Lehrerin im Klassenzimmer

​​Mit der Be­rufs­ma­tur ins Klas­sen­zim­mer – ganz ohne Umweg​

Das Wich­tigs­te in Kürze: ​​

  • Der Be­darf an Lehr­per­so­nen steigt und kann schon heute nicht mehr über­all ge­deckt wer­den.
  • ​In­ha­be­rin­nen und In­ha­ber einer Be­rufs­ma­tu­ri­tät brin­gen wert­vol­le Be­rufs­er­fah­rung mit, wer­den aber durch die Auf­nah­me­prü­fung als Zu­las­sungs­be­din­gung für die PH aus­ge­bremst. ​
  • Be­rufs­ma­tu­ri­täts­ab­sol­ven­tin­nen und -ab­sol­ven­ten soll­ten künf­tig einen prü­fungs­frei­en Zu­gang zur PH er­hal­ten, so­fern diese über eine min­des­tens zwei­jäh­ri­ge Be­rufs­pra­xis nach dem Lehr­ab­schluss ver­fü­gen.

Die Schweiz steht vor einer bil­dungs­po­li­ti­schen Her­aus­for­de­rung: Der Be­darf an Lehr­per­so­nen steigt und kann schon heute nicht mehr über­all ge­deckt wer­den. Viele Kin­der von ge­bur­ten­star­ken Jahr­gän­gen tre­ten in die Schu­len ein und gleich­zei­tig er­rei­chen zu­neh­mend Lehr­per­so­nen aus den ge­bur­ten­star­ken Jahr­gän­gen das Ren­ten­al­ter. Mit­tel­fris­tig gerät so das Be­treu­ungs­ver­hält­nis an Schu­len aus dem Gleich­ge­wicht. Das Re­sul­tat: Es feh­len noch mehr Lehr­per­so­nen. In meh­re­ren Kan­to­nen kom­men be­reits Not­lö­sun­gen zum Ein­satz: So un­ter­rich­ten im Kan­ton Zü­rich der­zeit rund 3.5 Pro­zent der Lehr­per­so­nen ohne ein an­er­kann­tes Lehr­di­plom. In Bern wie­der­um dür­fen Per­so­nen mit einem aus­län­di­schen Lehr­di­plom und Sprach­ni­veau B2 un­ter­rich­ten, so­fern sie be­glei­tend einen CAS an der Päd­ago­gi­schen Hoch­schu­le (PH) ab­sol­vie­ren. Eine nach­hal­ti­ge Lö­sung ist das je­doch nicht. Im Ver­gleich zu die­sen Grup­pen haben In­ha­be­rin­nen und In­ha­ber einer Be­rufs­ma­tu­ri­tät deut­lich bes­se­re Qua­li­fi­ka­tio­nen für den Pri­mar­lehr­be­ruf auf­zu­wei­sen. Diese müs­sen für den Zu­gang an die PH je­doch eine Auf­nah­me­prü­fung ab­sol­vie­ren. Auf­grund die­ser Hürde kann die­ses Po­ten­zi­al an Lehr­kräf­ten zur­zeit nicht voll­stän­dig aus­ge­schöpft wer­den.

Po­li­ti­sche In­itia­ti­ven neh­men Fahrt auf

So­wohl auf na­tio­na­ler als auch auf kan­to­na­ler Ebene wird der Ruf nach einem er­leich­ter­ten Zu­gang zur Pri­mar­lehr­aus­bil­dung lau­ter. Eine Stan­des­in­itia­ti­ve vom März 2023 for­dert den prü­fungs­frei­en Zu­gang zur Aus­bil­dung zur Kin­der­gar­ten- und Pri­mar­lehr­per­son für In­ha­be­rin­nen und In­ha­ber einer Be­rufs­ma­tu­ri­tät. Im Kan­ton Bern wurde ein ers­ter Ver­such ge­star­tet: Seit Herbst 2023 bie­tet die PH Bern einen Stu­di­en­gang an, der zwar nicht EDK-an­er­kannt ist, aber zur Un­ter­richts­be­fä­hi­gung im Kan­ton Bern führt. Auch im Kan­ton Zü­rich wird mit brei­ter po­li­ti­scher Un­ter­stüt­zung eine Gleich­stel­lung der Ma­tu­ri­tä­ten hin­sicht­lich des Zu­gangs zur PH ge­for­dert. Eine ent­spre­chen­de Mo­ti­on wurde An­fang März 2025 dem Re­gie­rungs­rat über­wie­sen.

