Die Vor­la­ge zur Min­dest­be­steue­rung ist keine «Lex Zug»

Die Vor­la­ge zur Min­dest­be­steue­rung, die am 18. Juni zur Ab­stim­mung ge­langt, sei eine «Lex Zug» – so wird neu­er­dings von Links kri­ti­siert. Die Kri­tik ist in­halt­lich falsch und ma­xi­mal wi­der­sprüch­lich: Die Hö­her­be­steue­rung vorab von gros­sen Fir­men ist eine Grund­for­de­rung der Lin­ken.

Die Min­dest­be­steue­rung gros­ser in­ter­na­tio­nal tä­ti­ger Fir­men ist eine be­schlos­se­ne Sache – in­ter­na­tio­nal und ei­gent­lich auch in der Schweiz. Das Bun­des­par­la­ment hat die ent­spre­chen­de Vor­la­ge im De­zem­ber ver­ab­schie­det. Nimmt das Schwei­zer Stimm­volk die Vor­la­ge im Juni an, dann wird ab dem 1. Ja­nu­ar 2024 gel­ten, was in vie­len Staa­ten auf der Welt gel­ten wird: dass näm­lich die gros­sen Fir­men zu min­des­tens 15 Pro­zent nach den Re­geln der OECD be­steu­ert wer­den. Die Schweiz macht mit, weil Nicht-Mit­ma­chen kei­nen Sinn hat; jeg­li­che Be­steue­rung unter 15 Pro­zent würde ein­fach von an­de­ren Staa­ten nach­ge­holt. Steu­er­geld ver­schen­ken, ist keine gute Idee.

Die für die Schweiz be­schlos­se­nen Mo­da­li­tä­ten der Min­dest­be­steue­rung sehen vor, dass der Bund 25 Pro­zent vom Topf von zu­sätz­li­chen Ein­nah­men be­hal­ten kann, die Kan­to­ne 75 Pro­zent, die Städ­te und Ge­mein­den wer­den an­ge­mes­sen be­rück­sich­tigt. Diese Lö­sung wird jetzt von lin­ker Seite als «Lex Zug» kri­ti­siert – ein ein­sei­ti­ger Be­schluss zu­guns­ten We­ni­ger, von dem der Rest nichts hat. Die Kri­tik ist in­halt­lich falsch und dar­über hin­aus bi­zarr: zur sonst üb­li­chen Fun­da­men­tal­for­de­rung von Links, dass ins­be­son­de­re gros­se Fir­men stär­ker be­steu­ert ge­hö­ren, steht sie in of­fen­sicht­li­chem Wi­der­spruch. Ein paar Ar­gu­men­te dazu:

Ers­tens: Die Kri­tik ist grund­falsch, weil der Bun­des­rat selbst die Lö­sung vor­ge­schla­gen hat, der sich wie­der­um auf einen Kom­pro­miss der Kan­to­ne ab­stützt, die sich nach an­fäng­li­chen Mei­nungs­un­ter­schie­den schliess­lich in der Lö­sung fan­den, dass sie den Bund zu 25 Pro­zent an ihren Ein­nah­men mit­be­tei­li­gen. Ei­ni­ge Kan­to­ne hät­ten ef­fek­tiv alles Geld selbst be­hal­ten wol­len, an­de­re hät­ten dem Bund mehr geben wol­len in der Er­war­tung, dass die­ser das Geld in ir­gend­ei­ner Form an sie zu­rück­gibt. Am Ende war es ein aus­ta­rier­ter Kom­pro­miss, der die ver­schie­de­nen In­ter­es­sen be­rück­sich­tigt und in­halt­lich Sinn macht. Die Wirt­schaft, das ist kein Ge­heim­nis, hätte lie­ber alles Geld bei den Kan­to­nen ge­se­hen. Aber am Ende zählt, was zählt: eine prak­ti­ka­ble Lö­sung – die Wirt­schaft un­ter­stützt sie ohne Wenn und Aber.

