Das «Fieber» steigt: Die Wahlen in Italien beunruhigen die Märkte
Letzten Sonntag hat Italien einen Richtungsentscheid gefällt: Die «Fratelli d’Italia» unter der Führung von Giorgia Meloni haben die Wahlen gewonnen und stellen zusammen mit ihren Partnern die Mehrheit im neuen Parlament. Die Rechtsallianz löst die alte Linksallianz ab. Dieses Resultat sorgt für Aufruhr, auch auf den Finanzmärkten. Das Fieberthermometer steigt: Die Zinsdifferenz zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen wächst. Dies ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Sorge über die Zukunft des Euros wieder ins Bewusstsein gerückt ist.
Wieso eigentlich sorgen sich die Märkte so sehr um die Zukunft Italiens?
Erstens ist die Staatsverschuldung in Italien nicht nur hoch, sie ist in den Corona-Jahren weiter stark angestiegen. Die zusätzlichen Staatsausgaben, welche für die Corona-Bekämpfung aufgewendet wurden, sind über zusätzliche Schulden finanziert. Mittlerweile beträgt die Staatsverschuldung Italiens im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP) etwa 185 Prozent. 2011, beim Ausbruch der Eurokrise, waren es noch etwa 120 Prozent.
Zweitens ist die Wirtschaftsleistung Italiens gemessen am BIP tief. Real liegt Letzteres derzeit immer noch rund fünf Prozent tiefer als 2008. Im Vergleich dazu hat das Schweizer BIP seit der Finanzmarktkrise inflationsbereinigt um fast ein Viertel zugenommen. Die Wachstumsunterschiede zwischen den beiden Ländern belaufen sich also auf rund 30 Prozent.
Drittens ist Italien aber anders als etwa Griechenland für die Euro-Zone «too big to fail». Immerhin handelt es sich um die drittgrösste Volkswirtschaft der EU und der Euro-Zone. Die griechische Wirtschaft ist im Vergleich dazu rund neunmal kleiner. Bei finanziellen Schwierigkeiten könnte Griechenland gerettet werden. Bei einem Zahlungsausfall von Italien stünde die Euro-Zone vor dem Aus.
Und viertens wird befürchtet, dass sich die Rechtsregierung in Italien künftig nach dem Vorbild Ungarns um europäische Werte foutieren und die interne Stabilität der EU schwächen könnte. Nachdem die Regierung Mario Draghis Verlässlichkeit und Vertrauen ausstrahlte, besteht nun eine erhebliche Unsicherheit darüber, wie die Nachfolger in Bezug auf Russlandsanktionen, Immigration oder Rechtsstaatlichkeit politisieren werden. Meloni betonte zwar, dass der Faschismus in ihrer Partei der Geschichte angehöre, aber viele Kommentatoren bezweifeln dies.
Der letzte Grund nun sorgt dafür, dass sich die Märkte wieder Italien zuwenden. Unter früheren Regierungen ist das Land in ein gefährliches Fahrwasser geraten, weil sie nicht in der Lage waren, die Probleme wie die grassierende Korruption, den Einfluss des organisierten Verbrechens, die hohe Staatsverschuldung oder die schlechten Rahmenbedingungen für Unternehmen zu lösen. Wenn nun noch ein Konflikt mit der EU hinzukäme, würde das die Eurozone erschüttern. Die italienische «Fieberkurve» jedenfalls, welche die Differenz zwischen den Renditen von italienischen zu deutschen Staatsanleihen anzeigt, steigt wieder an. Zwar sind die Höchststände der Vergangenheit noch nicht erreicht, doch in den Märkten scheint die Sorge zuzunehmen, dass eine Eurokrise 2.0 bevorstehen könnte.