Weniger Berufslehren bedeuten höhere Bildungsausgaben
Dank der Berufslehre sparen die Kantone Geld bei den Bildungsausgaben. Weil die Unternehmen die Ausbildung von Jugendlichen auf der Sek-Stufe II zum grossen Teil übernehmen, müssen weniger Schultage finanziert werden. Doch es findet eine schleichende Verdrängung statt: Die allgemeinbildenden Schulen wachsen auf Kosten der Berufslehre. Dies führt zu immer höheren Kosten für den Steuerzahler.
Die Mehrheit der Lernenden auf der Sekundarstufe II absolviert eine berufliche Grundbildung. Allerdings ist der Anteil der Lehrlinge rückläufig. Immer mehr Jugendliche besuchen eine allgemeinbildende Schule, wie ein aktueller Beitrag von economiesuisse zeigt. Diese Entwicklung verteuert die Ausbildung und treibt die Kosten für die Kantone in die Höhe.
Die öffentlichen Ausgaben für eine Schülerin oder einen Schüler in einer allgemeinbildenden Schule sind höher als für einen Lehrling, weil mehr schulischer Unterricht auch mehr Lehrkräfte, Klassenzimmer und Nebenkosten benötigt. Diese Kosten werden grossmehrheitlich von den Kantonen getragen. Bei einer Berufslehre ist der Lernende nur einen Tag pro Woche in der Schule (bzw. bis zu zwei bei der BMS I) und die restliche Zeit im Betrieb. Die Lehrmeisterin ersetzt also für diese Tage die Lehrkraft, das Unternehmen organisiert die Ausbildung und die Werkstatt oder das Büro wird zum Klassenzimmer. Das bedeutet weniger öffentliche und mehr private Finanzierung bei der Ausbildung.
Die Wirtschaft finanziert die Sekundarstufe II mit
Die Firmen tragen bei der Berufslehre einen grossen Teil der Ausbildungskosten und finanzieren so die Sekundarstufe II mit. Sie profitieren auch von der Arbeitsleistung der Auszubildenden. Wie viel die Firmen finanziell beisteuern, lässt sich mit den verfügbaren Daten nicht berechnen. Man kann sich aber die folgende Frage stellen: Wie viel teurer wäre die Sekundarstufe II für den Staat, wenn die Firmen nicht ausbilden würden?
Gemäss BFS beträgt der Unterschied bei den öffentlichen Ausgaben zwischen beruflicher Grundbildung und allgemeinbildenden Schulen im 2019 über 6000 Franken pro Lernende. Hätten 2019 alle Lehrlinge eine allgemeinbildende Schule besucht, wären die öffentlichen Ausgaben knapp 1.4 Milliarden Franken höher ausgefallen. Dieser Betrag ist tendenziell zu hoch, weil das Gymnasium teurer ist als andere allgemeinbildenden Schulen und sich die Lehrlinge mehrheitlich auf letztere verteilen würden. Das Gedankenspiel zeigt aber, dass die Firmen auf der Sekundarstufe II finanziell einen wesentlichen Beitrag leisten.
Höhere Ausgaben und fragwürdiger Nutzen
Seit 2010 haben allgemeinbildende Schulen zugelegt, die Anzahl Lernende in der beruflichen Grundbildung ging zurück. Das heisst für die Finanzierung, dass eine Verschiebung von den Unternehmen zu den Kantonen stattgefunden hat. Wachsen die allgemeinbildenden Schulen, wachsen auch die öffentlichen Bildungsausgaben.
Das Bildungssystem der Schweiz ist ein Erfolgsmodell: Die tiefe Jugendarbeitslosigkeit und die hohe Qualität auf der Tertiärstufe sind das Ergebnis eines guten Mixes auf der Sekundarstufe II aus Berufslehre und Gymnasium, sowie einer hohen Durchlässigkeit dank Zusatzausbildungen. Andere allgemeinbildende Schulen wie die Fachmittelschulen sind als Zulieferer auf bestimmte Berufszweige spezialisiert. Eine stetige Zunahme der allgemeinbildenden Schulen erhöht nicht nur die Kosten für die Allgemeinheit, sondern gefährdet auf lange Sicht das Schweizer Erfolgsmodell.
Serie: Handlungsbedarf im BFI-Bereich