Un­ter­neh­mens-Ver­ant­wor­tungs-In­itia­ti­ve: Keine Ex­pe­ri­men­te in der Krise

In der Som­mer­ses­si­on wird das Par­la­ment die Be­hand­lung der Un­ter­neh­mens-Ver­ant­wor­tungs-In­itia­ti­ve (UVI) ab­schlies­sen. Ihre Um­set­zung würde die Schweiz gleich in meh­re­ren Be­rei­chen ins Ab­seits stel­len. Wir wür­den eine welt­weit bei­spiel­lo­se Haf­tung für das Ver­hal­ten von Drit­ten im Aus­land für alle Schwei­zer Un­ter­neh­men in un­se­re Ver­fas­sung schrei­ben und die Un­ter­neh­men zu weit­ge­hen­den Kon­trol­len ihrer Lie­fer­ket­ten mit rie­si­gem bü­ro­kra­ti­schem Auf­wand zwin­gen. Schwei­zer Recht und Schwei­zer Ge­rich­te müss­ten auch über Sach­ver­hal­te im Aus­land und über aus­län­di­sche Par­tei­en rich­ten. Der Zeit­punkt für ein sol­ches Vor­ha­ben könn­te schlech­ter nicht sein. Die Co­ro­na-Krise hat un­se­re Un­ter­neh­men durch­ge­schüt­telt – uns allen steht eine tiefe Re­zes­si­on bevor. Die Un­ter­neh­men sind nun mehr denn je auf gute Rah­men­be­din­gun­gen an­ge­wie­sen. Für Ex­pe­ri­men­te und welt­weit ein­zig­ar­ti­ge, un­kon­trol­lier­ba­re Aben­teu­er mit un­vor­her­seh­ba­ren Kon­se­quen­zen ist jetzt der fal­sche Zeit­punkt.

Die letz­ten zwei­ein­halb Mo­na­te haben unser Land auf den Kopf ge­stellt. Fast die ge­sam­te Wirt­schaft und damit auch Tau­sen­de Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer wur­den auf­grund der Covid-19-Pan­de­mie vor gros­se Un­si­cher­hei­ten ge­stellt. Die Fol­gen der Pan­de­mie wer­den uns alle noch lange be­schäf­ti­gen. Darum ist es jetzt wich­tig, den Fokus für die Zu­kunft drin­gend rich­tig zu set­zen. Die Un­ter­neh­men müs­sen, um zu über­le­ben und wei­ter­hin Ar­beits­plät­ze zur Ver­fü­gung zu stel­len, auf gute Rah­men­be­din­gun­gen zäh­len kön­nen. Es ist jetzt schlicht kein Platz für zwar gut ge­mein­te, aber un­taug­li­che Re­gu­lie­run­gen, wie sie die UVI for­dert. Mit die­ser In­itia­ti­ve haf­ten un­se­re Un­ter­neh­men für die Ver­let­zung von Men­schen­rech­ten und Um­welt­stan­dards sogar von Lie­fe­ran­ten, selbst wenn sie kein Ver­schul­den trifft. Dabei gilt die Be­weis­last­um­kehr: Alle Un­ter­neh­men müs­sen die stän­di­ge Über­prü­fung aller Ab­läu­fe nach­wei­sen, um sich aus die­ser Haf­tung für Drit­te zu be­frei­en.

Die UVI be­las­tet un­se­re Un­ter­neh­men mit­ten in der Krise.

Die Kon­se­quen­zen die­ser weit­ge­hen­den Haf­tung sind klar: Ein rie­si­ger Kon­trol­lap­pa­rat und viel Bü­ro­kra­tie, ins­be­son­de­re für KMU. Hinzu kommt eine rie­si­ge Un­si­cher­heit: Reicht als Sorg­falts­nach­weis ein be­stimm­tes Zer­ti­fi­kat? Oder braucht es Über­prü­fun­gen vor Ort? Wie oft muss dies ge­sche­hen? Sind Vi­deo­über­wa­chun­gen not­wen­dig? Das ist letzt­lich auch schäd­lich für die Men­schen in den Ent­wick­lungs­län­dern. Schwei­zer In­ves­to­ren wür­den sich aus die­sen Län­dern zu­rück­zie­hen, In­ves­ti­tio­nen aus der Schweiz blei­ben aus. An ihre Stel­le trä­ten In­ves­to­ren aus an­de­ren Län­dern, die Schwei­zer Wer­ten we­ni­ger Be­ach­tung schen­ken. Eine An­nah­me der UVI würde somit die be­reits heute durch die Re­zes­si­on mas­siv ge­for­der­ten Un­ter­neh­men noch mehr be­las­ten und in den Ent­wick­lungs­län­dern kon­tra­pro­duk­tiv wir­ken. Die In­itia­ti­ve hin­ter­lässt somit nur Ver­lie­rer, im In­land sowie im Aus­land. 

Wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung ist die beste Ar­muts­be­kämp­fung.

