Grosse Herausforderungen für den Standort Schweiz
Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse warnt davor, der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft mit umfangreichen Regulierungen begegnen zu wollen. Zwar sei diese tief greifende Transformation für die Unternehmen und für die gesamte Gesellschaft eine grosse Herausforderung, betonte Präsident Heinz Karrer an der Jahresmedienkonferenz heute in Bern. Vor allem aber biete sie grosse Chancen, die man sich nicht zum vornherein verbauen dürfe.
2017 wird sich economiesuisse weiter intensiv mit den Chancen und Folgen der Digitalisierung auseinandersetzen. Diese Transformation betreffe alle und alles, so Karrer. «Dabei ist die Frage, ob wir diesen Wandel als gut oder schlecht erachten, nicht entscheidend – er wird stattfinden.» Leider neige die Politik dazu, auf solche herausfordernden Situationen mit einem reflexartigen Ruf nach neuen gesetzlichen Regelungen zu antworten. Weitere Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit wären aber nur dann zu rechtfertigen, wenn sie verhältnismässig und ohne bessere Alternative sind. «Die Politik hilft Wirtschaft und Gesellschaft nicht, wenn sie unser Land durch protektionistische, wettbewerbsfeindliche oder innovationshemmende Regulierung abschottet», machte Karrer deutlich. Diese Erkenntnis zähle zu den grundlegenden Erfolgsfaktoren der Schweiz, und sie gelte in besonderem Mass auch für die digitale Wirtschaft.
Keine vorschnelle neue Regulierung
Als Beispiel für eine schädliche neue Regulierung führte Karrer die Idee an, mit der Revision des Spielbankengesetzes Internetsperren einzuführen, um den Zugriff auf ausländische Onlinespiele zu beschränken. Ein solcher Schritt schaffe ein gefährliches Präjudiz, auf das sich später auch andere Branchen berufen könnten. Für eine vorschnelle neue Regulierung bestehe kein Anlass, denn die bestehende Gesetzgebung tauge bei richtiger Anwendung durchaus auch in der digitalen Welt. Im Taxigewerbe zum Beispiel hält man es für sinnvoll, überholte Spezialvorschriften wie obligatorische Ortskundeprüfung oder spezifische Arbeitszeitenregelung über Bord zu werfen und stattdessen alle Arten von Fahrdiensten dem bestehenden Arbeits- und Obligationenrecht zu unterstellen.
Mit der Steuerreform den Forschungsstandort stärken
Vorerst richtet economiesuisse den Fokus jedoch auf die Unternehmenssteuerreform III. Knapp zwei Wochen vor der Referendumsabstimmung fehlt noch immer eine glaubwürdige Perspektive, welchen Weg die Schweiz nach einem Nein einschlagen könnte. In Bern wies Direktorin Monika Rühl vor den Medien mit aller Deutlichkeit darauf hin, dass der Status quo bei der Unternehmensbesteuerung nicht zu halten sei. Ohne Reform habe man in Kürze ein Steuersystem, das international nicht mehr akzeptiert werde. «Das können wir uns nicht leisten.» Gemäss Rühl ist die Steuerreform eine intelligente Antwort auf diese Herausforderung, denn sie greift auf international bewährte Instrumente zurück und stärkt den Forschungsstandort.
economiesuisse rechnet damit, dass sich nach dem Regierungswechsel in Washington und mit dem Brexit der internationale Steuerwettbewerb weiter verschärft. Sowohl die USA als auch Grossbritannien könnten versuchen, allfällige Standortnachteile mittels tieferer Steuersätze auszugleichen. Deshalb müsse die Schweiz die Frage nach ihrer künftigen Steuerpolitik nun dringend klären. Der Einschätzung des Referendumskomitees, dass nach einem Nein rasch eine neue Vorlage gezimmert werden könnte, erteilt economiesuisse-Präsident Heinz Karrer eine klare Absage. Der Spielraum sei sowohl inhaltlich als auch zeitlich eng begrenzt.
Für eine konstruktive Europapolitik
Von den weiteren politischen Baustellen, die den Wirtschaftsverband 2017 beschäftigen werden, strich Rühl insbesondere die Europapolitik heraus. Konkret werde sich economiesuisse weiterhin für eine konstruktive und erfolgreiche Zusammenarbeit mit den europäischen Nachbarländern engagieren. Weitere wichtige Geschäfte stehen mit der Reform der Altersvorsorge und der Vollgeld-Initiative an. Letztere ist gemäss Rühl ein Hochrisikoexperiment mit unabsehbaren Folgen, auf das sich die Schweiz nicht einlassen sollte. Schliesslich erwähnte Rühl auch die Landwirtschaft: Die Errungenschaften der Agrarpolitik 2014/17, mit der die reine Produktionsförderung in den Hintergrund getreten ist, stehen zunehmend unter Druck: Ansinnen, die auf mehr Protektionismus oder neue Subventionen abzielten, seien abzulehnen.