Handel

EU-Han­dels­po­li­tik trifft Schwei­zer Ex­por­teu­re

Da die wich­tigs­ten Kon­kur­ren­ten von Schwei­zer Un­ter­neh­men aus der EU stam­men, muss die Schwei­zer Aus­sen­han­dels­po­li­tik mit der EU ver­gleich­ba­re Markt­zu­gangs­be­din­gun­gen ge­gen­über Dritt­staa­ten bie­ten. Seit dem Sto­cken des WTO-An­sat­zes konn­te sich die Schweiz bis­lang mit Frei­han­dels­ab­kom­men neben der EU er­folg­reich be­haup­ten. Auf­grund von schwie­ri­gen Ver­hand­lun­gen mit wich­ti­gen Han­dels­part­nern ris­kiert die Schweiz nun aber, ge­gen­über der EU ins Hin­ter­tref­fen zu ge­ra­ten. Um dies zu ver­mei­den, müs­sen be­ste­hen­de Frei­han­dels­ab­kom­men kon­se­quent mo­der­ni­siert wer­den. Ver­hand­lun­gen über neue Frei­han­dels­ab­kom­men sind mit den­je­ni­gen Län­dern zu prio­ri­sie­ren, mit denen die höchs­ten Han­dels­ge­win­ne zu er­war­ten sind und wo das Dis­kri­mi­nie­rungs­po­ten­zi­al für Schwei­zer Fir­men ge­gen­über ihren Kon­kur­ren­ten am gröss­ten ist. Aus­ser­dem ist eine Markt­öff­nung des Land­wirt­schafts­sek­tors eine Grund­vor­aus­set­zung. Auch ge­gen­über der EU sind im Dienst­leis­tungs- und Agrar­han­del nach­hal­ti­ge Ver­bes­se­rungs­mög­lich­kei­ten vor­han­den.

Wel­che Han­dels­po­li­tik ver­folgt die Eu­ro­päi­sche Union? Diese Frage ist aus Sicht der Schwei­zer Ex­port­wirt­schaft wich­tig, denn die wich­tigs­ten Kon­kur­ren­ten stam­men häu­fig aus der EU. Die hie­si­ge Ex­port­in­dus­trie ist des­halb dar­auf an­ge­wie­sen, dass die Zu­gangs­be­din­gun­gen zu Dritt­märk­ten zu­min­dest den­je­ni­gen ihrer di­rek­ten Kon­kur­ren­ten ent­spre­chen.

Die EU ist han­dels­po­li­tisch ein Riese. Wäh­rend sie auf­grund man­geln­der Kom­pe­ten­zen und des Un­wil­lens der Mit­glieds­staa­ten Schwie­rig­kei­ten hat, eine ein­heit­li­che Aus­sen­po­li­tik zu ge­stal­ten, fällt seit 2009 die Han­dels­po­li­tik in die al­lei­ni­ge Zu­stän­dig­keit der EU. Mit einem An­teil von 16,6 Pro­zent an den welt­wei­ten Ein- und Aus­fuh­ren ist die EU vor China und den Ver­ei­nig­ten Staa­ten die gröss­te Han­dels­macht der Welt. Dies trifft nicht nur auf den Han­del mit Gü­tern zu: Auch im Dienst­leis­tungs­han­del lässt die EU die USA und ins­be­son­de­re China hin­ter sich. Der Aus­sen­han­del ist für die EU wirt­schaft­lich von gros­ser Be­deu­tung. Die Union er­zielt etwa ein Drit­tel ihrer Wert­schöp­fung im Han­del mit Dritt­staa­ten. Dabei hat sich das Aus­sen­han­dels­vo­lu­men zwi­schen 1999 und 2010 ver­dop­pelt. Aber auch für viele Dritt­län­der spielt der Han­del mit der EU eine gros­se Rolle. Für 59 Dritt­staa­ten ist die EU der wich­tigs­te Han­dels­part­ner. Dar­un­ter be­fin­det sich auch die Schweiz, wo 71 Pro­zent der Im­por­te aus der EU stam­men und 53 Pro­zent der Ex­por­te in die EU gehen. Im Ver­gleich zur EU spielt China nur für 37 Län­der und die Ver­ei­nig­ten Staa­ten le­dig­lich für 34 Län­der im Aus­sen­han­del die erste Geige.

