Erster Schritt zu einem Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristen
Der Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristen ist aus Sicht der Wirtschaft ein wichtiges Element der laufenden Revision der Zivilprozessordnung. Ein fehlender Geheimnisschutz macht unsere Unternehmen international angreifbar. Das Resultat der heutigen Debatte im Ständerat stellt einen wichtigen Teilschritt zur Stärkung unseres Wirtschaftsstandorts dar. Es gilt nun aber, im Nationalrat eine in der Praxis funktionierende Lösung zu finden.
Geschäftsleitungsmitglieder und Mitarbeitende von Unternehmen können im Alltag mit Situationen konfrontiert werden, in denen sie auf rechtliche Auskunft angewiesen sind. Unternehmensjuristen sind in solchen Situationen die erste Anlaufstelle, denn sie kennen die Branche, regionale Besonderheiten, Personen des Unternehmens und Strategien ihrer Arbeitgeberin am besten. Ein auf nationaler Ebene verankerter gesetzlicher Geheimnisschutz ist für die Unternehmen relevant, damit die Unternehmensjuristen keine sensitiven Risikoinformationen preisgeben müssen.
Andere Länder positionieren sich geschickt im internationalen Wettbewerb
Im angloamerikanischen Recht ist der Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristen seit Langem bekannt und schützt die Unternehmen vorwiegend im Vorfeld von Zivilprozessen. Gleichwohl handelt es sich dabei nicht nur um eine angloamerikanische Prozesseigenheit. Zahlreiche europäische Länder wie namentlich Deutschland, die Niederlande, Belgien und Spanien, aber zum Beispiel auch Singapur haben in den letzten Jahren einen entsprechenden Schutz für ihre Unternehmen eingeführt. Der fehlende prozessuale Geheimnisschutz für Unternehmensjuristen macht unsere schweizerischen Unternehmen enorm angreifbar und stellt einen Standortnachteil für die Schweiz dar. Die Schweiz muss ihr Abwehrdispositiv in Zivilprozessen gegen Unternehmen erhöhen, damit diese nicht leichtfertig zum Einfallstor für die international organisierte Klageindustrie wird.
Auch Stärkung der internen Compliance von Unternehmen
Der Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristen stärkt auch die interne Compliance eines Unternehmens. Gewissenhafte Mitarbeitende werden ermuntert, mögliche Fehler nicht zu vertuschen, sondern mit der Unternehmensjuristin zusammenzuarbeiten. Diese erhält dadurch die Möglichkeit, die Situation zu analysieren und im Interesse der gemeinsamen Arbeitgeberin die geeigneten Massnahmen zu ergreifen. Verstösst der Mitarbeiter dabei gegen Schweizer Recht, ist sein Verhalten auch nach Einführung des Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristen nicht geschützt und kann weiterhin geahndet werden.
Der Kompromissvorschlag des Bundesrats ist zielführender
Bundesrat und auch die Rechtskommission des Ständerats haben die Notwendigkeit eines Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristen erkannt. Zurzeit stehen daher zwei unterschiedliche Vorschläge zur Diskussion: der Vorschlag des Bundesrats und der Vorschlag der Rechtskommission des Ständerats, der nunmehr vom Ständerat in erster Lesung unterstützt wurde. Diese Lösung überzeugt technisch aber nicht. Beim Vorschlag der Rechtskommission des Ständerats ist zu befürchten, dass aufgrund der Formulierung und dem Vorbehalt eines «Gegenrechts» die schweizerischen Unternehmen in einem internationalen Zivilprozess kaum geschützt würden. Zudem wäre die Rechtsunsicherheit in jedem einzelnen Fall für das betroffene Unternehmen gross, weshalb die Wirtschaft sich wiederholt für den bundesrätlichen Vorschlag ausgesprochen hat. Diese Variante wurde in der heutigen Debatte mit 28 Stimmen zu 13 Stimmen, und trotz der klaren Unterstützung durch die Bundesrätin, abgelehnt.
Unsere Unternehmen verfolgen mit Spannung, wie es im Nationalrat weitergeht
Die ZPO-Revision wird nun am 24./25. Juni von der Rechtskommission des Nationalrats beraten und kommt danach in den Nationalrat. Mit der Fassung des Bundesrats liegt ein breit abgestützter Kompromiss vor, welchen der Nationalrat gegenüber der Fassung des Ständerats bevorzugen sollte.