Goldige Statistiken in der Europapolitik

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der Anteil aller Schweizer Exporte in den EU-Raum wird an den Gesamtexporten gemessen. Je nach Absender und Betrachtungsweise wird der Exportanteil mit 50 Prozent oder mit 40 Prozent beziffert.
  • Der Unterschied liegt in der goldigen Betrachtung. Gold verzerrt jedoch die Aussagekraft der Exportleistung.
  • Wenn die industrielle Produktionsleistung des Schweizer Wirtschaftsstandorts interessiert, sollten die Goldexporte nicht berücksichtigt werden.

In der Schweizer Europapolitik sind Fakten wichtig, so auch bei den Handelszahlen:

Wie relevant ist der europäische Binnenmarkt für die Exportnation Schweiz? Auf die Fakten heruntergebrochen geht es um den Anteil aller Schweizer Exporte in den EU-Raum gemessen an den Gesamtexporten: Je nach Absender und Betrachtungsweise wird dieser Exportanteil mit 50 Prozent oder mit 40 Prozent beziffert. Dieser signifikante Unterschied mag manchen rätselhaft vorkommen.

Interessanterweise haben – selten in der aktuellen Europadebatte – beide Seiten recht. Warum das so ist? Es geht um Gold, um sehr viel sogar. Die Schweiz gehört zu den weltweit grössten Goldexporteurinnen. Im Jahr 2023 wurden 9013 Tonnen Gold im Wert von 102 Mrd. Franken von der Schweiz ins Ausland geliefert.

Das Rätsel lässt sich somit einfach auflösen: Die Schweizer Güterexporte betrugen im Jahr 2023 274 Mrd. Franken. Davon gingen Güter im Wert von 138 Mrd. Franken in die EU-Mitgliedstaaten. Das ergibt einen Exportanteil von exakt 50 Prozent. Wenn auch die Schweizer Goldexporte sowie die Exporte von Kunstgegenständen (die mit fast 2 Mrd. Franken für die Berechnung der Anteile irrelevant sind) hinzuaddiert werden, dann erreichen die weltweiten Güterexporte der Schweiz 378 Mrd. Franken. Unsere Exporte in den europäischen Markt betragen dann 151 Mrd. Franken mit einem entsprechenden Exportanteil von 40 Prozent.

Gold ist primär eine Vermögensanlage und weist grosse Wertschwankungen auf. Alleine im laufenden Jahr hat sich der Goldpreis in Franken um etwa 30 Prozent erhöht. Was für Finanzinvestoren gleichermassen relevante wie - im Moment - erfreuliche Fakten sind, verzerrt jedoch die Aussagekraft der Exportleistung. Bei starken Ausschlägen des Goldpreises ergeben sich gar Effekte auf die erfasste Gesamtexportleistung. Zum Beispiel verzeichnet die Exportstatistik bei stark steigenden Goldpreisen einen Boom – bei einem Einbruch des Goldpreises umgekehrt eine Rezession. Beides wäre aber eine verzerrte Abbildung der eigentlichen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Wenn aber die industrielle Produktionsleistung des Schweizer Wirtschaftsstandorts interessiert, dann werden Goldexporte nicht berücksichtigt.

Es ist natürlich verständlich, dass die Gegner der Bilateralen III den tieferen Exportanteil von Schweizer Gütern in die EU verwenden. Gold sei Dank. Die „goldige“ Betrachtung führt aber zu einer verzerrten Darstellung der Fakten.

Fakt ist aber auch: Egal welche Betrachtungsweise man einnimmt, die EU ist und bleibt unsere wichtigste Handelspartnerin.