Es gibt meh­re­re Grün­de für die Be­deu­tung der EU im in­ter­na­tio­na­len Han­del. Zum einen bil­det die EU mit 500 Mil­lio­nen Ein­woh­nern den gröss­ten Bin­nen­markt der Welt. Mit einem An­teil von 17 Pro­zent am Welt-Brut­to­in­land­pro­dukt bei le­dig­lich sie­ben Pro­zent der Welt­be­völ­ke­rung ist die EU noch immer eine der reichs­ten Re­gio­nen der Welt. Aus­ser­dem ist die EU ein re­la­tiv of­fe­ner Markt. Auf na­he­zu drei Vier­tel der Im­por­te in die EU müs­sen keine Zölle ent­rich­tet wer­den. Wo Zölle fäl­lig wer­den, be­trägt der durch­schnitt­li­che Zoll­satz 3,6 Pro­zent (2013); bei den In­dus­trie­gü­tern sind es 2,3 Pro­zent.

Part­ner und Kon­kur­rent

Die Schweiz ist für die EU eben­falls ein wich­ti­ger Han­dels­part­ner – der Klein­staat ran­giert hin­ter den USA und China an drit­ter Stel­le. Die Basis der engen Han­dels­be­zie­hun­gen bil­det das Frei­han­dels­ab­kom­men von 1972. Die­ses Ta­rif­abkom­men wurde spä­ter mit bi­la­te­ra­len Ab­kom­men er­gänzt und ver­tieft. Er­wäh­nens­wert ist ins­be­son­de­re das Ab­kom­men über die ge­gen­sei­ti­ge An­er­ken­nung von Kon­for­mi­täts­be­wer­tun­gen (MRA), wel­ches zwi­schen der Schweiz und der EU einen Bin­nen­markt in mitt­ler­wei­le 20 Pro­dukt­be­rei­chen ge­schaf­fen hat und wert­mäs­sig mehr als ein Vier­tel aller Wa­ren­ex­por­te in die EU und mehr als ein Drit­tel aller Wa­ren­im­por­te aus der EU ab­deckt. We­sent­lich zum Abbau von Han­dels­hemm­nis­sen haben auch das Ab­kom­men über Zol­ler­leich­te­run­gen und Zoll­si­cher­heit sowie das Ab­kom­men über die Per­so­nen­frei­zü­gig­keit bei­ge­tra­gen. Letz­te­res führ­te zu einer teil­wei­sen Li­be­ra­li­sie­rung von grenz­über­schrei­ten­den per­sön­li­chen Dienst­leis­tun­gen.

Wie die EU ver­fügt auch die Schweiz über ein welt­um­span­nen­des Netz von Frei­han­dels­ab­kom­men (32 Ab­kom­men sind in Kraft, mit neun Län­dern oder Län­der­ge­mein­schaf­ten steht die Efta in Ver­hand­lun­gen; Zah­len: Seco, Juni 2018). Diese Ab­kom­men wur­den meist im Rah­men der Eu­ro­päi­schen Frei­han­delsas­so­zia­ti­on (Efta) aus­ge­han­delt. Die Schweiz legte den Fokus je­weils dar­auf, mit den­je­ni­gen Staa­ten ver­gleich­ba­re Frei­han­dels­ab­kom­men zu schlies­sen, mit denen auch die EU in Ver­hand­lun­gen stand. In der Ver­gan­gen­heit war die Schweiz mit die­ser Stra­te­gie er­folg­reich und er­hielt, weil sie die ei­ge­nen In­dus­trie­be­rei­che we­ni­ger vor aus­län­di­scher Kon­kur­renz schüt­zen woll­te, frü­her als die EU einen pri­vi­le­gier­ten Zu­gang zu den Märk­ten Süd­ko­rea, Japan und China.