Die Co­ro­na-Krise zeigt, wie wich­tig die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung ge­ra­de für die Ärms­ten ist. In den letz­ten Jah­ren hat der An­teil der Ärms­ten, die mit unter zwei US-Dol­lar pro Tag aus­kom­men müs­sen, deut­lich ab­ge­nom­men. Nun wird er wohl lei­der wie­der co­ro­na-be­dingt an­stei­gen. Schwei­zer Un­ter­neh­men tra­gen nun mit ihrem En­ga­ge­ment im Aus­land dazu bei, dass die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung auch in är­me­ren Län­dern bald wie­der in Gang kommt. 

Die UNO nimmt darum mit der Agen­da 2030 die Un­ter­neh­men in die Pflicht. Das ist gut so, denn wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung braucht ethi­sche und öko­lo­gi­sche Leit­plan­ken. Men­schen­rech­te müs­sen im Zu­sam­men­hang mit un­ter­neh­me­ri­scher Tä­tig­keit ge­wahrt sein und das Wirt­schaf­ten muss welt­weit öko­lo­gisch nach­hal­ti­ger wer­den.

Schwei­zer Un­ter­neh­men tra­gen zur Ent­wick­lung im Aus­land bei, dar­auf dür­fen wir stolz sein.

Ge­ra­de Schwei­zer Un­ter­neh­men sind bei der In­te­gra­ti­on der UNO-Prin­zi­pi­en in ihre täg­li­chen Ver­hal­tens­wei­sen sehr weit fort­ge­schrit­ten und sind welt­weit gern ge­se­he­ne In­ves­to­ren. Das gilt so­wohl für un­se­re gros­sen Phar­ma­fir­men als auch für die In­dus­trie. Bei Swiss­Re be­stimmt die Nach­hal­tig­keit die Ein­schät­zung von Kun­den­ri­si­ken und die An­la­ge­po­li­tik. Nestlé en­ga­giert sich gegen Ab­hol­zung. ABB und Büh­ler be­trei­ben in In­di­en Lehr­lings­aus­bil­dung nach Schwei­zer Mus­ter. Doch es sind nicht nur die Kon­zer­ne, son­dern auch viele KMU, die durch sorg­fäl­ti­ge Ge­schäfts­po­li­tik und so­zia­les En­ga­ge­ment Zei­chen set­zen. So un­ter­stützt die Con­fi­se­rie Bach­mann in der El­fen­bein­küs­te eine Schu­le. Wir haben die ge­leb­te Ver­ant­wor­tung von Schwei­zer Un­ter­neh­men auf der Web­site www.​ver​antw​ortu​ng-​leben.​ch mit Bei­spie­len do­ku­men­tiert. Es darf nicht sein, dass nur auf­ge­bausch­te «Ne­ga­tivsto­ries» die öf­fent­li­che Dis­kus­si­on be­herr­schen. Auf das, was Schwei­zer Un­ter­neh­men für Ent­wick­lung und Fort­schritt bei­tra­gen, dür­fen wir stolz sein. 

Die In­itia­ti­ve schürt Miss­trau­en.

Ge­leb­te und im Un­ter­neh­men ver­wur­zel­te Ver­ant­wor­tung ist zwei­fel­los am wirk­sams­ten. Die Un­ter­neh­mens-Ver­ant­wor­tungs-In­itia­ti­ve setzt an einem ganz an­de­ren Punkt an. Hin­ter der In­itia­ti­ve steckt die Über­zeu­gung, dass sich Un­ter­neh­men nur durch staat­li­che Zwän­ge ethisch rich­tig ver­hal­ten. Dies wi­der­spricht fun­da­men­tal allen Er­fah­run­gen, die ich per­sön­lich im Kon­takt mit Nie­der­las­sun­gen von Schwei­zer Un­ter­neh­men im Aus­land ma­chen durf­te. Das Miss­trau­en wird mit der In­itia­ti­ve in ein sehr enges recht­li­ches Kor­sett ge­gos­sen. Es geht nicht ein­fach um eine Selbst­ver­ständ­lich­keit – wie die Ein­hal­tung der Men­schen­rech­te und die Be­rück­sich­ti­gung des Um­welt­schut­zes –, wie die In­iti­an­ten ver­harm­lo­send sagen. Viel­mehr geht es um einen ge­fähr­li­chen Aus­bau der Haf­tung mit Ein­füh­rung einer Be­weis­last­um­kehr, die es so auf der gan­zen Welt nir­gend­wo gibt. Mit einem Schlag würde der Stand­ort Schweiz ge­gen­über dem Aus­land deut­lich be­nach­tei­ligt. Das sagt der Bun­des­rat in der Bot­schaft zur In­itia­ti­ve un­miss­ver­ständ­lich. 

Der Ge­gen­vor­schlag des Na­tio­nal­rats geht zu weit.

