Luftmessgerät

Co­ro­na: Ri­si­ken mi­ni­mie­ren statt Bran­chen schlies­sen

Pan­de­mie­be­ding­te Ein­schrän­kun­gen des wirt­schaft­li­chen und ge­sell­schaft­li­chen Le­bens müss­ten zu­künf­tig zu­erst dort er­fol­gen, wo das An­ste­ckungs­ri­si­ko mit dem Co­ro­na-Virus am höchs­ten ist. Für In­nen­be­rei­che be­deu­tet dies, dass Be­trie­be mit nach­weis­lich guter Luft­qua­li­tät auch bei stei­gen­den Fall­zah­len nicht ge­schlos­sen wer­den müs­sen – egal in wel­cher Bran­che. Die Re­stau­rant­ket­te ti­bits zum Bei­spiel misst die Luft­qua­li­tät be­reits heute prä­ven­tiv und sam­melt so wert­vol­le Daten und Er­fah­run­gen.

Kön­nen wir uns zu­rück­leh­nen, weil die Co­ro­na-Pan­de­mie vor­bei ist und wir schon bald wie­der alle Frei­hei­ten ge­nies­sen kön­nen, jetzt da immer mehr Leute ge­impft sind und ein Covid-Zer­ti­fi­kat be­sit­zen?

Lei­der nein. Wir müs­sen uns wei­ter­hin auf alle mög­li­chen Sze­na­ri­en ge­fasst ma­chen. Der Bun­des­rat hat zwar Ende Juni einen Plan für die nächs­ten Mo­na­te prä­sen­tiert. Der Plan weist in die rich­ti­ge Rich­tung, ihm feh­len aber noch wich­ti­ge Ele­men­te.

Der Bun­des­rat be­tont zwar, dass es keine star­ken wirt­schaft­li­chen und ge­sell­schaft­li­chen Ein­schrän­kun­gen mehr gäbe, so­bald alle, die wol­len, ge­impft sind. eco­no­mie­su­is­se er­war­tet vom Bun­des­rat, dass er sich im Herbst auch tat­säch­lich daran hält. Da­hin­ter steht je­doch die An­nah­me, dass die Imp­fung auch ge­gen­über Mu­ta­tio­nen wirk­sam ist und dass sich die Schwei­zer Be­völ­ke­rung aus­rei­chend imp­fen lässt. Was ge­schieht aber, wenn sich diese An­nah­men nicht be­stä­ti­gen? Würde der Bun­des­rat bei­spiels­wei­se wie­der ge­wis­se Bran­chen schlies­sen, wenn eine Mu­ta­ti­on gegen die Imp­fung re­sis­tent ist? Der Bund und die Kan­to­ne müs­sen sich für die­ses und wei­te­re mög­li­che Sze­na­ri­en vor­be­rei­ten. Dazu braucht es einen Es­ka­la­ti­ons­plan des Bun­des mit ver­schie­de­nen Sze­na­ri­en – die hof­fent­lich nie ein­tref­fen wer­den. Aber bes­ser, wir sind alle vor­be­rei­tet, als über­rascht wie letz­ten Herbst.

In Zu­kunft soll­te also nicht mehr wie zu Be­ginn der Pan­de­mie auf Ad-hoc-In­ter­ven­tio­nen ge­setzt wer­den, son­dern ein prin­zi­pi­en­ori­en­tier­ter An­satz ge­wählt wer­den. Schliess­lich wis­sen wir in­zwi­schen viel mehr über das Virus. Zu­künf­ti­ge Mass­nah­men, die das ge­sell­schaft­li­che und wirt­schaft­li­che Leben ein­schrän­ken, müss­ten fak­ten­ba­siert dort an­set­zen, wo das An­ste­ckungs­ri­si­ko am höchs­ten ist.

