Individualbesteuerung wird konkreter
Die heutige Ehepaarbesteuerung weist zwei Schwachstellen auf: die Heiratsstrafe und negative Arbeitsanreize für Zweitverdienende. Nachdem etliche Anläufe gescheitert sind, ist die Individualbesteuerung als Reform der Ehe- und Familienbesteuerung in den Fokus gerückt. economiesuisse unterstützt die Individualbesteuerung im Grundsatz, weil sie die Erwerbsanreize der Zweitverdienenden verbessert. Der Bundesrat hat nun konkretisiert, wie das Modell aussehen könnte.
Heute werden die Einkommen der Ehepaare zusammengezählt und der Steuerbetrag auf dem Gesamteinkommen ermittelt. Das Aufsummieren der Einkommen in einem progressiven Steuersystem (mit nach oben steigenden Tarifen) hat zwei Folgen: Der Steuerbetrag ist einerseits höher, als wenn die Einkommen einzeln besteuert werden, wie das bei Konkubinaten der Fall ist. Dieser Effekt ist als Heiratsstrafe bekannt.
Andererseits wird das Zweiteinkommen oft überproportional besteuert, weil es auf das Ersteinkommen geschlagen wird und damit in eine höhere Progressionsstufe fällt. Dieser sogenannte Abhalteeffekt wirkt sich je nach Konstellation negativ auf die Arbeitsbereitschaft von verheirateten Zweitverdienenden aus.
Beide Sachverhalte, die Heiratsstrafe und der negative Erwerbsanreiz, betreffen vor allem den Bund und die Betroffenheit ist ab einem höherem Gesamteinkommen grösser. Das Parlament hat dem Bundesrat deshalb den Auftrag erteilt, bis 2023 eine Botschaft zur Individualbesteuerung zu verabschieden.
Bundesrat präsentiert Eckwerte zur Individualbesteuerung
Für die Ausarbeitung der Vernehmlassungsvorlage hat der Bundesrat nun Eckwerte festgelegt. Basierend auf zwei getrennten Steuererklärungen sollen Ehepaare grundsätzlich wie Konkubinate besteuert werden. Die Auswirkungen auf die Steuerbelastung hängen im Wesentlichen von der Einkommensaufteilung ab. Eheleute mit ähnlich hohem Einkommen sowie Rentnerehepaare dürften gemäss Bundesrat von der Reform profitieren.
Gleichzeitig werden Ehepaare mit nur einem Einkommen bzw. mit tiefem Zweiteinkommen tendenziell stärker belastet. Um dies zu korrigieren, will der Bundesrat in der Vernehmlassung eine Variante vorschlagen, die gezielt Eineinkommensehepaare entlastet. Weiter sollen Steuerpflichtige mit Kindern (unabhängig vom Zivilstand) zusätzlich entlastet werden. Schliesslich sind auch Massnahmen zur Entlastung von Alleinerziehenden oder Alleinstehenden vorgesehen.
economiesuisse unterstützt Individualbesteuerung
Die Wirtschaft ist auf genügend und gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen. economiesuisse unterstützt deshalb die Individualbesteuerung im Grundsatz, weil sie die vorherrschenden negativen steuerlichen Effekte auf die Erwerbstätigkeit zu beseitigen vermag und damit das Arbeitskräftepotenzial in der Schweiz stärkt.
Bei den betroffenen Zweitverdienenden handelt es sich oftmals um gut ausgebildete Frauen bzw. Mütter. Wenn die negativen Arbeitsanreize reduziert werden, dürften sich deren Arbeitsmarktteilnahme und Arbeitspensen ausweiten. Die Individualbesteuerung fördert damit auch die Gleichstellung und erfüllt gleichzeitig das langjährige politische Anliegen für eine Abschaffung der Heiratsstrafe.
Umbau der Einkommenssteuer für alle Steuerpflichtigen
Die Einführung der Individualbesteuerung stellt einen Paradigmenwechsel der Einkommensbesteuerung in der Schweiz dar. Neben dem Bund müssten auch alle Kantone ihre Steuersysteme ändern und die Steuertarife neu austarieren. Die konkreten Belastungsveränderungen für die Privathaushalte bzw. für jeden Einzelnen und jede Einzelne sowie die finanziellen Folgen für die Staatsebenen – der Bund rechnet mit unmittelbaren Kosten von einer Milliarde Franken – hängen von der tatsächlichen Ausgestaltung der Vorlage ab sowie von den nachfolgenden kantonalen Umsetzungen. Details wird die im Herbst 2022 geplante Vernehmlassungsvorlage aufzeigen.