Nach G-7 – Der Standortwettbewerb geht weiter
Die sieben grossen Industriestaaten (G-7) haben sich auf eine neue internationale Steuerarchitektur verständigt. Anfang Juli diskutieren die Gremien der OECD und der G-20. Sofern eine globale Einigung gelingt, werden die Schweiz und ihre internationalen Unternehmen betroffen sein. Unser Standort verfügt allerdings über zahlreiche Konkurrenzvorteile. Hinsichtlich der steuerlichen Mehrbelastung stellt sich die Frage der Kompensation.
Gemäss den G-7 sollen die «grössten und profitabelsten» Unternehmen einen Teil ihrer Gewinne in den Marktstaaten versteuern. Zudem soll eine globale Mindestgewinnsteuer von 15 Prozent durchgesetzt werden. Die «Steuerrevolution» ist allerdings noch nicht in trockenen Tüchern. Die alten Industriestaaten können für sich keine globale Einigung beanspruchen. Der Teufel liegt im Detail. Wie definiert man die Liste der «grössten und profitabelsten» Unternehmen? Welche unilateralen Digitalsteuern müssen im Gegenzug abgeschafft werden? Akzeptieren die Schwellenländer ein verbindliches Schiedsverfahren zur Aufteilung der Besteuerungsrechte? Mangels Einigkeit dürften die OECD-/G-20-Gremien Anfang Juli Beschlüsse zu entscheidenden Parametern aussparen und auf einen späteren Zeitpunkt in diesem Jahr verschieben.
Die genauen Auswirkungen auf die Schweiz bleiben damit vorerst unklar. Als kleines Land mit vielen internationalen Unternehmen und einem attraktiven Steuerniveau wird sie allerdings stärker als manch anderer Staat betroffen sein. Der Schweizer Fiskus dürfte Einnahmen verlieren, wenn global tätige Schweizer Unternehmen einen Teil der Gewinne in ihren Absatzländern versteuern. Im Gegenzug werden zum Beispiel die grossen US-Digitalunternehmen mehr Steuern im kaufkräftigen Absatzmarkt Schweiz abliefern. Mit der Mindestbesteuerung – dem zweiten Pfeiler des Projekts – verbleibt das primäre Steuerrecht im Ansässigkeitsstaat. Solange die Schweiz die Mindeststeuer ausschöpft, fallen die Mehreinnahmen hier und nicht anderswo an.
Wichtig sind die mittelfristigen Effekte auf den Unternehmensstandort
Im Standortwettbewerb hat die Schweiz gute Karten. Das hat sich bereits beim Vorgängerprojekt der OECD gegen «Base Erosion and Profit Shifting» (BEPS) gezeigt. Die künstliche Gewinnverschiebung ist seither stark eingeschränkt, substanzlose Briefkastenfirmen so gut wie irrelevant. Stattdessen werden die Gewinne am Ort der Wertschöpfung besteuert, sprich dort, wo die Produkte und Dienstleistungen unter Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Technologie erschaffen werden. Die Schweiz ist ein hervorragender Standort dafür. Auch dank einer geschickten Steuerpolitik (STAF-Vorlage von 2019) konnte BEPS der Schweiz nichts anhaben. Im Gegenteil, Unternehmen haben damit einen Anreiz, vermehrt echte ökonomische Substanz hierzulande anzusiedeln (Forschung und Entwicklung, risikotragende Investitionen und die entscheidenden Managementfunktionen).
Standortfaktoren geschickt ausspielen und Steuererhöhung kompensieren
Die daraus folgende Unzufriedenheit mächtiger Hochsteuerstaaten ist der Ausgangspunkt für das neue globale Steuerprojekt. Die Gewinnsteuer soll als Wettbewerbsfaktor eingeschränkt werden. Doch die Geschichte dürfte sich wiederholen, denn der echte Standortwettbewerb – der Wettbewerb der Staaten um ertragsstarke Unternehmen, die hochwertige Arbeitsplätze bieten und in die Forschung investieren – wird damit kaum eingeschränkt. Wahrscheinlich ist, dass er sich verlagert. Die Gewinnsteuer ist lediglich ein Teil eines Pakets von Standortfaktoren (Arbeitsmarkt, in- und ausländische Fachkräfte, Bildungssystem, Forschungseinrichtungen, Infrastruktur, Finanz- und Währungspolitik, politische Stabilität usw.). Hier hat die Schweiz viel zu bieten. Ein Nachteil sind allerdings die hohen Kosten der Geschäftstätigkeit hierzulande (beispielsweise die Löhne und Immobilienkosten). Entsprechend wird man sich mit dem Thema Direktförderung auseinandersetzen müssen. Die Schweiz wird gezwungen, zu spielen wie die anderen – und andere Staaten spielen intensiv auf diesem Feld.
Für Panik besteht aktuell kein Grund. Die Binnenwirtschaft und die KMU sind von der Mindestbesteuerung nicht betroffen und können weiterhin von der seit STAF attraktiven Steuerumgebung profitieren. Die international tätigen Unternehmen in der Schweiz (globaler Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro) müssen steuerlich stärker belastet werden. Für sie stellt sich die Frage der Kompensation. Steuerlich kann die Schweiz Standortnachteile ausserhalb der Gewinnsteuern abbauen: etwa bei der Verrechnungssteuer oder den Stempelabgaben. Vorstellbar sind auch Massnahmen ausserhalb des Steuerrechts, etwa im Bereich Forschung und Entwicklungsförderung. Die Diskussion, wie die Schweiz ihren Unternehmensstandort auch im Rahmen der neuen Steuerarchitektur attraktiv halten wird, hat begonnen. Die Massnahmen werden mit darüber entscheiden, ob unser Land als internationaler Unternehmensstandort auch in Zukunft die Stärke aufweist, die es heute hat.