Der Schwei­zer Bei­trag an Fron­tex si­chert den Ver­bleib bei Schen­gen/Dub­lin

Am 15. Mai 2022 stimmt das Schwei­zer Stimm­volk über eine Vor­la­ge mit eu­ro­pa­po­li­ti­schem Fokus ab. Die Stimm­be­rech­tig­ten ent­schei­den dar­über, ob sich die Schweiz wei­ter­hin mit einem so­li­da­ri­schen und ver­hält­nis­mäs­si­gen Bei­trag an der Eu­ro­päi­schen Grenz- und Küs­ten­wa­che Fron­tex be­tei­ligt oder nicht. Da es sich bei die­ser Frage um eine Wei­ter­ent­wick­lung des Schen­gen-Be­sitz­stands han­delt, geht es beim be­vor­ste­hen­den Ur­nen­gang aber um viel mehr – näm­lich um den Ver­bleib der Schweiz bei den Ab­kom­men Schen­gen und Dub­lin. Beide Über­ein­kom­men sind in vie­ler­lei Hin­sicht wich­tig für die Schweiz: Ins­be­son­de­re für die Si­cher­heit, für das un­kom­pli­zier­te und bar­rie­re­freie Rei­sen in­ner­halb Eu­ro­pas, für die Wirt­schaft, für den Tou­ris­mus und das an­schlies­sen­de Ge­wer­be sowie auch für das Asyl­we­sen. All diese Er­run­gen­schaf­ten dür­fen nicht leicht­fer­tig aufs Spiel ge­setzt wer­den.

Die Eu­ro­päi­sche Agen­tur für die Grenz- und Küs­ten­wa­che – kurz auch Fron­tex ge­nannt – spielt eine wich­ti­ge Rolle beim Schutz der Aus­sen­gren­zen des Schen­gen-Raums, zu dem seit 2008 auch die Schweiz ge­hört. Ge­ra­de die eu­ro­päi­sche Flücht­lings­kri­se 2015 hat ge­zeigt, dass be­ste­hen­de Grenz­schutz­me­cha­nis­men heute nicht mehr aus­rei­chen, um den wach­sen­den Mi­gra­ti­ons­druck rich­tig be­wäl­ti­gen zu kön­nen. Nicht sel­ten liess sich in der Ver­gan­gen­heit die Über­for­de­rung an den Schen­gen-Aus­sen­gren­zen im Süden und Osten Eu­ro­pas be­ob­ach­ten. Auch ak­tu­el­le Ent­wick­lun­gen be­stä­ti­gen die­ses Bild. Die Er­eig­nis­se vom No­vem­ber 2021 an der Gren­ze zwi­schen Polen und Weiss­russ­land oder die an­dau­ern­den Flücht­lings­be­we­gun­gen an der Süd­gren­ze des Schen­gen-Raums wer­den ver­mehrt mit ad­mi­nis­tra­ti­ver Über­for­de­rung und Men­schen­rechts­ver­stös­sen in Ver­bin­dung ge­bracht.

Nur mit aus­rei­chend Res­sour­cen kann Fron­tex ihre Auf­ga­ben unter Ach­tung der Men­schen­rech­te er­fül­len

Um die zu­neh­men­den Mi­gra­ti­ons­be­we­gun­gen an der Süd­gren­ze des Schen­gen-Raums bes­ser hand­ha­ben und die in­ter­na­tio­nal or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät ge­ziel­ter be­kämp­fen zu kön­nen, ist eine zeit­ge­mäs­se Wei­ter­ent­wick­lung von Fron­tex und ihre Aus­stat­tung mit mehr Res­sour­cen un­ab­ding­bar. Der Aus­bau soll aber auch mit einer Pro­fes­sio­na­li­sie­rung von Fron­tex ein­her­ge­hen, um die Men­schen­rech­te künf­tig bes­ser zu schüt­zen.

Die Nicht­teil­nah­me an Fron­tex be­deu­tet das Ende der Schwei­zer Teil­nah­me an Schen­gen und Dub­lin

Mit der Teil­nah­me an Fron­tex si­chert die Schweiz auch ihre Mit­glied­schaft im Schen­gen-Raum und beim Dub­lin-Ab­kom­men. Denn beim Vor­ha­ben han­delt es sich um eine Wei­ter­ent­wick­lung der Schen­gen-Be­stim­mun­gen, wes­halb sich alle Mit­glied­staa­ten an­teil­mäs­sig daran be­tei­li­gen. Das­sel­be gilt auch für die Schweiz. Ent­ge­gen den Be­haup­tun­gen der Geg­ner lässt ein Blick in den Ver­trags­text keine Zwei­fel offen: Bei Nicht­über­nah­me einer Ver­pflich­tung aus dem Schen­gen-Ab­kom­men ver­lässt die Schweiz den Schen­gen-Raum au­to­ma­tisch in­ner­halb von sechs Mo­na­ten. Weder die EU noch die Schweiz müs­sen das Ab­kom­men kün­di­gen. Weil das Dub­lin-Ab­kom­men recht­lich mit Schen­gen ver­knüpft ist, würde die Schweiz zum glei­chen Zeit­punkt auch ihre Mit­glied­schaft beim Dub­lin-Ab­kom­men aufs Spiel set­zen.

Die Über­ein­kom­men Schen­gen und Dub­lin sind von gros­ser Be­deu­tung für die Schweiz

Beide Ver­trä­ge haben der Schweiz in vie­len Be­rei­chen wert­vol­le und wich­ti­ge Vor­tei­le ge­bracht. Mit Schen­gen wurde zum Bei­spiel ein ge­mein­sa­mer Si­cher­heits­raum ge­schaf­fen mit stär­ke­rem Schutz an den Aus­sen­gren­zen und en­ge­rer Po­li­zei­zu­sam­men­ar­beit im In­nern. So haben die Schwei­zer Po­li­zei- und Jus­tiz­be­hör­den unter an­de­rem Zu­griff auf die eu­ro­päi­schen Fahn­dungs­da­ten­ban­ken und kön­nen grenz­über­schrei­tend Ver­bre­chen ef­fi­zi­en­ter und er­folg­rei­cher be­kämp­fen. Be­reits 2019 konn­ten da­durch 21’000 Fahn­dungs­er­fol­ge er­zielt wer­den. Schen­gen führt somit zu mehr Si­cher­heit in der Schweiz. Zudem kön­nen sich Schwei­zer Bür­ge­rin­nen und Bür­ger in­ner­halb Eu­ro­pas frei und ohne sys­te­ma­ti­sche Per­so­nen­kon­trol­len be­we­gen. Und aus­län­di­sche Tou­ris­ten kön­nen mit dem Schen­gen-Visum ganz Eu­ro­pa und auch die Schweiz be­su­chen. Das ist ins­be­son­de­re für den Tou­ris­mus und das an­schlies­sen­de Ge­wer­be be­deu­tend. Dank der Mit­glied­schaft bei Dub­lin wer­den aus­ser­dem die Asyl­ge­su­che in ganz Eu­ro­pa ko­or­di­niert, Dop­pel­ge­su­che ver­un­mög­licht und Asyl­an­trä­ge schnell und ef­fi­zi­ent be­ar­bei­tet.

Um all diese Er­run­gen­schaf­ten für die Schweiz zu er­hal­ten, braucht es am 15. Mai ein kla­res Ja an den Urnen. Es steht mehr auf dem Spiel, als auf den ers­ten Blick er­sicht­lich ist.

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