Die Si­cher­stel­lung der Ver­sor­gungs­si­cher­heit er­reicht kaum vor­stell­ba­re Di­men­sio­nen

Auch wenn wir die­sen Win­ter viel­leicht noch­mals durch­rut­schen, ist der Weg zu einer si­che­ren Strom­ver­sor­gung noch weit. Ak­tu­ell feh­len uns ziem­lich genau 40-50 Ter­ra­watt­stun­den.

Im Mo­ment deu­tet ei­ni­ges dar­auf hin, dass wir die­sen Win­ter noch­mals ohne Strom­m­an­gel­la­ge durch­kom­men. Das sind zwar gute Neu­ig­kei­ten, aber der nächs­te Win­ter kommt mit Si­cher­heit. Pünkt­lich zu Hal­lo­ween könn­te uns also in Zu­kunft jeden Herbst das Schre­ckens­ge­spenst der dro­hen­den Strom­m­an­gel­la­ge heim­su­chen.

Nicht nur das un­aus­sprech­li­che Wort «Strom­m­an­gel­la­ge» selbst ist ge­spens­tig, son­dern auch, wie weit davon ent­fernt wir sind, die Si­tua­ti­on zu meis­tern: Stellt man den er­war­te­ten Mehr­be­darf an Strom bis 2050 von über 50 Pro­zent dem Weg­fall der Atom­kraft ge­gen­über, müs­sen wir 40-50 Ter­ra­watt­stun­den aus­bau­en. Das ist fast das dop­pel­te, wie uns heute an Er­zeu­gungs­ka­pa­zi­tät zur Ver­fü­gung steht. So­wohl für den Aus­bau, die Spei­che­rung, die Kos­ten und die Ef­fi­zi­enz er­reicht das kaum vor­stell­ba­re Di­men­sio­nen:

  • Zubau: Wür­den wir gross­mehr­heit­lich auf So­lar­strom set­zen, bräuch­te es je nach An­nah­men und Pro­gno­sen etwa den hal­ben, viel­leicht auch ein Mehr­fa­ches der Flä­che des Gen­fer­sees an So­lar­pan­nels. Der Zubau der So­lar­ener­gie muss zwei bis drei Mal schnel­ler vor­an­schrei­ten als heute. Auch die Wind­kraft kann einen Bei­trag leis­ten – ein durch­schnitt­li­ches Wind­rad im Jura er­setzt bei­spiels­wei­se ca. drei Fuss­ball­fel­der an So­lar­pan­nels.
  • Spei­che­rung: Unser Haupt­pro­blem liegt im Win­ter, im Som­mer gibt es Strom im Über­schuss. Wir müs­sen daher Som­mer­strom spei­chern und im Win­ter ver­füg­bar ma­chen. Wie viel Spei­che­rung not­wen­dig sein wird, ist schwer ab­zu­schät­zen und hängt von vie­len Fak­to­ren ab. Eine Her­aus­for­de­rung ist die Spei­che­rung in der Schweiz al­le­mal, brin­gen die er­folg­ver­spre­chends­ten Spei­cher­mög­lich­kei­ten doch er­heb­li­che Her­aus­for­de­run­gen mit sich. Was­ser­stoff bräuch­te zum Bei­spiel enorm viel Platz (bis zu 25 mal die Gott­har­d­röh­re) oder syn­the­ti­sche Treib­stof­fe viel Ex­tra­ener­gie - bis zu 4.5 mal die ge­sam­te Dach­flä­che der Schweiz an So­lar­pan­nels.
  • Kos­ten: Der Aus­bau er­neu­er­ba­rer En­er­gie wird teuer. Mo­men­tan ma­chen die En­er­gie­kos­ten pro Per­son und Jahr etwa 3'000 Fran­ken aus. Al­lein für die Er­zeu­gung und Spei­che­rung könn­ten sich diese bis 2050 durch­aus ver­dop­peln oder ver­drei­fa­chen. Dazu kommt, dass gros­se In­ves­ti­tio­nen aus­ste­hen. Schät­zun­gen gehen von einem hohen zwei­stel­li­gen Mil­li­ar­den­be­trag al­lein für den Netz­aus­bau aus.
  • Ef­fi­zi­enz: Wenn wir bis 2050 mehr Strom ver­brau­chen, wer­den wir den Ge­samt­ener­gie­ver­brauch dras­tisch re­du­zie­ren müs­sen, um die Kli­ma­zie­le zu er­rei­chen. Das BFE rech­net in den En­er­gie­per­spek­ti­ven damit, dass etwa 40% Re­duk­ti­on nötig ist. Die über­fäl­li­ge Di­gi­ta­li­sie­rung der In­fra­struk­tur ist eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung hier­für.

Diese Her­aus­for­de­run­gen wir­ken auf den ers­ten Blick ent­mu­ti­gend. Doch En­er­gie ist für uns alle so wich­tig, dass die Frage nicht lau­ten kann, ob wir un­se­re Ziele er­rei­chen, son­dern bloss wie. Und hier zeigt sich, dass es keine Pa­tent­lö­sung gibt. Der Weg er­for­dert viel An­stren­gung und gute Ideen. Auch darum soll­ten uns nicht an­mas­sen, jetzt schon zu wis­sen, was die Zu­kunft bringt. Statt ein­zel­ne Tech­no­lo­gi­en zu för­dern und an­de­re zu ver­bie­ten, soll­ten wir uns dar­auf be­schrän­ken, gute Rah­men­be­din­gun­gen für For­schung und Zubau kli­ma­neu­tra­ler En­er­gie­ver­sor­gung zu ge­stal­ten und Ver­fah­ren mas­siv zu be­schleu­ni­gen. Der Stän­de­rat hat mit dem Vor­schlag zum Man­tel­erlass be­reits einen ers­ten not­wen­di­gen, wenn auch wohl noch nicht hin­rei­chen­den Schritt ge­macht. Es bleibt zu hof­fen, dass der Na­tio­nal­rat den ein­ge­schla­ge­nen Weg ziel­stre­big und schnell wei­ter­ver­folgt.

 

Die Erst­pu­bli­ka­ti­on die­ses Bei­trags er­folg­te am 16. No­vem­ber 2022 in der Aar­gau­er Zei­tung.