Test­stra­te­gie statt Sitz­ver­bot

Flä­chen­de­cken­de, re­gel­mäs­si­ge Tests haben sich in Grau­bün­den als er­folg­rei­ches Mit­tel gegen eine un­kon­trol­lier­te Aus­brei­tung des Co­ro­na-Virus be­währt. Gleich­zei­tig er­laubt sich der Berg­kan­ton, die Son­nen­ter­ras­sen in sei­nen Win­ter­sport­ge­bie­ten offen zu hal­ten – ohne ne­ga­ti­ve Aus­wir­kun­gen. Selt­sa­mer­wei­se in­ter­es­siert sich Bun­des­bern nur für Letz­te­res.

Im Bünd­ner­land spie­len sich der­zeit er­staun­li­che Dinge ab. Ers­tens wird mas­siv ge­tes­tet: In Schu­len, Un­ter­neh­men und so­zia­len In­sti­tu­tio­nen, flä­chen­de­ckend und re­gel­mäs­sig. Die wegen der vie­len Berg­tä­ler kom­pli­zier­te Lo­gis­tik hat die Bünd­ner nicht davon ab­ge­schreckt, ihren Weg kon­se­quent zu gehen. Trotz Wi­der­stän­den von­sei­ten des Bun­des. Zwei­tens – wel­che Un­ge­heu­er­lich­keit! – kann man im Ski­ge­biet seine Wurst und sein Ri­vel­la an einem Tisch kon­su­mie­ren. Die Schutz­kon­zep­te sind aus­ge­klü­gelt, das An­ste­ckungs­ri­si­ko mi­ni­mal und wohl al­le­mal klei­ner, als wenn die Leute ir­gend­wo zu­sam­men­ste­hen oder im Schnee sit­zen. Zudem geht alles ge­sit­tet und ge­ord­net zu. Wer nicht sitzt, trägt eine Maske. Und es ent­ste­hen auch keine Ab­fall­ber­ge im Um­kreis von Ta­kea­way-Stän­den.

So weit kommt es halt, wenn man sich im Mi­kro­ma­nage­ment ver­sucht.

Raten Sie, an wel­cher Bünd­ner Be­son­der­heit man sich nun der­zeit herz­haft ener­viert. An der Test­stra­te­gie? Nein, diese wird von et­li­chen Ent­schei­dungs­trä­gern tot­ge­schwie­gen, von vie­len Kan­tons­re­gie­run­gen ne­giert und vom BAG nur lau­warm un­ter­stützt. Und das, ob­wohl längst of­fen­sicht­lich ist, dass nur diese Mass­nah­me uns einen gros­sen Teil des nor­ma­len Le­bens zu­rück­bringt, bis Impf­stof­fe breit ver­füg­bar sind. Aber in Bern haut man lie­ber in eine an­de­re Kerbe: «Es darf nicht sein, dass man draus­sen an einem Tisch sitzt! Das ist ver­bo­ten!» Die Mass­nah­me wurde mil­li­me­ter­ge­nau de­fi­niert: Take-Aways dür­fen ge­öff­net sein, das An­bie­ten von Sitz­ge­le­gen­hei­ten in der Nähe aber ist ver­bo­ten. Gut, so genau auch wie­der nicht: Darf ich nun auf einer Bank sit­zen, die ein paar Meter vom Re­stau­rant weg ist (und schon immer da war)? Wie weit weg muss die Bank sein? 10, 20 oder 30 Meter? Sind De­cken oder Sitz­kis­sen er­laubt? Ist ein Schnee­hau­fen oder ein Da­vo­ser Schlit­ten eine il­le­ga­le Sitz­ge­le­gen­heit? So weit kommt es halt, wenn man sich im Mi­kro­ma­nage­ment ver­sucht. 

Wei­te­re Kan­to­ne fol­gen der Bünd­ner Test­stra­te­gie.

Wir haben ver­schie­dent­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Co­ro­na-Mass­nah­men ver­hält­nis­mäs­sig und ver­ständ­lich sein müs­sen, damit sich die Men­schen in die­sem Land auch daran hal­ten. Ein Sitz­ver­bot im Ski­ge­biet ist si­cher nicht ver­hält­nis­mäs­sig, da es für die Pan­de­mie­be­kämp­fung nichts bringt. Und ver­ste­hen kann man eine sol­che Mass­nah­me als ver­nunft­be­gab­tes Wesen eben­falls nur schwer­lich. Dem­ge­gen­über ver­ste­hen wir aber die Bünd­ner Test­stra­te­gie sehr gut. Hier wur­den die Haus­auf­ga­ben ge­macht. Durch re­gel­mäs­si­ge Tests kön­nen die Über­tra­gungs­ket­ten ge­zielt un­ter­bro­chen wer­den. Er­freu­li­cher­wei­se gehen Basel, Zug und Lu­zern nun ähn­li­che Wege. Wei­te­re Kan­to­ne soll­ten fol­gen. Es ist höchs­te Zeit, dass wir uns zu­sätz­li­che Frei­hei­ten er­ar­bei­ten, statt uns die Köpfe über die kor­rek­te Aus­le­gung des Mi­kro­ma­nage­ments ein­zu­schla­gen.