# 4 / 2021
08.03.2021

Weiterentwicklung der gymnasialen Maturität: Position der Wirtschaft

Ausgangslage

Gymnasien sind beliebt wie nie: Umfragen und die Teilnahmezahlen an den Aufnahmeprüfungen belegen regelmässig die ungebrochen hohe Popularität der gymnasialen Ausbildung unter Schweizer Jugendlichen. Gleichzeitig gerieten die Gymnasien aber in den letzten Jahren zunehmend unter politischen Druck. Kritik kommt unter anderem von den Universitäten. Angesichts einer langsamen, aber stetigen Zunahme an Studierenden, sorgen diese sich um die Studierfähigkeit eines Teils der Maturandinnen und Maturanden und sehen den prüfungsfreien Hochschulzugang in Gefahr. Renommierte Bildungsexperten stimmen zu und verweisen auf veraltete Vorgaben. Die gymnasiale Matura sei in ihrer heutigen Form nicht mehr zeitgemäss. Die Kritik erstaunt nicht, denn die letzte Matura-Reform liegt über 25 Jahre zurück: Der Rahmenlehrplan für die Maturitätsschulen (RLP) wurde 1994 erlassen und das eidgenössische Maturitätsanerkennungsreglement (MAR) bzw. die Maturitätsanerkennungsverordnung (MAV) stammen aus dem Jahr 1995.

Mit dem Ziel, die Qualität der Gymnasien zu erhalten, haben die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) und das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) eine Auslegeordnung zur gymnasialen Maturität erstellen lassen. An dessen Erarbeitung waren verschiedene Anspruchsgruppen beteiligt: Die Bandbreite reicht vom Verein Schweizerischer Gymnasiallehrerinnen und -lehrer (VSG) bis zu den Hochschulen. Dieser im Jahr 2019 veröffentlichte Bericht zeichnet insgesamt ein positives Bild der gymnasialen Maturität. Die Bildungsziele «allgemeine Studierfähigkeit» und «vertiefte Gesellschaftsreife» werden als weiterhin gültig erachtet. Als besonders positiv hervorgehoben werden die breite Allgemeinbildung, das Prinzip von Grundlagen- und Vertiefungsbereich, die hohe fachliche Kompetenz der Lehrpersonen und die Rolle der Kantone als «Labor» für neue Ideen. Doch die Analyse ortet auch Reformbedarf: Insbesondere der Rahmenlehrplan brauche eine Überarbeitung. Es fehle an vergleichbaren Anforderungen für alle Fächer, die Unterschiede bei den basalen Kompetenzen seien zu gross, und die überfachlichen Kompetenzen würden zu wenig gewichtet. Auch in Sachen Chancengerechtigkeit sieht der Bericht Verbesserungspotenzial.

Das Reformvorhaben wurde auf Basis dieses Berichts in vier Teilprojekte gegliedert: 

  • Überarbeitung des Rahmenlehrplans: Unter Berücksichtigung der kantonalen Lehrplanrevisionen der letzten Jahre sollen vergleichbare Anforderungen in den relevanten Fächern festgelegt werden. Auch die Kohärenz und die Anschlussfähigkeit an die Lehrpläne der Volksschule in den verschiedenen Sprachregionen sollen sichergestellt werden. Zusätzlich gilt es, klare Vorgaben zum Umgang mit gesellschaftlichen Herausforderungen, zur Förderung der überfachlichen Kompetenzen, zum fächerübergreifenden Lernen sowie zur Wissens- und Wissenschaftspropädeutik zu formulieren.
  • Umsetzung der Mindestdauer von vier Jahren für das Gymnasium: Die Mindestdauer des Maturitätslehrgangs soll auf vier Jahre harmonisiert werden. Hier sind insbesondere die betroffenen Kantone Waadt, Neuenburg, Jura und der französischsprachige Teil von Bern involviert. 
  • Überprüfung des Maturitätsanerkennungsreglements (MAR): Das geltende Reglement sowie die Maturitätsanerkennungsverordnung (MAV) sollen angepasst werden. Dies umfasst insbesondere die Bildungsziele, die Fächerstruktur sowie die Struktur des Maturitätslehrgangs. Die beiden Bildungsziele der allgemeinen Studierfähigkeit und der vertieften Gesellschaftsreife sollen die Referenzpunkte für die Weiterentwicklung des Fächerkanons und der Struktur des Maturitätslehrgangs bilden. 
  • Regelung von Zuständigkeiten und Kompetenzen im Bereich Qualität: In diesem Teilprojekt soll die Governance auf gesamtschweizerischer Ebene analysiert und geklärt werden, wobei es einerseits um die Steuerung und andererseits um die Qualität gehen soll. Im Zentrum steht die Frage, wer die Verantwortung für die Qualität der gymnasialen Ausbildung tragen soll. Dazu sind die Zuständigkeiten und Kompetenzen der Akteure hinsichtlich der Ausbildungsqualität zu definieren.