Brexit Zeit tickt

EU–UK: Die Zeit wird immer knap­per

«Lang­sa­mer Fort­schritt», so der Zwi­schen­stand bei den Ver­hand­lun­gen zwi­schen Gross­bri­tan­ni­en und der EU. Was be­deu­ten die Ent­schlüs­se des heu­ti­gen EU-Rats­gip­fels für Schwei­zer Un­ter­neh­men? Die drei wich­tigs­ten Fra­gen und Ant­wor­ten.

Am 28. und 29. Juni haben die Staats- und Re­gie­rungs­chefs der 28 EU-Mit­glieds­staa­ten in Brüs­sel ge­tagt, um über die wich­tigs­ten Fra­gen in der EU-Po­li­tik zu ent­schei­den. Die Schwei­zer Wirt­schaft war ins­be­son­de­re auf einen Punkt ge­spannt: die Hal­tung der Union zu den Brex­it-Ver­hand­lun­gen.

Wie sieht die Aus­gangs­la­ge für Schwei­zer Un­ter­neh­men aus?

Gross­bri­tan­ni­en tritt am 29. März nächs­tes Jahr aus der EU aus. Das heisst für Schwei­zer Un­ter­neh­men, dass die bi­la­te­ra­len Ver­trä­ge mit der EU für den Han­del mit UK dann nicht mehr gül­tig sind. Die Schweiz ver­sucht, bis dahin mög­lichst viele Ab­kom­men ab­zu­schlies­sen, die den Han­del nicht kom­pli­zier­ter ma­chen.

Viele Be­stim­mun­gen sind aber davon ab­hän­gig, was die EU und Gross­bri­tan­ni­en aus­han­deln. Wich­tig war des­halb der letz­te EU-Rats­gip­fel im März. In wich­ti­gen Fra­gen zum Aus­tritt wur­den da­mals Fort­schrit­te er­zielt. Bei­spiels­wei­se wurde ent­schie­den, dass nach dem 29. März 2019 bis Ende 2020 eine Über­gangs­zeit gel­ten soll, in der die bis­he­ri­gen Be­stim­mun­gen für Han­del, Si­cher­heit, Mi­gra­ti­on usw. bei­be­hal­ten wer­den. Das gäbe den EU-, den bri­ti­schen, aber auch den Schwei­zer Un­ter­neh­men mehr Zeit, sich auf die neue Si­tua­ti­on ein­zu­stel­len.

Eine wich­ti­ge Frage blieb da­mals offen: jene zur iri­schen Gren­ze. UK hat sich zum Prin­zip «no hard bor­ders» (keine har­ten Gren­zen) be­kannt – so­wohl in der Iri­schen See als auch auf der iri­schen Insel. Gleich­zei­tig wol­len die Brex­i­teers aber auf kei­nen Fall im EU-Bin­nen­markt blei­ben, weder Per­so­nen­frei­zü­gig­keit haben noch unter der Ge­richts­bar­keit des Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hofs ste­hen. Die Über­gangs­pha­se ist nur ge­si­chert, wenn die­ses Di­lem­ma ge­löst wer­den kann.

Was wurde heute ent­schie­den?

Mi­chel Bar­nier, Chef-Ver­hand­ler der EU, ver­kün­de­te am Frei­tag­mor­gen, dass es in den Ver­hand­lun­gen Fort­schrit­te gäbe, al­ler­dings nur «lang­sa­me». Ins­be­son­de­re be­züg­lich der iri­schen Gren­ze seien diese un­ge­nü­gend. Es be­stün­den nach wie vor gros­se Dif­fe­ren­zen und er er­war­te, dass die bri­ti­sche Re­gie­rung in den nächs­ten Tagen einen «prak­ti­ka­blen und rea­lis­ti­schen Vor­schlag» prä­sen­tie­re. Damit sagte er in­di­rekt, dass die EU ein bin­nen­markt­ar­ti­ges Ar­ran­ge­ment, das nur Güter be­trifft, nicht ak­zep­tie­ren wird – ein Vor­schlag, den die bri­ti­sche Re­gie­rung in den letz­ten Tagen auf­brach­te. In an­de­ren Wor­ten: Ro­si­nen­pi­cken ist nicht er­laubt.

Die An­spra­che Bar­niers und die Ent­schlüs­se des EU-Rats hal­ten gleich­zei­tig die Mög­lich­keit offen, dass die EU ihr An­ge­bot ver­bes­sern könn­te, wenn Gross­bri­tan­ni­en ei­ni­ge rote Li­ni­en fal­len lässt – ins­be­son­de­re jene be­züg­lich der künf­ti­gen Rolle des Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hofs. Nichts­des­to­trotz müss­te sich die EU für einen ab­rup­ten «no deal»-Brex­it wapp­nen – ohne An­schluss­ab­kom­men.

Was be­deu­ten die jüngs­ten Er­eig­nis­se für die Schwei­zer Wirt­schaft?

Die Zeit läuft. Die EU und Gross­bri­tan­ni­en haben es ver­passt, sich bis heute nä­her­zu­kom­men. Auch Schwei­zer Un­ter­neh­men schwe­ben des­halb wei­ter­hin in Un­si­cher­heit, wie die zu­künf­ti­gen Rah­men­be­din­gun­gen für den Han­del mit Gross­bri­tan­ni­en aus­se­hen wer­den. Sie müs­sen wei­ter ab­war­ten und auf eine bal­di­ge Klä­rung hof­fen. Al­ler­dings sind sich alle Sei­ten be­wusst, wie viel Scha­den ein ab­rup­ter Aus­tritt Gross­bri­tan­ni­ens im März 2019 ver­ur­sa­chen würde. Bar­nier sagte denn auch, er sei nach wie vor zu­ver­sicht­lich be­züg­lich einer Ei­ni­gung. Die heu­ti­ge Ver­laut­ba­rung kann vor allem als Auf­for­de­rung an UK ge­le­sen wer­den, sich auf die EU zu­zu­be­we­gen.

Nächs­ter in­ter­es­san­ter Zeit­punkt ist kom­men­den Frei­tag, wenn sich das bri­ti­sche Ka­bi­nett trifft, um über seine Brex­it-Stra­te­gie zu be­ra­ten. Bis zum nächs­ten EU-Rats­gip­fel im Ok­to­ber muss eine Aus­tritts­ver­ein­ba­rung vor­lie­gen. An­sons­ten blie­be den EU-Mit­glieds­staa­ten und dem bri­ti­schen Par­la­ment nicht ge­nü­gend Zeit, um diese zu ra­ti­fi­zie­ren.

Lesen Sie unser ak­tu­el­les Dos­sier­po­li­tik zum Brex­it und den Her­aus­for­de­run­gen für die Schwei­zer Wirt­schaft. Für Un­ter­neh­men mit kon­kre­ten Fra­gen hat eco­no­mie­su­is­se zudem eine zen­tra­le An­lauf­stel­le ge­schaf­fen: brex­it@​eco​nomi​esui​sse.​ch.