# 6 / 2024
07.11.2024

Inländisches Arbeitskräftepotenzial besser ausschöpfen

Ausgangslage

Die Personenfreizügigkeit mit der EU und der bilaterale Weg sind ein Erfolg für die Schweiz. Sie haben Wohlstand und eine hohe Lebensqualität gebracht. Die Zuwanderung ist jedoch eine Sorge der Bevölkerung, die ernst genommen werden muss. Die Nettozuwanderung in die Schweiz ist in den letzten Jahren gestiegen. Die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt aus der EU ist dabei für einen Teil der gesamten Migration verantwortlich.

Es gibt im Wesentlichen zwei Lösungsansätze, um etwas gegen die hohe Nettozuwanderung aus der EU zu tun:

1. Staatliche Begrenzung der EU-Zuwanderung

2. Substitution von EU-Arbeitskräften durch inländisches Personal

Der erste Lösungsansatz entspricht der Stossrichtung der so genannten «Nachhaltigkeitsinitiative», welche die Bevölkerung in der Schweiz auf 10 Millionen Menschen begrenzen will und auch eine Kündigung der Personenfreizügigkeit als Massnahme verlangt. Aus Sicht der Wirtschaft ist dieser Ansatz der falsche. Einerseits, weil er zu statisch und zu bürokratisch ist. Die Initiative ignoriert die demografische Entwicklung und deren Einfluss auf den Schweizer Arbeitsmarkt und die Wirtschaft. Andererseits gefährdet die Initiative den bilateralen Weg, da eine Kündigung der Personenfreizügigkeit auch ein Ende der Bilateralen I bedeuten würde aufgrund der sog. Guillotine-Klausel).

Der zweite Lösungsansatz entspricht der Stossrichtung der Wirtschaft: Die Zuwanderung aus der EU ist arbeitsmarktbezogen. Infolgedessen muss sie mit Massnahmen angegangen werden, die auf den Arbeitsmarkt abzielen, genauer gesagt auf den Bedarf und auf das Angebot an Arbeitskräften im Inland. Massgebliche Faktoren wie die demografische und die wirtschaftliche Entwicklung dürfen dabei nicht einfach ungeachtet bleiben. Ein wichtiger Hebel, um den Bedarf an ausländischen Arbeitskräften zu reduzieren, liegt bei der Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials.

Dieses Papier zeigt auf, wie sich der Schweizer Arbeitsmarkt in den letzten Jahren entwickelt hat (Kapitel 2). Ein Blick auf die Fakten verdeutlicht, dass der liberale Arbeitsmarkt der Schweiz sehr gut funktioniert. Die ebenfalls im Papier aufgeführten Beispiele untermauern dies. Die Unternehmen in der Schweiz haben bis heute eine grosse Zahl von attraktiven Arbeitsplätzen geschaffen und immer wieder flexibel auf gesellschaftliche Veränderungen und die Bedürfnisse der Arbeitnehmer reagiert. Eine grosse Herausforderung wird es aber sein, künftig noch genügend Personen zu finden, damit diese Arbeitsplätze auch besetzt werden können. Der heute schon stark spürbare Mangel an Arbeitskräften wird sich aufgrund der Demografie weiter verschärfen (Kapitel 3). Die Wirtschaft hat diese Herausforderung erkannt. Die Unternehmen sind nicht untätig, sondern haben bereits zahlreiche Massnahmen ergriffen (Kapitel 4). Jetzt ist auch die Politik gefordert, die Bestrebungen der Wirtschaft zu unterstützen (Kapitel 5). Nur wenn wir die Produktivität erhöhen und das inländische Potenzial noch besser ausschöpfen, kann die arbeitsmarktbezogene Zuwanderung gedämpft werden, ohne dass dabei ein massiver und individuell spürbarer volkswirtschaftlicher Schaden entsteht. Anstatt eine starre Begrenzung der Zuwanderung einzuführen, sollte die Schweizer Politik die Hausaufgaben im Inland machen. Der Schweizerische Arbeitgeberverband hat bereits im April 2023 einen konkreten Massnahmenplan zur besseren Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials vorgestellt.