Die Strompreise steigen massiv – was tun?
Die steigenden Strompreise treffen Private und Unternehmen hart, oft ist von einer regelrechten «Strompreisexplosion» zu lesen. Für vormals gesunde Unternehmen kann die Produktion plötzlich unrentabel werden, besonders bei energieintensiven Unternehmen. Auch Haushalte erfahren eine grosse Mehrbelastung, wobei durch die Grundversorgung ein gewisser Schutz besteht. Nichtsdestotrotz können Menschen mit tiefen Einkommen im schlimmsten Fall in die Energiearmut abrutschen. Die Situation ist ernst.
Rufe nach staatlichen Unterstützungsmassnahmen werden laut, doch bergen Unterstützungsmassnahmen immer erhebliche Risiken. Preissignale sind elementar für einen funktionierenden Markt und müssen ankommen, besonders im freien Markt (ausserhalb der Grundversorgung). Erfahrungen aus der Ölkrise im letzten Jahrhundert haben zudem gezeigt, dass Eingriffe langfristig negative Effekte zeitigen können. Auch die Klimapolitik muss bedacht werden: Hohe Preise schaffen zum Beispiel Anreize für Effizienz. Eine Abfederung von hohen Energiepreisen mag politisch verlockend sein, ist aber heikel.
Die Wirtschaft schlägt in der aktuellen Situation sieben ausgewogene Massnahmen vor, um einerseits den gravierendsten Auswirkungen der Energiekrise zu begegnen und andererseits adverse Effekte zu vermeiden. Die Situation entwickelt sich jedoch fortlaufend und die Risikolage kann sich schnell verändern (beispielsweise bei einem möglichen «Subventionskrieg», analog einem Währungskrieg). Eine kontinuierliche Reevaluation und flexible Anpassung der Massnahmen ist geboten.
Vorbereitung auf Mangellage
1) Aufruf an die öffentlichen Eigner im Strombereich: Öffentliches Interesse ausreichend berücksichtigen. Ein grosser Teil des Strommarkts in der Schweiz ist im öffentlichen Besitz – von Produktion bis zur Verteilung. Die explodierenden Konsumentenpreise im Strombereich bergen grosse volkswirtschaftliche Risiken. Die Wirtschaft appelliert an öffentliche Eigner, die öffentlichen Interessen ganzheitlich zu berücksichtigen und zum Beispiel die Renditeerwartungen bei den Netzen zu überdenken.
2) Solidaritätskampagne: Politik, Gesellschaft und Wirtschaft müssen zusammenstehen, um die potenzielle Mangellage zu meistern – die aktuelle Kampagne des Bundes wird von der Wirtschaft vollumfänglich unterstützt. Es ist eine ausserordentliche Situation, in der alle am selben Strick ziehen müssen. Es ist keine Zeit für Maximalforderungen oder Ideologie.
Massnahmen bei Knappheit
3) Zugang zu Kurzarbeit für Unternehmen analog COVID. Bereits heute ist davon auszugehen, dass gewisse Unternehmen aufgrund der rapide steigenden Energiepreise ihre Produktion aussetzen. Der Zugang zu bewährten konjunkturpolitischen Massnahmen wie Kurzarbeit ist elementar, um das Überleben vormals gesunder Unternehmen zu sichern (wie bei COVID).
4) Überbrückungskredite analog COVID. Für Unternehmen, die aufgrund steigender Energiepreise in Liquiditätsengpässe geraten, ist der Zugang zu Liquiditätshilfen im Sinne von Überbrückungskrediten zentral (wie bei COVID). A-fonds-perdu-Zahlungen sind zum aktuellen Zeitpunkt gesamtwirtschaftlich nicht sinnvoll.
5) Internationale Situation proaktiv verfolgen. Die Wirtschaft setzt sich für Zurückhaltung bei staatlichen Eingriffen ein. Jedoch haben die im Ausland getroffenen Massnahmen erhebliche Auswirkungen für den Werkplatz Schweiz. Die Wirtschaft fordert proaktives Verfolgen der im Ausland getroffenen Massnahmen durch den Bund und der Auswirkungen auf den Werkplatz Schweiz sowie, gegebenenfalls und mit grosser Zurückhaltung, das Ergreifen von Massnahmen – analog der Währungspolitik der SNB.
6) Unterstützung von Privaten in Härtefällen. Für viele Haushalte sind Energiepreissteigerungen schmerzhaft, aber tragbar. Denn bei einem durchschnittlichen Haushalt machen die Energiekosten nur rund fünf Prozent der Ausgaben aus. In einigen Härtefällen werden die Mehrkosten die Haushalte jedoch in die Energiearmut treiben. In solchen Fällen ist es in der sozialen Marktwirtschaft geboten, dass die betroffenen Haushalte im Rahmen der Sozialhilfe unterstützt werden. Flächendeckende Subventionen von Energiepreisen sind jedoch abzulehnen.
Massnahmen bei einer Mangellage
7) Rahmenbedingungen und Flexibilität schaffen, um die Auswirkungen einer Mangellage zu minimieren: Im Falle einer Mangellage muss alles dafür getan werden, dass die Auswirkungen für die Unternehmen möglichst gering sind. Dazu sind Flexibilität und die Hilfe zur Selbsthilfe zentral. Dies beinhaltet unter anderem Abbau regulatorischer Hürden (beispielsweise Ermöglichung von multi-site Lösungen auf der Plattform mangellage.ch, welche die Wirtschaft aufgebaut hat, um den Schaden einer allfälligen Kontingentierung zu minimieren), die Bildung einer virtuellen Energiereserve und die Priorisierung von marktwirtschaftlichen Instrumenten im Bewirtschaftungsfall.