines Produkts basierend auf Produktionsmethoden, die sich nicht in physischen Eigenschaften des Produkts niederschlagen, nicht erlaubt. Der Bundesrat unterstreicht in seiner Botschaft, dass die Initiative im Konflikt mit dem WTO-Abkommen, den EU-Abkommen und anderen Freihandelsverträgen steht. Führt die Schweiz einseitig ein Importverbot ein, dürften andere Länder den Spiess umdrehen: So könnten sie ebenfalls zusätzliche Anforderungen an Importe aus der Schweiz stellen oder diese anderweitig diskriminieren. Dadurch könnte die hiesige Exportwirtschaft arg unter Bedrängnis geraten. Dies würde der Schweiz nicht nur auf politischer, sondern auch auf wirtschaftlicher Ebene grossen Schaden zufügen.

Gemäss Initiative muss der Handel gewährleisten können, dass zwei Jahre nach einer Annahme alle importierten Produkte den schweizerischen Vorschriften entsprechen. Die Behörden müssten dies zusätzlich überprüfen, also auch, unter welchen Bedingungen diese Produkte im Ausland hergestellt wurden. Dafür wäre ein rigoroser Kontrollapparat notwendig, was in einer überbordenden Bürokratie enden würde. Diese Massnahmen würden die Preise der importierten Produkte erhöhen.