Der Na­tio­nal­rat hat zwar ver­sucht, die Me­cha­nik der In­itia­ti­ve in einen etwas ab­ge­mil­der­ten Ge­gen­vor­schlag zu über­füh­ren. Doch die Pro­ble­ma­tik bleibt be­ste­hen. Eine In­itia­ti­ve, die sich nicht an in­ter­na­tio­na­le Stan­dards hält, ist auch in Ge­set­zes­form ge­fähr­lich für Schwei­zer Un­ter­neh­men. Wie die In­itia­ti­ve öff­net der Ge­gen­vor­schlag des Na­tio­nal­rats Tür und Tor für Kla­gen gegen Schwei­zer Fir­men. Er ist in­ter­na­tio­nal nicht ab­ge­stimmt und somit letzt­lich eine schäd­li­che Son­der­lö­sung. Ge­ra­de NGOs und kirch­li­che Krei­se müs­sen sich selbst­kri­tisch den Spie­gel vor­hal­ten. Oft kön­nen sie selbst die ge­for­der­ten Stan­dards bei sich und in ihrer Lie­fer­ket­te nicht ein­hal­ten. 

Der Bun­des­rat hat dar­auf­hin den An­stoss für einen Ge­gen­vor­schlag ge­ge­ben, der sich an der CSR-Richt­li­nie der EU ori­en­tiert. Der Stän­de­rat hat die­ses Bun­des­rats­kon­zept ver­schärft und um sehr weit­ge­hen­de Sorg­falts­pflich­ten im Be­reich von Kin­der­ar­beit und Kon­flikt­mi­ne­ra­li­en er­gänzt. Der Vor­schlag schafft mehr Ver­bind­lich­keit und for­dert Schwei­zer Un­ter­neh­men bei zen­tra­len As­pek­ten der Un­ter­neh­mens­ver­ant­wor­tung sehr viel ab. So ver­langt er bei­spiels­wei­se, dass die Un­ter­neh­men ihre Lie­fer­ket­te frei von Kin­der­ar­beit hal­ten. Das tönt zwar selbst­ver­ständ­lich, be­dingt in der Pra­xis je­doch eine mi­nu­tiö­se Rück­ver­folg­bar­keit beim Ein­kauf. Der Ge­gen­vor­schlag des Stän­de­rats stellt darum kei­nes­wegs einen zahn­lo­sen Pa­pier­ti­ger dar. Im Ge­gen­teil: Die lü­cken­lo­se Do­ku­men­ta­ti­on der Lie­fer­ket­te ist eine Knack­nuss für Un­ter­neh­men. Doch die Wirt­schaft könn­te die­sen Kom­pro­miss­vor­schlag der Po­li­tik ak­zep­tie­ren, weil er auf be­kann­ten In­stru­men­ten be­ruht und in­ter­na­tio­nal ab­ge­stimmt ist. 

Die Wirt­schaft wird die In­itia­ti­ve ent­schie­den be­kämp­fen.

Mit oder ohne Ge­gen­vor­schlag: Die Wirt­schaft wird die ex­tre­me Volks­in­itia­ti­ve ent­schie­den be­kämp­fen. Die In­itia­ti­ve nimmt zwar ein wich­ti­ges An­lie­gen auf, schiesst aber mas­siv über das Ziel hin­aus. Die In­itia­ti­ve ist für die Schwei­zer Un­ter­neh­men, ihre Mit­ar­bei­ten­den und den Werk­platz sehr ge­fähr­lich. Sie will nicht um­setz­ba­re Kon­troll­pflich­ten für Lie­fe­ran­ten ein­füh­ren und kom­bi­niert diese mit einem mas­si­ven, welt­weit ein­ma­li­gen Aus­bau der Kla­ge­mög­lich­kei­ten. Schwei­zer Fir­men sind durch die In­itia­ti­ve ge­zwun­gen, einen bü­ro­kra­ti­schen Über­wa­chungs­ap­pa­rat auf­zu­bau­en. Alle Fir­men, auch die KMU, ge­ra­ten in den Sog der In­itia­ti­ve, weil jedes Un­ter­neh­men die neuen Auf­la­gen und Haf­tungs­ri­si­ken per Ver­trag an seine Lie­fe­ran­ten wei­ter­ge­ben wird. Aus heu­ti­gen Lie­fe­ran­ten­ver­trä­gen wer­den Kne­bel­ver­trä­ge. Ge­wer­be und In­dus­trie droht ein ju­ris­ti­sches Schwar­zer Peter-Spiel, das nichts bringt aus­ser mehr Bü­ro­kra­tie, mehr Über­wa­chung, mehr Ein­mi­schung und ein grös­se­res Haf­tungs­ri­si­ko – ge­ra­de für KMU. Be­reits ohne die Fol­gen der Co­ro­na-Pan­de­mie wären die For­de­run­gen der In­iti­an­ten das fal­sche Re­zept für un­se­ren Wirt­schafts­stand­ort – an­ge­sichts einer Re­zes­si­on und stark stei­gen­der Ar­beits­lo­sen­zah­len muss die­sem Ex­pe­ri­ment aber de­fi­ni­tiv eine Ab­fuhr er­teilt wer­den.