Stabile öffentliche Finanzen: ein Segen – und ein Auftrag an die Politik

Das Wichtigste in Kürze:

  • In der Budgetdebatte der kommenden Wintersession müssen zentrale Staatsaufgaben vom zu viel gewordenen Gewünschten getrennt werden.
  • Auch die Debatte um das Entlastungspaket muss 2025 unter diesem Leitthema stattfinden.
  • Im Vordergrund steht die finanzielle Stabilität: Sie dauerhaft zu erhalten, hat die Stimmbevölkerung der Politik mit der Schuldenbremse ins Pflichtenheft geschrieben

Folgende Nachricht erreicht uns vor nicht allzu langer Zeit: Der französische Staat teilt mit, dass er eine Plattform einstellt, die Firmen für den elektronischen Geschäftsverkehr nutzen (E-Invoicing etc.). Die Firmen sind gehalten, sich einen privaten Plattformanbieter zu suchen. Die Folgen: Ärger, Aufwand und hohe Kosten für die Firmen. Was veranlasst den französischen Staat, sich als Plattformanbieter zurückzuziehen? Es ist kaum die Einsicht, dass der Staat in der Wirtschaft nichts zu suchen hat. Es ist schlicht und ganz banal das fehlende Geld.

Hohe Staatsverschuldung führt in Frankreich zu Leistungsabbau

Die Malaise des französischen Staats: Während das Bruttoinlandprodukt Frankreichs etwa viermal so hoch ist wie das der Schweiz, gibt der Staat dort rund sechsmal so viel aus. Die nominale Staatsverschuldung beträgt fast das fünfzehnfache. Liegt die helvetische Schuldenquote (Schulden in Prozent BIP) unter 30 Prozent, übertrifft die gallische seit 2020 die Marke von 100 Prozent. Wenn der Staat für Schuldenzinsen mehr Geld ausgibt als für die Bildung oder Verteidigung, kann das nicht ohne Folgen bleiben: die Grande Nation muss sparen und zwar zünftig. Dass Firmen, denen man den Stecker von der laufenden E-Plattform zieht, darüber nicht begeistert sind, ist klar. Auch Bürgerinnen und Bürger sind es nicht, die als Perspektive fürs neue Jahr weniger Leistungen und höhere Steuern vorgesetzt bekommen.

Schuldenbremse bewahrt die Schweiz vor Schuldenspirale

Und hier liegt das Problem. Bürgerinnen und Bürger wie auch die Wirtschaft wollen sich auf den Staat verlassen können. Was der Staat verspricht, soll er liefern. Ohne laufend neue Steuern, ohne stop and go. Diese «Lieferfähigkeit» des Staats hängt von der Politik im grossen Ganzen ab (Kontinuität), aber ganz konkret vor allem vom Geld: von stabilen, zuverlässig ausgeglichenen Finanzen. Versprechen mit dem Füllhorn gefolgt von der Einsicht, dass der Treibstoff nicht reicht, zerstört Vertrauen nachhaltig. Auch die Schweiz – konkret: der Bund – kannte eine Zeit, da drohten ihm die Schulden vor lauter Ausgabenfrivolität über den Kopf zu wachsen. Eine Sparübung jagte die nächste. Bis das Volk, müde vom Hüst und Hott, den Staat zur Stabilität «verdammte» und die Schuldenbremse beschloss. Und das half.

Bürgerinnen und Bürger wie auch die Wirtschaft müssen sich auf den Staat verlassen können. Was der Staat verspricht, soll er liefern.

Das Parlament ist gehalten, die Zügel straff zu halten

Jetzt drohen dem Bund die Ausgabenrösser wieder durchbrennen. Zwanzig Jahre Stabilität und sichere Leistungen – im aufgeregten Politikkleinklein dieser Tage scheint der Wert dieses Segens in Vergessenheit zu geraten. Dabei gelten zuerst und vor allem noch immer die grossen Linien: die wichtigen Leistungen, die die Bevölkerung und die Wirtschaft vom Staat erwarten: Sicherheit und die Grundlagen für breiten Wohlstand, also Bildung, Infrastrukturen, tragfähige Beziehungen ins Ausland. Dass sich mit der Welt, die sich verändert, auch die Prioritäten ein Stück weit immer wieder verschieben, versteht sich von selbst. Die Politik muss allerdings fähig sein, diese Verschiebungen mitzumachen und in Gewichtsverschiebungen nachzuvollziehen. Vom «Nice-to-have» sind die grossen Linien dennoch ziemlich gut abgrenzbar. Der ehrliche Blick in den Spiegel genügt meist: Eine staatliche E-Plattform, womöglich steuervergünstigt, mag angenehm sein. Zum öffentlichen Kernauftrag gehört sie wie vieles andere nicht.

Der Staat muss sich auf seine Kernaufgaben besinnen

In der Budgetdebatte der kommenden Wintersession in Bundesbern, die diese Woche beginnt, wird es darum gehen, das Zentrale vom allzu viel gewordenen Gewünschten zu trennen. Die Debatte im nächsten Jahr um das Entlastungspaket wird ebenfalls unter diesem Leitthema stattfinden. Der Staat kann niemals alles für alle sein, und er sollte es auch nicht versuchen. Die Mittel werden nie genug sein. Worum es geht, sind vorab stabile (finanzielle) Grundlagen für zentrale Staatsaufgaben. Dank der Schuldenbremse ist diese Stabilität beim Bund, dem mit Abstand wichtigsten öffentlichen Haushalt unseres Landes, grundsätzlich vorhanden. Die Stabilität dauerhaft zu erhalten, ist der Auftrag, den die Stimmbevölkerung der Politik mit der Vorgabe der Schuldenbremse ins Pflichtenheft geschrieben hat.