Frei­han­dels­ab­kom­men mo­der­ni­sie­ren

In letz­ter Zeit je­doch ge­ra­ten die Efta-Staa­ten Is­land, Liech­ten­stein, Nor­we­gen und Schweiz ge­gen­über der EU immer stär­ker ins Hin­ter­tref­fen, da sie ihren Markt für Land­wirt­schafts­pro­duk­te aus Dritt­staa­ten we­ni­ger stark öff­nen als die EU. Dies wäre je­doch nötig, weil die ver­blei­ben­den po­ten­zi­el­len Frei­han­dels­part­ner star­ke of­fen­si­ve In­ter­es­sen im Agrar­sek­tor haben. Das jüngs­te Bei­spiel ist der Mer­co­sur, wo die EU vor einem Ab­schluss steht und die par­al­lel ver­lau­fen­den Ver­hand­lun­gen mit den Efta-Staa­ten wegen ihrer pro­tek­tio­nis­ti­schen Land­wirt­schafts­po­li­tik ins Sto­cken ge­ra­ten sind. Bei einem er­folg­rei­chen Ab­schluss durch die EU wären Schwei­zer Fir­men ge­gen­über ihren Kon­kur­ren­ten aus der EU in so wich­ti­gen Ab­satz­märk­ten wie Ar­gen­ti­ni­en oder Bra­si­li­en be­nach­tei­ligt. Die Folge wäre eine Ver­la­ge­rung der Pro­duk­ti­on von Gü­tern für den süd­ame­ri­ka­ni­schen Markt aus der Schweiz in die EU.

Damit der Aus­sen­han­del wei­ter­hin zum Wohl­stand der Schweiz bei­tra­gen kann, müs­sen die be­ste­hen­den Frei­han­dels­ab­kom­men kon­se­quent mo­der­ni­siert wer­den. Na­ment­lich ist es wich­tig, die Dienst­leis­tun­gen mit ein­zu­schlies­sen und nicht ta­ri­fä­re Han­dels­hemm­nis­se zu be­sei­ti­gen. Ver­hand­lun­gen über neue Frei­han­dels­ab­kom­men soll­ten mit den­je­ni­gen Län­dern prio­ri­siert wer­den, mit denen die höchs­ten Han­dels­ge­win­ne zu er­war­ten sind und in denen Schwei­zer Un­ter­neh­men auf­grund par­al­lel lau­fen­der Ver­hand­lun­gen der EU Ge­fahr lau­fen, dis­kri­mi­niert zu wer­den.

Eine Grund­vor­aus­set­zung ist dabei die Öff­nung des Land­wirt­schafts­sek­tors: Nur so wird die Schweiz für Dritt­län­der zu einem in­ter­es­san­ten Frei­han­dels­part­ner. Auch ge­gen­über der EU ist das Han­dels­po­ten­zi­al noch nicht aus­ge­schöpft. Ins­be­son­de­re im Dienst­leis­tungs- und Agrar­han­del sind nach­hal­ti­ge Ver­bes­se­rungs­mög­lich­kei­ten vor­han­den. Wäre die Schweiz län­ger­fris­tig nicht mehr in der Lage, im in­ter­na­tio­na­len Han­del ähn­lich güns­ti­ge Be­din­gun­gen aus­zu­han­deln wie die EU, würde die Ex­port­wirt­schaft ernst­haft ge­fähr­det.

Beim vor­lie­gen­den Bei­trag han­delt es sich um eine ge­kürz­te Ver­si­on. Der Ori­gi­nal­text er­schien am 19. Juli 2018 in «Die Volks­wirt­schaft». Den gan­zen Bei­trag zu lesen gibt es hier.