Finger weg von einem Staatsfonds
- Einleitung Das Wichtigste in Kürze | Position economiesuisse
- Kapitel 1 Die Verführung des billigen Geldes
- Kapitel 2 Staatsfonds im Ausland – Vorbild für die Schweiz?
- Kapitel 3 Warum sich die Nationalbank nicht als Hüterin eines Staatsfonds eignet
- Kapitel 4 Die Illusion der günstigen Verschuldung
- Kapitel 5 Staatsfonds – Wunsch und Wirklichkeit
- Kapitel 6 Fazit: Unabhängige Nationalbank und nachhaltige Finanzpolitik als Königsweg
Warum sich die Nationalbank nicht als Hüterin eines Staatsfonds eignet
Insbesondere nach Aufhebung des Mindestwechselkurses durch die SNB wurde immer wieder argumentiert, dessen Verteidigung sei aufgrund der stark angewachsenen buchhalterischen Bilanz schwierig geworden. Eine Verkürzung der Nationalbankbilanz mithilfe eines Staatsfonds könne entlastend wirken und erst noch zusätzlichen Ertrag generieren. Würde die Nationalbank zusätzliche Devisen zugunsten des Staatsfonds aufkaufen, könne auch noch der Franken geschwächt werden.
Ein Staatsfonds würde der Unabhängigkeit der SNB schaden
Klar ist aber, dass es keine Rolle spielt, ob die Reserven der SNB in ihrer buchhalterischen Bilanz direkt ersichtlich sind oder in einen separaten Staatsfonds «ausgelagert» werden. Ein solcher Fonds hätte nämlich einfach eine Schuld gegenüber der Nationalbank, was sich wiederum auf deren Aktivseite zeigen würde – die Bilanz wäre also nicht kürzer. Nebst dem Verkauf der Reserven selbst kann die SNB ihre Bilanz einzig durch die Realisierung von Verlusten (zum Beispiel durch Ausschüttungen) kürzen.
Da ein Staatsfonds bei der Nationalbank über (wie auch immer gestaltete politische) Anlagevorschriften verfügen würde, käme seine Errichtung faktisch einer Einmischung in die Anlagepolitik und damit in die geldpolitische Unabhängigkeit der SNB gleich. Diese verfassungsmässig garantierte Unabhängigkeit ist kein Selbstzweck. Die Nationalbank kann sich an den Finanzmärkten nur dann zugunsten der Preisstabilität und der Abfederung von Währungs- bzw. makroökonomischen Schocks glaubhaft durchsetzen, wenn die Marktteilnehmer überzeugt sind, dass die SNB auch bei unpopulären Massnahmen nicht durch politische Einmischung geschwächt wird. Ein gegenteiliges Zeichen könnte gravierende Konsequenzen für die Handlungsfähigkeit der SNB haben und ihre Reputation und Schlagkraft langfristig schädigen. Die wirtschaftsgeschichtliche Forschung zeigt deutlich auf, dass die Unabhängigkeit der Nationalbank mit Abstand das wichtigste Kriterium ist, wenn es um Preisstabilität geht.
Das Gleiche gilt auch für die Forderung nach strategischen Investitionen durch die SNB. Eine unabhängige Zentralbank darf nicht dominierender Investor eines einzelnen Unternehmens werden oder sich dem Verdacht aussetzen, mit ihren Anlagen andere politische Ziele zu verfolgen, als die Preisstabilität aufrechtzuerhalten. Nur eine breite Diversifikation garantiert, dass die SNB entsprechend ihrem Mandat als unabhängiger, gegenüber dem Markt neutraler und ausschliesslich den geldpolitischen Zielen verpflichteter Akteur wahrgenommen wird. Auch wenn dies nur subsidiär eine Rolle spielt, verspricht eine breite Anlagestrategie darüber hinaus, langfristig den höchsten Ertrag zu generieren.
Generierung von Gewinn ist nicht die primäre Aufgabe der SNB
Aktuell liegt der Aktienanteil der Devisenbestände der Schweizerischen Nationalbank bei rund 20 Prozent, wohingegen 69 Prozent in Staatsanleihen investiert sind. Dieses Verhältnis von relativ tiefem Aktienanteil und vielen Staatsanleihen, zusammen mit der passiven Anlagestrategie (das heisst, es werden im Portfolio einfach Aktienindizes abgebildet) der SNB, dürfte einer der Gründe sein, weshalb der Ruf nach einem Staatsfonds gebildet aus den Devisenreserven der Nationalbank grosse Sympathien geniesst.
