Postmarkt Schweiz zwischen Realität und Anspruch

Der heute vorgelegte Jahresbericht der Postcom zeigt den Corona-bedingten Schub im Paketmarkt auf. Auch der «Grundversorgungsmarkt», der fast 80 Prozent des Gesamtmarktes ausmacht, konnte kräftig zulegen. Die strukturellen Probleme der Schweizer Postlandschaft kommen im Bericht hingegen zu kurz.

Die Widersprüche sind gross: Einerseits wird der Postmarkt künstlich ausgedehnt, indem gemäss Postcom neuestens auch Pizzalieferanten & Co. zum Postmarkt zählen – wie die Postcom kürzlich im Fall Uber Eats entschieden hat. Andererseits bleibt der Platzhirsch gesetzt: die Schweizer Volkspost. Zudem wächst der Grundversorgungsmarkt weiter an, während argumentiert wird, dass wegen abnehmender Briefpost die Finanzierung immer unsicherer werde. Die Streuschäden der Marktkonzentration treten immer mehr zutage.

Es besteht kein Anreiz für Innovation und Fortschritt.

Um im Postdossier mitdenken zu können, lohnt sich etwas Nachhilfe in Volkswirtschaft. Da wird bereits im Grundstudium gelehrt, was die Risiken von Monopolen sind: überrissene Preise, schlechte Qualität, schwacher Service und wenig Anreiz für Produktivitätssteigerungen. Anders gesagt: Monopole führen dazu, dass sich die Monopolistin zu wenig Mühe gibt, die Bedürfnisse ihrer Kunden zu erfüllen. Zudem besteht kein Anreiz für Innovation und Fortschritt. Gäbe es diesen, wäre der Paketmarkt, wie in anderen Ländern, schon längstens mit dem Transport-, Liefer- und Logistikmarkt verschmolzen. Wettbewerb ist erstrebenswert und dazu braucht es einen Markt mit tiefen Eintrittshürden, in dem Kunden ohne grossen Aufwand Anbieterinnen und Angebote wechseln können, wenn sie mit der Qualität oder der Leistung nicht zufrieden sind.

Die Postcom sollte den Wettbewerb im Postmarkt hegen und pflegen.

Die Postcom wurde ursprünglich als «Wettbewerbsbehörde» ins Leben gerufen. In der Praxis konzentriert sie sich jedoch auf einen bunten Strauss von Aufgaben: Sie überwacht die Qualität der Grundversorgung, vermittelt bei Poststellenschliessungen und hat sich zuletzt sogar verstärkt dem Thema Ökologie angenommen. Böse Zungen würden behaupten, die Marktaufsicht verzettelt sich dabei und verkommt zur Handlangerin einzelner Interessengruppen, die mehr vom Strukturerhalt als von der Innovation haben. Wir freuen uns zwar über die Vielseitigkeit des Arbeitsspektrums, wichtig bleibt aber, dass die Postcom auch das zarte Pflänzchen des Wettbewerbs im Schweizer Postmarkt weiter hegt und pflegt – doch dazu findet sich im Jahresbericht leider kaum etwas.

Wir müssen die Last auf mehrere Schultern verteilen.

Aus den Postkonzernen in Deutschland und Frankreich gingen mit DHL und DPD, dank Reformen zur richtigen Zeit, zwei weltweit erfolgreiche und zukunftsfähige Logistikunternehmen hervor. Eine gleiche Entwicklung haben wir in der Schweiz leider verpasst. Wäre der Postmarkt besser aufgeteilt und mehrere starke Anbieter präsent, hätte es auch nicht die im Bericht breit getretenen Engpässe während der Corona-Zeit gegeben, da sich dann die Last auf mehrere Anbieter verteilt hätte und damit besser bewältigbar gewesen wäre.

Die unbequeme Wahrheit bleibt deshalb: Durch Monopole und Strukturerhalt schützt man keine Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen, man verschiebt die Anpassung einfach in die Zukunft und verschärft die Härte der Landung. Zudem bleibt dann alles am Platzhirsch hängen, der wiederum aufgrund seiner naturgemässen Trägheit nicht dynamisch genug reagieren kann.