Heinz Karrer

Heinz Kar­rer im In­ter­view: «Die Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve ist nicht nötig»

eco­no­mie­su­is­se-Prä­si­dent Heinz Kar­rer be­zieht im Ge­spräch mit Do­mi­nik Feusi, Lei­ter Bun­des­haus­re­dak­ti­on der «Bas­ler Zei­tung», klar Stel­lung gegen die Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve. Bi­la­te­ra­le Wirt­schafts­be­zie­hun­gen sind für den Er­folg des Ex­port­lands Schweiz von zen­tra­ler Be­deu­tung. Die Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve greift die­ses Er­folgs­mo­dell an und setzt die guten Be­zie­hun­gen zur EU und an­de­ren wich­ti­gen Märk­ten leicht­fer­tig aufs Spiel. Sie wi­der­spricht damit den Kern­in­ter­es­sen der Schwei­zer Wirt­schaft.

Warum en­ga­giert sich eco­no­mie­su­is­se so auf­wen­dig gegen die Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve (SBI)?

Die Schweiz hat enorm viele völ­ker­recht­li­che Ver­trä­ge für die Wirt­schafts­be­zie­hun­gen mit an­de­ren Län­dern und wir sind der An­sicht, dass diese äus­serst wich­tig sind für die Un­ter­neh­men in der Schweiz. Von der Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve wären das Frei­zü­gig­keits- und das Land­ver­kehrs­ab­kom­men ganz di­rekt be­trof­fen. Und spä­ter, wenn ir­gend­ei­ne In­itia­ti­ve käme, die in einem Ele­ment gegen völ­ker­recht­li­che Ver­trä­ge ver­stos­sen würde, wären alle diese Ver­trä­ge in­fra­ge ge­stellt. Darum ist das für die Wirt­schaft ge­fähr­lich.

An wel­che In­itia­ti­ve den­ken Sie?

Ein ak­tu­el­les Bei­spiel ist die Fair-Food-In­itia­ti­ve der Grü­nen.

Die Schweiz hat enorm viele völ­ker­recht­li­che Ver­trä­ge für die Wirt­schafts­be­zie­hun­gen mit an­de­ren Län­dern, die äus­serst wich­tig sind für hier an­säs­si­ge Fir­men.

Als die Schu­bert-Pra­xis noch galt, also das Bun­des­ge­richt einen spä­te­ren Ent­scheid von Par­la­ment oder Stimm­volk höher ge­wich­te­te als in­ter­na­tio­na­les Recht, gab es diese Ge­fahr auch, und nie muss­te ein Ver­trag ge­kün­det wer­den und nie­mand ver­zich­te­te des­halb auf einen neuen Ver­trag mit der Schweiz.

Ers­tens gab es nur eine ganz klei­ne Zahl von sol­chen Kon­flik­ten. Zwei­tens ist es etwas an­de­res, ob die Schu­bert-Pra­xis bei un­se­ren Ge­rich­ten gilt oder ob der Vor­be­halt des Lan­des­rechts fest in der Ver­fas­sung steht, wie es die Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve will. So ein Ver­fas­sungs­ar­ti­kel gäbe eine ganz an­de­re Ver­hand­lungs­si­tua­ti­on. Mit der Schu­bert-Pra­xis haben wir ganz gut leben kön­nen. Wir haben nun ein­fach zwei un­glück­li­che Ent­schei­de des Bun­des­ge­richts – mög­li­cher­wei­se waren es po­li­ti­sche Ent­schei­de, zu­min­dest wirkt es so in mei­ner Wahr­neh­mung.

Von der Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve wären das Frei­zü­gig­keits- und das Land­ver­kehrs­ab­kom­men ganz di­rekt be­trof­fen.

Wieso «un­glück­lich»?

Es waren Ent­schei­de einer ein­zel­nen Kam­mer und ei­gent­lich hätte das ge­sam­te Bun­des­ge­richt ein­be­zo­gen sein sol­len. Das ist nicht pas­siert, darum gehe ich davon aus, dass die Schu­bert-Pra­xis mor­gen und über­mor­gen immer noch An­wen­dung fin­det in der Schweiz. Die Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve geht nun aber viel wei­ter als die Schu­bert-Pra­xis. Sie for­dert bei einem Kon­flikt nicht eine Bun­des­ge­richts-Pra­xis, son­dern Neu­ver­hand­lun­gen oder die Kün­di­gung eines Ab­kom­mens. Das ist das Pro­blem.

Es ist etwas an­de­res, ob die Schu­bert-Pra­xis bei un­se­ren Ge­rich­ten gilt oder ob der Vor­be­halt des Lan­des­rechts fest in der Ver­fas­sung steht, wie es die Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve will.

Auch an­de­re Län­der, bei­spiels­wei­se Deutsch­land, ken­nen einen Vor­rang des Lan­des­rechts – und trotz­dem schliesst man mit Deutsch­land Ver­trä­ge ab.

Die Si­tua­ti­on in Deutsch­land ist eine ganz an­de­re. Ers­tens kennt das Land an­ders als die Schweiz ein Ver­fas­sungs­ge­richt, das Wi­der­sprü­che fall­wei­se auf­lö­sen kann. Zwei­tens ist Deutsch­land eine par­la­men­ta­ri­sche De­mo­kra­tie und kennt den Dua­lis­mus – das heisst: völ­ker­recht­li­che Ver­trä­ge wer­den vom Par­la­ment ge­neh­migt und an­schlies­send ins Lan­des­recht über­nom­men. Drit­tens kennt es eine Klau­sel im Grund­ge­setz, wo­nach in­ter­na­tio­nal ak­zep­tier­tes Völ­ker­recht als Teil des Bun­des­rechts di­rekt in­ner­staat­lich gilt, und vier­tens – ganz wich­tig – gilt in Deutsch­land der Vor­rang des EU-Rechts. Einen Kün­di­gungs­au­to­ma­tis­mus, wie ihn die SBI for­dert, kennt das Land nicht. Ein sol­cher Ver­gleich hinkt also ge­wal­tig.

Sie las­sen sich bei die­ser In­itia­ti­ve vor den Kar­ren von links-grü­nen Or­ga­ni­sa­tio­nen span­nen.

(Lacht) Nein. Es kommt ab und zu vor, dass die lin­ken Par­tei­en plötz­lich so stim­men wie wir. Die­sen Or­ga­ni­sa­tio­nen geht es aber vor allem um die Men­schen­rech­te. Für uns sind es auch die völ­ker­recht­li­chen Wirt­schafts­ver­trä­ge und ihre Be­deu­tung für die Un­ter­neh­men, die im Zen­trum ste­hen.

 

Beim vor­lie­gen­den Text han­delt es sich um eine ge­kürz­te Ver­si­on. Das aus­führ­li­che In­ter­view er­schien am 12. April 2018 in der Bas­ler Zei­tung. Das Ge­spräch ge­führt hat Do­mi­nik Feusi, Lei­ter Bun­des­haus­re­dak­ti­on.