Finger weg von einem Staatsfonds
- Einleitung Das Wichtigste in Kürze | Position economiesuisse
- Kapitel 1 Die Verführung des billigen Geldes
- Kapitel 2 Staatsfonds im Ausland – Vorbild für die Schweiz?
- Kapitel 3 Warum sich die Nationalbank nicht als Hüterin eines Staatsfonds eignet
- Kapitel 4 Die Illusion der günstigen Verschuldung
- Kapitel 5 Staatsfonds – Wunsch und Wirklichkeit
- Kapitel 6 Fazit: Unabhängige Nationalbank und nachhaltige Finanzpolitik als Königsweg
Die Illusion der günstigen Verschuldung
Die Schweiz gilt weltweit als finanzpolitischer Musterschüler. Besonders dank des viel beachteten und oft kopierten Instruments der Schuldenbremse ist die Staatsverschuldung – im krassen Gegensatz zu den meisten anderen Industriestaaten – in den letzten zehn Jahren markant gesunken. Aktuell beträgt die Schuldenquote der Schweiz moderate ca. 30 Prozent des BIP. Dieser Wert dürfte im Zuge der Corona-Krise deutlich nach oben schnellen. Die grundsätzlich gute Verschuldungsquote ist einerseits ein Grund für die hohe Bonität eidgenössischer Schuldverschreibungen (was neben geldpolitischen Aspekten die tiefe Verzinsung mitbegründet), andererseits scheint er auf den ersten Blick aber auch Raum für eine günstige Erhöhung der (Brutto-)Verschuldung zu bieten, zum Beispiel zugunsten eines renditeorientierten Staatsfonds.
Hierbei handelt es sich jedoch um eine statische Vorstellung der Marktmechanismen. Denn die gute Bonität und die damit verbundenen tiefen Schuldzinsen basieren auf der Erwartung, dass die Schweiz ihren eingeschlagenen finanzpolitischen Weg fortsetzt. Eine starke Erhöhung der Verschuldung – die Grössenordnung eines potenziellen Staatsfonds wird oft mit rund 100 Milliarden Franken angegeben, was die Schuldenquote deutlich ansteigen liesse – würde in Kombination mit den riesigen Schulden der Corona-Krise die Zinsen unweigerlich in die Höhe schnellen lassen. Da die Schuldenbremse umgangen werden müsste, würde die Schweizer Finanzpolitik untergraben. In der Erwartung der Anleger öffnet man einer weiteren Aushebelung der Schuldenbremse damit Tür und Tor.
Der Staat ist kein geeigneter Investor
Nun mag argumentiert werden, dass auch bei einer allfälligen mässigen Erhöhung der Zinskosten diese immer noch relativ tief bleiben und ein Staatsfonds im aktuellen Umfeld trotzdem lukrativ sein kann. Tatsächlich scheint das Ertragspotenzial eines solchen Fonds auf den ersten Blick einiges höher als der potenzielle Schuldendienst. Nur: Dies gilt völlig unabhängig vom Zinsumfeld. Der Grund liegt darin, dass Staatsanleihen durch den Steuerzahler geschützt sind und der Investor folglich bereit ist, einen Abschlag zu akzeptieren. Das durch den Markt gegebene Verhältnis von Ertrag versus Risiko kann durch einen Staatsfonds hingegen nicht ausgehebelt werden. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Steuerzahlers, diese Risiken systematisch und unabhängig von der persönlichen Risikopräferenz anstelle anderer Investoren zu tragen.
Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass ein Staatsfonds für politische Partikularinteressen missbraucht würde. Theoretisch wäre es die Aufgabe des entsprechenden Managements, für die Träger des Risikos, also die Steuerzahler, den maximalen Ertrag zu generieren. Doch in der Praxis – und dies zeigt die aktuelle Diskussion zum Thema – hätten die Investments eines solchen Fonds wohl diversen politischen Ansprüchen Rechnung zu tragen. Die Anlagen des Fonds müssten dann wahlweise sozialverträglich sein, grüne Technologien fördern, Risikokapital zur Verfügung stellen, Innovationen fördern, «zukunftsträchtig» sein, der Schaffung von Lehrstellen dienen … Die Liste liesse sich beliebig verlängern. Die Politik ist allerdings ein schlechter Unternehmer und auch kein guter Ratgeber für Anlageentscheide. Auch würden wohl viele Engagements des Staatsfonds als Investitionen deklariert, obwohl es sich dabei in Tat und Wahrheit um staatlichen Konsum handelt. Entsprechend wäre das Risiko gross, dass der Fonds weniger Ertrag abwirft und höhere Risiken eingeht, als dies ein normaler Investor tun würde – zum Schaden des Steuerzahlers und des Standorts Schweiz.
Ein Staatsfonds hebelt die Schuldenbremse aus
Die Vorstösse zur Schaffung eines Staatsfonds zeigen, dass die Politik auf diesem Weg vor allem an zusätzliche Mittel gelangen will. Damit sollen nicht Investitionen in Wertschriften getätigt, sondern neue Projekte realisiert werden. Wie die Vorstösse auch zeigen, will man mit den Mitteln allerlei Gutes tun. Ein Staatsfonds würde daher dazu führen, dass der staatliche Fussabdruck in der Schweiz stark anstiege. Ein Staatsfonds hätte auch dramatische Konsequenzen für eines der wichtigsten Instrumente der Schweiz, die Schuldenbremse: Jede zusätzliche Mittelaufnahme am Kapitalmarkt stellt neue Schulden des Bundes dar. Ein schuldenfinanzierter Staatsfonds ist daher nicht mit der Schuldenbremse vereinbar.
Franken würde wahrscheinlich gestärkt
Obwohl die Promotoren eines Staatsfonds in Händen des Bundes Renditemöglichkeiten bzw. die günstige Verschuldung in den Vordergrund rücken, rechnen sie, quasi als angenehmer Nebeneffekt, auch mit einer Abschwächung des Frankens. Ob dies tatsächlich zutrifft, hängt von der Beantwortung zweier Fragen ab. Erstens: Werden die neuen Schuldscheine eher von In- oder Ausländern gekauft? Und zweitens: Investiert der Staatsfonds eher im In- oder im Ausland?
Die erste Frage kann nicht abschliessend beantwortet werden, da das Verhalten der verschiedenen Anleger nicht prognostizierbar ist. Die durch einen Staatsfonds entstehende höhere Liquidität im Markt für Schweizer Staatsanleihen spricht aber eher dafür, dass die relative ausländische Nachfrage steigen würde. Kauf und Verkauf von Schweizer Schuldverschreibungen werden durch die höhere Liquidität für Investoren erleichtert – sie können noch einfacher als heute in ein diversifiziertes Portfolio aufgenommen werden. Der Franken würde also eher gestärkt.
Die Beantwortung der zweiten Frage hängt von der Anlagestrategie des potenziellen Staatsfonds ab. Investiert dieser eher im Inland, würde der Franken gestärkt. Legt der Fonds das Geld (sofern dies politisch überhaupt mehrheitsfähig wäre) primär im Ausland an, würde der Franken hingegen geschwächt. Hierzu könnte immerhin argumentiert werden, dass der Bund damit die tiefen Auslandsinvestitionen der Schweizer Anleger kompensieren könnte. Dies impliziert allerdings, die Schweizer seien plötzlich irrationale Investoren geworden – eine unbegründete Unterstellung, würden systematische Renditedifferenzen doch durch den Markt (genauer: durch sogenannte Arbitrageure) sofort aufgehoben. Eine Ausnahme bilden allfällige regulatorische Fesseln für institutionelle Anleger. Mit einer entsprechenden Liberalisierung der Anlagevorschriften könnte der Gesetzgeber hier sinnvoll zu einer Schwächung des Frankens beitragen.