Allerdings ist der Verkauf von Aktiven ein wichtiges geldpolitisches Instrument, um Liquidität aus dem Marktsystem abführen zu können. Dies ist Teil der stabilitätsorientierten Politik der SNB gemäss ihrem gesetzlichen Auftrag. Die Generierung von Gewinn ist hingegen höchstens ein positiver Nebeneffekt, der nur eine untergeordnete Rolle spielen kann. Entsprechend müssen Devisenreserven, soweit geldpolitisch angezeigt, möglichst rasch veräussert werden können. Staatsanleihen verfügen im Vergleich zu Aktien über eine hohe Liquidierbarkeit, dies bedeutet, dass man für sie relativ problemlos einen Käufer findet. Auch sind sie Wertschwankungen weniger stark unterworfen (wie Obligationen im Allgemeinen), was die Kontrolle der Geldmenge vereinfacht. Oft wird in diesem Zusammenhang argumentiert, dass die Nationalbank die Geldmenge nötigenfalls auch durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen (sogenannte SNB-Bills) reduzieren könne. Das ist zwar korrekt, wäre aber eine risikoreiche Strategie. Deren Ausgabe ist nämlich mit Kosten verbunden – die SNB bezahlt auf diese SNB-Bills Zinsen, die sie selbst beeinflusst. Dies könnte geldpolitischen Zielen entgegenlaufen. Davon abgesehen können diese Kosten allfällige Zusatzerträge, zum Beispiel aus einem erhöhten Aktienanteil, rasch übertreffen.
Ist die Anlagestrategie der SNB tatsächlich so schlecht?
Natürlich kann man auch unter Berücksichtigung des Primats der stabilitätsorientierten Zentralbankpolitik über Anlagestrategien diskutieren. Doch selbst wenn die Renditeerzielung kein primäres Ziel der SNB darstellt, gibt es auch aus dieser Optik gute Gründe für ihre derzeitige Investitionsstrategie. So lässt sich der auf den ersten Blick tiefe Aktienanteil aus Sicht der Portfoliotheorie stark relativieren. Der Grund liegt darin, dass der Schweizer Franken für Anleger als sicherer Hafen gilt. Diese Eigenschaft ist mit ein Grund für seine aktuelle Stärke. Sie impliziert, dass der Wechselkurs aus Sicht eines Schweizer Anlegers (wie auch die SNB einer ist) prozyklisch mit den ausländischen Aktienmärkten interagiert. Ein Wertverfall der ausländischen Währung (Aufwertung des Frankens) ist mit einer Reduktion der ausländischen Aktienwerte verbunden. Mit anderen Worten ist es oft der Fall, dass ein Sinken der Aktienwerte an europäischen Börsen mit einer Abwertung des Euro relativ zum Franken einhergeht. Ein Schweizer Besitzer europäischer Aktien erleidet in so einem Fall einen doppelten Verlust: Einerseits sinkt der Wert seiner Anlagen in Euro, andererseits würde er bei einem Verkauf auch weniger Franken dafür erhalten. Ein Teil des Diversifikationspotenzials von Aktienanlagen wird damit geschmälert. Es ergibt also durchaus Sinn, bei rein ausländischen Anlagen den Aktienanteil relativ tief und den Anteil an Investments in Staatsanleihen relativ hoch zu halten (diese reagieren in der Bewertung nämlich antizyklisch), wie dies die SNB macht.
Die Notenpresse kann keine Werte schaffen
Eine Verschiebung der Devisenbestände in einen Staatsfonds hätte notabene keinen Einfluss auf den Wechselkurs des Schweizer Frankens, denn die sind bereits heute im Ausland angelegt. Unabhängig von der Investitionsstrategie müsste die SNB Devisen aufkaufen (auch wenn diese dann in den Fonds überführt würden), um den Franken zu schwächen.
Davon abgesehen, dass der Kauf von Devisen eine geldpolitische Entscheidung in alleiniger Kompetenz der SNB darstellt, gilt es, eine weitverbreitete Fehleinschätzung zur Konsequenz von Devisenmarktinterventionen durch die Nationalbank zu korrigieren. Die Sicht, dass durch den Aufkauf von Fremdwährungen quasi ein reales Vermögen aufgebaut werden kann (bei gleichzeitiger Schwächung des Frankens), unterliegt einem fundamentalen Irrtum über die Funktionsweise von Papiergeldwährungen. Die SNB kann nur nominale Anlagen erwerben, diese werden aber durch die bisherigen Inhaber von nominalen Schweizer-Franken-Guthaben beglichen. Im Unterschied zu einem norwegischen Fonds, der mit realen Werten wie geologischen Rohstoffen unterlegt ist, kann die SNB nicht aus dem Nichts Sachwerte schaffen. Das Drucken von Banknoten verlängert lediglich die Bilanz. Mit dem Devisenkauf steigen zwar auf der Aktivseite der Nationalbank die Devisenbestände, gleichzeitig aber erhöht sich die Passivseite und damit die Verbindlichkeiten der SNB. Der Devisenkauf erhöht das Eigenkapitel der Notenbank nicht!
Längerfristig kann das Drucken von Banknoten zudem den Wert einer einzelnen Note reduzieren. So kann Inflation entstehen – der nominale Betrag, der für ein bestimmtes Gut bezahlt werden muss, steigt. Damit werden die Sparer belastet. Bisher kam es zwar nicht zu einer Inflation in Form steigender Konsumentenpreise. Aber dennoch wurden die Sparer durch Inflation besteuert: Die Preise von Vermögenswerten stiegen stark an. Aus Sicht eines potenziellen Anlegers ist diese Art der Inflation genauso entscheidend. Schliesslich behält eine alte ökonomische Erkenntnis ihre Gültigkeit: Durch das Drucken von Geld aus dem Nichts können keine realen Werte geschaffen werden.