Be­stim­mung der Luft­qua­li­tät mit CO₂-Mess­ge­rä­ten

Es ist in­zwi­schen be­kannt, dass das An­ste­ckungs­ri­si­ko in In­nen­räu­men we­sent­lich höher ist als in Aus­sen­be­rei­chen. Aber auch in In­nen­be­rei­chen gibt es gros­se Un­ter­schie­de. Die Luft­qua­li­tät und der Aus­tausch der Raum­luft be­stim­men das An­ste­ckungs­ri­si­ko. Dar­auf soll­ten die Be­hör­den in Zu­kunft ach­ten. Alle Be­trie­be, die nach­wei­sen kön­nen, dass in ihren In­nen­räu­men die Luft­qua­li­tät je­der­zeit gut ist, soll­ten auch wei­test­ge­hen­de Frei­hei­ten haben; und zwar un­ab­hän­gig von der Bran­che und dem Ein­satz des Covid-Zer­ti­fi­kats.

Die Lö­sung liegt auf der Hand: Die Luft­qua­li­tät in In­nen­räu­men soll mit CO₂-Mess­ge­rä­ten über­wacht wer­den. Die Covid-19-Sci­ence Task Force hielt be­reits im April fest: «CO₂-Sen­so­ren stel­len ein zu wenig ge­nutz­tes Mit­tel im Kampf gegen die COVID-19-Pan­de­mie dar.» Je mehr Leute in einem Raum sind und je schlech­ter der Raum be­lüf­tet ist, desto höher ist der CO₂-Ge­halt der Luft und desto höher ist das Ri­si­ko, dass an­ste­cken­de Viren im Raum sind und sich ver­brei­ten – un­ab­hän­gig davon, ob der ge­schlos­se­ne Raum als Re­stau­rant, Fit­ness­cen­ter, Thea­ter oder an­ders­wie ge­nutzt wird. Die Covid-19 Sci­ence Task Force er­ach­tet in ihrem Po­li­cy-Brief vom 19. April 2021 einen CO₂-Ge­halt von 800 bis 1000 ppm (parts per Mil­li­on) als Aus­druck einer guten Luft­qua­li­tät wäh­rend einer Pan­de­mie. Die CO₂-Kon­zen­tra­ti­on soll­te also nicht über die­sem Grenz­wert lie­gen, damit ein In­nen­be­reich als un­be­denk­lich gilt. Falls die CO₂-Kon­zen­tra­ti­on zu hoch ist, kann das Un­ter­neh­men re­agie­ren und ent­we­der we­ni­ger Leute ein­las­sen, eine bes­se­re Lüf­tung ein­bau­en oder in den sau­ren Apfel beis­sen und den Be­trieb ge­mäss den Vor­ga­ben des Bun­des schlies­sen.

Die­ser An­satz ist für ein Un­ter­neh­men ein gang­ba­rer Weg, damit es mehr Frei­hei­ten hätte. Dies zeigt das Bei­spiel der Re­stau­rant­ket­te ti­bits. Sie hat in neun von elf Re­stau­rants seit rund zwei Mo­na­ten im Gäs­te­be­reich CO₂-Mess­ge­rä­te im Be­trieb. Wie die unten ste­hen­de Gra­fik zeigt, war bei­spiels­wei­se am Stand­ort Zü­rich See­feld die Luft­qua­li­tät immer genug gut und es würde aus Sicht des An­ste­ckungs­ri­si­kos kei­nen Grund geben, den Be­trieb zu schlies­sen.

Diagramm CO2-Belastung Tibits

Gra­fik: CO₂-Mes­sung im Re­stau­rant ti­bits See­feld in der Stadt Zü­rich ab Ka­len­der­wo­che 20 im Jahr 2021 (An­mer­kung: Die erste Woche und die Wo­chen 24 / 25 sind nicht aus­sa­ge­kräf­tig, da dann das Gerät ka­li­briert wurde.)

Mit sol­chen Mes­sun­gen kann im Fall der Fälle bran­chen­über­grei­fend und ri­si­ko­ba­siert re­gu­liert wer­den, und der Bund muss nicht mehr im Mi­kro­ma­nage­ment un­ter­schied­li­che Vor­ga­ben für ein­zel­ne Bran­chen er­las­sen. eco­no­mie­su­is­se würde es sehr be­grüs­sen, wenn in Zu­kunft all­fäl­li­ge Schlies­sun­gen wie hier vor­ge­schla­gen fak­ten- und ri­si­ko­ba­siert er­fol­gen wür­den. Denn: Nur das An­ste­ckungs­ri­si­ko zählt, nicht die Bran­che!