Ingenieur begutachtet Industrieroboter

Die GSoA-In­itia­ti­ve macht KMU plötz­lich zu Kriegs­ma­te­ri­al­pro­du­zen­ten

Am 29. No­vem­ber stimmt die Schweiz über ein Fi­nan­zie­rungs­ver­bot für Kriegs­ma­te­ri­al­pro­du­zen­ten ab. Die In­itia­ti­ve nimmt nicht nur gros­se aus­län­di­sche Rüs­tungs­kon­zer­ne ins Vi­sier, sie be­trifft auch viele mit­tel­stän­di­sche Un­ter­neh­men in der Schweiz und schnei­det sie von Fi­nan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten ab.

Wäh­rend land­auf, land­ab die Kon­zern-Ver­ant­wor­tungs-In­itia­ti­ve die Schlag­zei­len be­herrscht, geht bei­na­he ver­ges­sen, dass die Schweiz am 29. No­vem­ber noch über eine zwei­te wirt­schafts­po­li­ti­sche Vor­la­ge ab­stim­men wird. Die In­itia­ti­ve «Für ein Ver­bot der Fi­nan­zie­rung von Kriegs­ma­te­ri­al­pro­du­zen­ten» wurde von der Ge­sell­schaft für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) und den Jun­gen Grü­nen ein­ge­reicht. Ihr An­lie­gen: Die Welt fried­li­cher und si­che­rer ma­chen, indem gros­se Schwei­zer In­ves­to­ren ihr Geld nicht mehr in der Rüs­tungs­in­dus­trie an­le­gen dür­fen.

Die­ses Ziel wol­len die In­iti­an­ten mit zwei In­stru­men­ten er­rei­chen. Ers­tens soll der Schwei­ze­ri­schen Na­tio­nal­bank (SNB), der AHV und allen Pen­si­ons­kas­sen ver­bo­ten wer­den, in Un­ter­neh­men zu in­ves­tie­ren, die mehr als 5 Pro­zent ihres Jah­res­um­sat­zes mit der Her­stel­lung von Rüs­tungs­gü­tern er­zie­len. Zwei­tens wird der Bun­des­rat ver­pflich­tet, ein sol­ches Ver­bot auch für Ban­ken und Ver­si­che­rer durch­zu­set­zen.

Star­re Quote brand­markt zahl­rei­che KMU

Aus Per­spek­ti­ve der Schwei­zer KMU ist die In­itia­ti­ve gleich in mehr­fa­cher Hin­sicht hoch­pro­ble­ma­tisch. Ins Auge sticht zu­nächst ein­mal die star­re Quote von 5 Pro­zent Um­satz, die künf­tig dar­über ent­schei­den soll, ob ein Un­ter­neh­men als Kriegs­ma­te­ri­al­pro­du­zent gilt. Sie be­trifft Tau­sen­de in­län­di­scher Un­ter­neh­men, die nach heu­ti­ger De­fi­ni­ti­on nicht zur Rüs­tungs­in­dus­trie zäh­len, aber Auf­trä­ge als Zu­lie­fe­rer über­neh­men. Bei­spiels­wei­se Glas Trösch, wel­che Cock­pit-Schei­ben an Boe­ing lie­fert, die – zum Teil – auch für Kampf­jets ver­wen­det wer­den. Oder Schwei­zer Tech-Start-ups, die Steue­rungs­soft­ware für Droh­nen ent­wi­ckeln, die für zi­vi­le, aber eben auch für mi­li­tä­ri­sche Zwe­cke ver­wen­det wer­den kön­nen. Die Ab­gren­zung ist im Ein­zel­fall äus­serst kom­plex. Und bei schwan­ken­der Auf­trags­la­ge ist es gut mög­lich, dass ein sol­ches KMU in einem Jahr die 5-Pro­zent-Schwel­le über­schrei­tet, im nächs­ten aber nicht.

Schwei­zer An­le­ger stellt diese Quote vor gros­se Her­aus­for­de­run­gen. Sie müss­ten ihre In­ves­ti­tio­nen im In- und Aus­land per­ma­nent dar­auf­hin prü­fen, ob diese das Limit über­schrei­ten. Al­lein die SNB hat in ihrem Port­fo­lio über 300 Un­ter­neh­men aus­ge­macht, die ak­tu­ell davon be­trof­fen sind. Be­reits für die Na­tio­nal­bank wäre der Kon­troll­auf­wand be­trächt­lich, für viele klei­ne­re Pen­si­ons­kas­sen ist er hin­ge­gen kaum zu be­wäl­ti­gen. Denn es gibt keine Lis­ten, die ihnen auf­zei­gen, in wel­che Ak­ti­en oder Ak­ti­en­fonds sie noch legal in­ves­tie­ren dür­fen. 

Keine Kre­di­te mehr für «Kriegs­ma­te­ri­al­pro­du­zen­ten»

Noch pro­ble­ma­ti­scher wird es, wenn Ban­ken und Ver­si­che­run­gen den be­trof­fe­nen Un­ter­neh­men keine Fi­nanz­dienst­leis­tun­gen mehr an­bie­ten dür­fen. Wenn ein KMU mit Aus­rüs­tung für die Schwei­zer Armee in einem Jahr mehr als 5 Pro­zent Um­satz er­zielt, gilt es als Kriegs­ma­te­ri­al­pro­du­zent und soll nach dem Wil­len der GSoA kei­nen Bank­kre­dit mehr er­hal­ten. Im Zwei­fels­fall wird es wohl auf den Auf­trag ver­zich­ten müs­sen. Davon sind po­ten­zi­ell rund 3000 Schwei­zer KMU be­trof­fen, wie der In­dus­trie­ver­band Swiss­mem er­rech­net hat. Es sind Un­ter­neh­men, die in den letz­ten Jah­ren und Mo­na­ten be­reits den star­ken Fran­ken und die Co­ro­na-Pan­de­mie über­ste­hen muss­ten. Ihre Pols­ter sind weg. Die In­itia­ti­ve dürf­te sie ent­spre­chend hart tref­fen.

An­ge­sichts die­ser vie­len Nach­tei­le stellt sich die Frage, ob die In­iti­an­ten we­nigs­tens ihr über­ge­ord­ne­tes Ziel er­rei­chen – näm­lich einen Bei­trag zu einer fried­li­che­ren und si­che­re­ren Welt zu leis­ten. Auch hier sind er­heb­li­che Zwei­fel an­ge­bracht. Die gros­sen in­ter­na­tio­na­len Rüs­tungs­kon­zer­ne wie Lock­heed Mar­tin, Nor­throp oder Ray­the­on exis­tie­ren auch ohne Schwei­zer Geld pro­blem­los wei­ter. Hin­ge­gen müss­te die Schwei­zer Armee künf­tig auf viele in­län­di­sche Zu­lie­fe­rer ver­zich­ten und ihre Ab­hän­gig­keit vom Aus­land deut­lich er­hö­hen. Für die Schweiz kann das zum si­cher­heits­po­li­ti­schen Ri­si­ko wer­den.

Die­ser Bei­trag ist am 6. No­vem­ber im «KMU Rat­ge­ber» er­schie­nen: https://​ratgeber.​moneyhouse.​ch/​partner/​die-​gsoa-​initiative-​macht-​kmu-​ploetzlich-​zu-​kri​egsm​ater​ialp​rodu​zent​en/