Endlich: EZB scheint der «Forward Guidance» den Rücken zu kehren
Die EZB senkt den Leitzins auf 3,5 Prozent. Dies war erwartet worden. Viel interessanter war die Äusserung der Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) Christine Lagarde: Sie lässt offen, wie es an der Zinsfront weiter geht. Damit scheint die EZB endlich wegzukommen vom Prinzip der «Forward Guidance», welches mitschuldig war, dass die ansteigende Inflation viel zu spät bekämpft wurde.
Die Europäische Zentralbank (EZB) und das Federal Reserve System (FED) hatten in den letzten Jahren eine Politik verfolgt, bei der Hinweise über die künftige Geldpolitik eine wesentliche Rolle zukam: Die Märkte sollten wissen, welche Überlegungen sich die Zentralbanken machen und welche Geldpolitik mittelfristig zu erwarten ist. Nach der Pandemie und dem Einmarsch Russlands ging es aber mit der Inflation steil nach oben und die beiden Zentralbanken verpassten es, rechtzeitig vom Gaspedal wegzugehen, weil sie sich an die vergangene Kommunikation gebunden sahen. Mehr zum Prinzip der «Forward Guidance» findet sich in diesem Blog.
Abkehr vom Schönwetterkonzept
Das Forward Guidance Prinzip scheiterte in der Stresssituation krachend. Interessant war daher an der Pressekonferenz der EZB vom 12. September nicht, dass sie den Leitzins auf 3,5 Prozent senkt. Das war erwartet worden. Zentraler war die folgende Aussage der Präsidentin der EZB Christine Lagarde: "Der EZB-Rat legt sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest." Dies scheint endlich die Abkehr vom Schönwetterkonzept der Forward Guidance zu sein. Die Märkte können sich nicht jetzt schon auf Zinssenkungen beim nächsten EZB-Termin einstellen, sondern müssen selbständig denken. Damit holt sich die EZB endlich wieder den erforderlichen Spielraum zurück. Weil die Welt sich dauernd ändert, muss die Geldpolitik auch mal die Märkte überraschen können und darf sich nicht an vergangene Einschätzungen gebunden fühlen.
Auswirkungen auf die Schweiz
Mit dem Schritt der EZB sollten auch in der Schweiz die Stimmen verstummen, die von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) eine Politikänderung in Richtung Forward Guidance fordern. Wichtiger aber ist: Es ist zu hoffen, dass die EZB künftig die Inflation besser unter Kontrolle behält als in der jüngeren Vergangenheit. Die Schweiz hat ein grosses Interesse an einem stabilen Euro.