Kantonalbank

Die Mär vom Tod der Kan­to­nal­ban­ken

Fak­ten­check Nr. 8 zum Rah­men­ab­kom­men: Die Geg­ner des Rah­men­ab­kom­mens mit der EU be­haup­ten, das Ab­kom­men würde staat­li­che Bei­hil­fen der­art ein­schrän­ken, dass die Schweiz auf ihre Kan­to­nal­ban­ken und Ge­bäu­de­ver­si­che­run­gen ver­zich­ten müss­te. Das ist eines der am lau­tes­ten vor­ge­tra­ge­nen Ar­gu­men­te gegen das Rah­men­ab­kom­men – und zu­gleich einer der gröss­ten Irr­tü­mer.

Be­haup­tung: Das Rah­men­ab­kom­men ver­bie­tet Kan­to­nal­ban­ken und ver­un­mög­licht kan­to­na­le Ge­bäu­de­ver­si­che­run­gen.

Tat­sa­chen: Das Rah­men­ab­kom­men be­trifft weder Kan­to­nal­ban­ken noch kan­to­na­le Ge­bäu­de­ver­si­che­run­gen, denn es sieht keine ho­ri­zon­ta­len Ef­fek­te bei den staat­li­chen Bei­hil­fen vor. Das klingt zu­nächst tech­nisch, ist aber ein­fach er­klärt: Das Rah­men­ab­kom­men re­gelt nur Be­rei­che für die fünf Bin­nen­markt­ab­kom­men zwi­schen der Schweiz und der EU: Luft- und Land­ver­kehr, Per­so­nen­frei­zü­gig­keit, tech­ni­sche Han­dels­hemm­nis­se sowie Land­wirt­schaft. Es be­trifft des­halb auch nur staat­li­che Bei­hil­fen, die be­reits heute in die­sen Ab­kom­men drin­ste­hen – und diese las­sen sich nicht auf an­de­re Be­rei­che über­tra­gen. Letz­te­res wäre ein so­ge­nann­ter ho­ri­zon­ta­ler Ef­fekt. Ab­ge­se­hen vom Luft­ver­kehrs­ab­kom­men ent­hält kei­ner der Ver­trä­ge Re­geln zu staat­li­chen Bei­hil­fen. Des­halb ist die Wirt­schafts­för­de­rung der Kan­to­ne wei­ter­hin mög­lich wie ge­habt. Kan­to­ne kön­nen also Kan­to­nal­ban­ken mit Staats­ga­ran­ti­en schüt­zen oder Ge­bäu­de­ver­si­che­run­gen un­ter­stüt­zen. Auch Berg­bah­nen oder Schu­len sind nicht be­trof­fen. Üb­ri­gens gibt es in der EU un­zäh­li­ge Bei­spie­le, wie Mit­glieds­staa­ten wie Deutsch­land oder Ös­ter­reich ihre Lan­des­ban­ken mit Steu­er­gel­dern in Mil­lio­nen­hö­he vor dem Kon­kurs be­wahrt haben.

Üb­ri­gens: Wuss­ten Sie, dass der teu­ers­te Ver­si­che­rungs­fall für Kunst sich in Frank­furt er­eig­ne­te, einem bri­ti­schen Mu­se­um einen Er­wei­te­rungs­bau be­scher­te und zwei ös­ter­rei­chi­sche Me­cha­ni­ker reich mach­te?

1994 stah­len drei Män­ner drei Ge­mäl­de aus der Kunst­hal­le in Frank­furt. Zwei der Bil­der ge­hör­ten dem Lon­do­ner Tate-Mu­se­um, das diese nach Frank­furt aus­ge­lie­hen hatte. Die bei­den Meis­ter­wer­ke von Wil­li­am Tur­ner waren ver­si­chert, ins­ge­samt für 24 Mil­lio­nen Pfund. Da die Er­mitt­lun­gen er­folg­los blie­ben, zahl­ten die Ver­si­che­run­gen den Be­trag aus. Die Tate-Gal­le­ry gab aber nicht auf. Sie zahl­te acht Mil­lio­nen Pfund an die Ver­si­che­run­gen und er­hielt somit das Recht an den Bil­dern, soll­ten diese wie­der­auf­tau­chen. Mit­hil­fe eines An­walts kauf­te das Tate-Mu­se­um in der Folge das eine Bild von einem ver­mut­li­chen Ma­fio­si aus Ju­go­sla­wi­en für 1,7 Mil­lio­nen Pfund, dann zahl­te es zwei Mil­lio­nen Euro an zwei ös­ter­rei­chi­sche Au­to­me­cha­ni­ker, die das zwei­te Bild bei sich in der Werk­statt ge­fun­den hat­ten. An­geb­lich leis­te­te sich das Mu­se­um mit den rund 12 Mil­lio­nen Euro, die von der Ver­si­che­rungs­sum­me übrig blie­ben, einen neuen Er­wei­te­rungs­bau.


FAK­TEN­CHECK RAH­MEN­AB­KOM­MEN

In un­se­rer Som­mer­se­rie «Fak­ten­checks zum Rah­men­ab­kom­men» sind be­reits fol­gen­de Bei­trä­ge er­schie­nen:

1. Uups! 60 Pro­zent des Stimm­vol­kes glatt ver­ges­sen

2. Dür­fen wir nur noch im Som­mer schwim­men?

3. Warum An­ge­la Mer­kel nie Bun­des­rä­tin wer­den kann

4. Wie das Rah­men­ab­kom­men un­se­re Sou­ve­rä­ni­tät stärkt

5. Die Steu­er­ho­heit der Kan­to­ne bleibt ge­wahrt

6. Rah­men­ab­kom­men stärkt Schwei­zer Bil­dungs­sys­tem

7. Lohn­schutz bleibt Sache der So­zi­al­part­ner

9. Warum es falsch ist, die Op­fer­rol­le ein­zu­neh­men

10. Un­se­re Agrar­po­li­tik bleibt ei­gen­stän­dig