Zwei­tens: Ein Haupt­grund für die kan­to­na­le Ei­ni­gung, und ein wich­ti­ges Ele­ment, warum die Lö­sung in­halt­lich Sinn macht, ist ihre Ver­tei­lungs­wir­kung: unter allen denk­ba­ren (bzw. dis­ku­tier­ten) Lö­sun­gen ist die Um­ver­tei­lung über den Na­tio­na­len Fi­nanz­aus­gleich NFA bei der letzt­lich be­schlos­se­nen Lö­sung am zweit­stärks­ten. Kan­to­ne mit hohen Mehr­ein­nah­men wer­den diese Ein­nah­men tei­len mit Kan­to­nen mit we­ni­ger Mehr­ein­nah­men bzw. die ge­ne­rell fi­nan­zi­ell schwä­cher sind. Würde alles Geld bei den Kan­to­nen blei­ben, wäre die Ver­tei­lungs­wir­kung noch stär­ker (OECD-Min­dest­steu­er – Stän­de­rats­lö­sung ver­dient Un­ter­stüt­zung | eco­no­mie­su­is­se). Die Be­tei­li­gung des Bun­des an den Ein­nah­men macht aber in­so­fern Sinn, als auch der Bund mehr Geld zu­guns­ten der schwä­che­ren Kan­to­ne in den NFA ein­zah­len wird. Der NFA spielt auch unter der Min­dest­be­steue­rung. Er ist das In­stru­ment für fi­nan­zi­el­le Ko­hä­si­on in der Schweiz. So­lan­ge er spielt, blei­ben eine «Lex Zug» oder an­de­re krass ein­sei­ti­ge Lö­sun­gen un­mög­lich.

Drit­tens: Es trifft zu, dass ei­ni­ge Kan­to­ne, dar­un­ter Zug und Basel-Stadt, aber auch Genf oder Waadt, hö­he­re Ein­nah­men aus der Min­dest­be­steue­rung er­hal­ten wer­den als an­de­re Kan­to­ne. Aber zum einen wer­den die Mehr­ein­nah­men brei­ter ver­teilt sein als von der Kri­tik be­haup­tet, weil sämt­li­che Kan­to­ne heute Si­tua­tio­nen ken­nen, in denen die Min­dest­be­steue­rung nicht er­reicht wird. Zum an­dern, und das hat nichts mit der Min­dest­be­steue­rung zu tun, ist es eine Tat­sa­che, dass die gros­sen in­ter­na­tio­nal tä­ti­gen Fir­men in der Schweiz nicht gleich ver­teilt sind und es Bal­lun­gen und Clus­ter in Kan­to­nen und Re­gio­nen gibt. Die heu­ti­ge Wirt­schafts­struk­tur in der Schweiz wi­der­spie­gelt die Ent­wick­lung, wie sie in den letz­ten hun­dert Jah­ren statt­ge­fun­den hat. Dar­aus ein­zel­nen Kan­to­nen jetzt einen Strick zu dre­hen, ist ab­surd, zumal dabei un­ter­schla­gen wird, dass alle Kan­to­ne, der Bund und die ganze Schweiz von einer star­ken, in­ter­na­tio­na­len Wirt­schaft enorm pro­fi­tie­ren.

Vier­tens und last but not least: Zug und alle Kan­to­ne mit Be­steue­run­gen unter 15 Pro­zent könn­ten und kön­nen ihre Steu­ern ei­gen­stän­dig, un­ab­hän­gig von der Min­dest­be­steue­rungs­vor­la­ge er­hö­hen. Steu­er­er­hö­hun­gen für Gross­kon­zer­ne? Wer würde, erst recht von links, hier den Vor­wurf einer ir­gend­wie an­stös­si­gen «Lex Zug» er­he­ben? Steu­er­er­hö­hun­gen füh­ren in der Regel zu­min­dest kurz­fris­tig zu Mehr­ein­nah­men; es scheint, als sei dies der Haupt­grund, warum sie über­haupt durch­ge­führt wer­den. Im Fall der Min­dest­be­steue­rung ist das an­ders, die Schweiz hat diese Steu­er­er­hö­hung mehr­heit­lich nicht ge­sucht. Dass sie statt­fin­den muss, kann nicht Le­gi­ti­ma­ti­on dafür sein, dass plötz­lich An­sprü­che ge­stellt wer­den, die nicht ge­ge­ben sind. Die Steu­er­er­hö­hung darum zu kri­ti­sie­ren, weil nicht ge­ge­be­ne An­sprü­che nicht be­frie­digt wer­den, ist eine bi­zar­re Win­dung, die in kras­sem, to­ta­lem Wi­der­spruch zur, müss­te man mei­nen, über­ge­ord­ne­ten lin­ken Fun­da­men­tal­for­de­rung nach hö­he­ren Steu­ern vorab für gros­se Fir­men steht. Eine «Lex Zug» würde dann wahr wer­den, wenn Zug die Steu­ern für Fir­men au­to­nom er­höh­te; das wäre das gute Recht von Zug. Krei­se aus­ser­halb des Kan­tons wür­den vom Zu­satz­geld dann al­ler­dings kei­nen Rap­pen sehen.