Inflation: Grosse Unterschiede bei den Preiserhöhungen
Energie, Autos und Haushaltsgeräte: Auch in der Schweiz ziehen die Preise deutlich an. Gemäss den neusten Daten des Bundesamts für Statistik ist die Teuerung im Mai auf durchschnittlich 2,9 Prozent gestiegen. So hoch war die Inflation in der Schweiz schon lange nicht mehr. Doch die jüngste Umfrage von economiesuisse zeigt, dass die Preise nicht breitflächig steigen. Ein erheblicher Teil der Preiserhöhungen ist importiert. Besonders betroffen sind die Maschinenindustrie, der Grosshandel, die chemische Industrie und das Baugewerbe.
In vielen Ländern erreichen die Inflationsraten derzeit Rekordhöhen. In den USA stiegen die Konsumentenpreise im Mai im Vergleich zum Vorjahresmonat um 8,1 Prozent. Auch im Euroraum beträgt die Zunahme über acht Prozent. Und seit gut einem Jahr klettern die Preise in der Schweiz in die Höhe. Im Mai kostete der Warenkorb für den Landesindex der Konsumentenpreise 2,9 Prozent mehr als vor einem Jahr. Das ist hierzulande der höchste Anstieg seit 2008.
Erhebliche Preisspanne
Allerdings fallen die Preisaufschläge je nach Branche und sogar nach Produktkategorie stark unterschiedlich aus. Offensichtlich deutlich zugenommen haben die Energiepreise. Im Vergleich zum Vorjahr ist Benzin beispielsweise ein Viertel teurer geworden – der Heizölpreis ist gar um 80 Prozent gestiegen. Aber auch Elektronikgeräte oder Fahrzeuge kosten heute deutlich mehr als noch vor einem Jahr. Ein Occasionsauto ist heute im Schnitt rund 16 Prozent teurer. Deutlich geringer sind die Preissteigerungen bei anderen Produkten. So sind die Lebensmittelpreise um rund ein Prozent gestiegen. Kleider und Textilien kosten 1,8 Prozent mehr als noch im Mai 2021.
Die Preise werden auch in den kommenden sechs Monaten nicht auf breiter Front steigen. Dies zeigt eine aktuelle Umfrage von economiesuisse. Zwar planen zwei Drittel der befragten Unternehmen aufgrund der anhaltenden Schwierigkeiten beim Bezug von Vorprodukten und den gestiegenen Energiepreisen eine Erhöhung ihrer Verkaufspreise – durchschnittlich um rund sechs Prozent. Doch die geplanten Erhöhungen variieren zwischen Null und 30 Prozent, wobei die Mehrheit der Firmen mit moderaten Preisaufschlägen rechnet, wie die unten stehende Abbildung zeigt.
Nicht alle Branchen gleich betroffen
Angetrieben wird die Inflation hierzulande vor allem von jenen Gütern, die importiert werden müssen. Importprodukte sind im Vergleich zum Vorjahr rund 7,4 Prozent teurer. Bei jenen Gütern, die im Inland produziert werden, beträgt die Teuerung erst 1,5 Prozent. Wenig überraschend ist die Kerninflation, die wechselhafte Komponenten wie Energie und saisonale Produkte ausklammert, in der Schweiz denn auch deutlich tiefer. Sie lag im April gemäss dem Bundesamt für Statistik bei rund 1,9 Prozent.
Auch die Umfrage von economiesuisse bei Schweizer Unternehmen zeigt, dass die Preissteigerungen vor allem bei importabhängigen Branchen zu Buche schlagen. Die unten stehende Grafik veranschaulicht, dass dies sowohl auf den Anteil der Firmen, welche Preiserhöhungen planen, als auch auf die geplanten Preiserhöhungen zutrifft. Besonders betroffen sind einerseits die Industrie (zum Beispiel Maschinen-, Elektro- und Metallhersteller) oder die Chemie. Andererseits steigen aufgrund der teureren Vorprodukte die Preise auch im Baugewerbe und dem Grosshandel – teilweise um über zehn Prozent.
Generell weniger von den Lieferengpässen und höheren Importpreisen betroffen ist zurzeit der Dienstleistungssektor. So spüren etwa Banken oder Versicherungen die höheren Preise für ausländische Güter und Energieträger nur geringfügig. Folglich ist in diesen Branchen auch kein teuerungsbedingter Preisanstieg zu erwarten. Auch in der Gastronomie halten sich die Preisaufschläge in Grenzen: Im Schnitt planen Restaurants und Hotels die Verkaufspreise um etwas mehr als ein Prozent zu erhöhen. Ähnliches gilt für die Lebensmittelindustrie und die Pharmabranche.
Alles in allem bestehen also kaum Anhaltspunkte, die vermuten liessen, dass die Teuerung in der Schweiz hausgemacht wäre. Teurer wurden bisher vor allem importierte Waren. Die Gründe dafür sind vielschichtig, haben aber unter anderem mit einer gestiegenen Nachfrage und anhaltenden Lieferschwierigkeiten zu tun, wie unsere Analyse zeigt. Dass die Preise in der Schweiz trotzdem weniger stark angestiegen sind als im Ausland, hängt mit dem starken Franken zusammen, der Preisaufschläge auf ausländische Produkte mindert.