Be­rufs­er­fah­rung ist ein Qua­li­fi­ka­ti­ons­merk­mal

Im Ge­gen­satz zu Be­rufs­ma­tu­ri­täts­ab­sol­ven­tin­nen und -ab­sol­ven­ten haben In­ha­be­rin­nen und In­ha­ber einer gym­na­sia­len Ma­tu­ri­tät oder einer Fach­ma­tu­ri­tät Päd­ago­gik prü­fungs­frei­en Zu­gang zur PH, ob­wohl sie über keine Be­rufs­er­fah­rung ver­fü­gen. Be­rufs­ma­tu­ri­täts­ab­sol­ven­tin­nen und -ab­sol­ven­ten ver­fü­gen auf­grund ihrer Pra­xis­er­fah­rung schon über wich­ti­ge Kom­pe­ten­zen wie Team­fä­hig­keit, Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein und Be­last­bar­keit, die Per­so­nen mit einem Ab­schluss einer all­ge­mein­bil­den­den Schu­le oft noch nicht in ver­gleich­ba­rem Aus­mass ent­wi­ckeln konn­ten.

Damit diese über ge­nü­gend Be­rufs­er­fah­rung ver­fü­gen, soll­te ein prü­fungs­frei­er Zu­gang zur PH an eine min­des­tens zwei­jäh­ri­ge Be­rufs­pra­xis nach dem Lehr­ab­schluss ge­knüpft sein. Das stärkt nicht nur fach­li­che und so­zia­le Fä­hig­kei­ten, son­dern för­dert auch ein ver­tief­tes Ver­ständ­nis für un­ter­schied­li­che Le­bens­rea­li­tä­ten – ein kla­rer Vor­teil im Schul­all­tag als Lehr­per­son. Das Stu­di­um an der PH ist pra­xis­ori­en­tier­ter als Stu­di­en­gän­ge an den Uni­ver­si­tä­ten. Die Stu­dier­fä­hig­keit für Ab­sol­ven­tin­nen und Ab­sol­ven­ten einer Be­rufs­ma­tu­ri­tät ist daher ge­ge­ben, ohne die Aus­bil­dungs­qua­li­tät zu sen­ken. Soll­te dies im Ein­zel­fall nicht der Fall sein – bei­spiels­wei­se spielt eine Per­son kein In­stru­ment – kann dies wäh­rend des PH-Stu­di­ums auf­ge­holt wer­den.

Die An­for­de­run­gen an das Stu­di­um blei­ben damit un­ver­än­dert. Falls sich aber den­noch zeigt, dass die In­ha­be­rin­nen und In­ha­ber einer Be­rufs­ma­tu­ri­tät nicht in der Lage wären, das PH-Stu­di­um er­folg­reich zu be­strei­ten, muss die Re­ge­lung wie­der an­ge­passt wer­den. Um die Aus­wir­kun­gen der Zu­las­sungs­an­pas­sung zu über­prü­fen, soll ent­spre­chend nach drei Jah­ren eine Eva­lua­ti­on er­fol­gen.

Ein rea­lis­ti­scher und not­wen­di­ger Schritt

Der Man­gel an Lehr­per­so­nen ist eine erns­te Her­aus­for­de­rung, doch zu­gleich auch eine Chan­ce, be­ste­hen­de Struk­tu­ren und Zu­gangs­be­din­gun­gen kri­tisch zu hin­ter­fra­gen. In­ha­be­rin­nen und In­ha­ber einer Be­rufs­ma­tu­ri­tät und einer län­ge­ren Be­rufs­er­fah­rung könn­ten künf­tig eine wich­ti­ge Rolle in der Bil­dung der nächs­ten Ge­ne­ra­ti­on spie­len, wenn man ihnen den Weg in den Lehr­be­ruf nicht un­nö­tig er­schwert.