OECD «Tax Party» zur Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft
Am 13. und 14. März veranstaltete die OECD «a big tax party», zumindest gemäss den Worten von Pascal Saint-Amans, Steuerchef der Organisation. Gross war die Versammlung mit über 400 Teilnehmern allemal. Sie kamen zu einer öffentlichen Konsultation zur Firmenbesteuerung in der Digitalisierung in Paris zusammen. Ob es etwas zu feiern gab, bleibt hingegen fraglich. Aus Sicht einer kleinen, offenen und hoch innovativen Volkswirtschaft überwiegt die Besorgnis. economiesuisse hat sich an der Konsultation beteiligt.
Direkt zu Beginn der Veranstaltung zeigte sich, unter welch massivem politischem Druck die OECD dieses Projekt vorantreibt. Grace Perez-Navarro, Vize-Steuerchefin der OECD, verwies auf die weltweit «höchste politische Priorität» des Themas und auf die zahlreichen Diskussionen auf höchster politischer Ebene, etwa am IWF/Weltbank-Frühjahrstreffen in Washington Mitte April, am OECD-Ministertreffen in Paris im Mai sowie am Treffen der G-20-Finanzminister und Gipfeltreffen im Juni in Tokyo. Die G-20 hat denn auch den Tarif durchgegeben: Bis 2020 soll die OECD eine «consenus-based, global solution» abliefern. Woran die EU mit 28 Mitgliedsstaaten kürzlich gescheitert ist, das soll die OECD bis im nächsten Jahr unter den teilnehmenden 128 Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern erreichen. Keine leichte Aufgabe, zumal unter dem Titel «Addressing Tax Challenges of the Digitalisation of the Economy» fundamentale Prinzipien des internationalen Steuerrechts revidiert werden sollen.
Unklar ist, wie das Projekt mit den Zielen der OECD, also der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und des internationalen Handels, vereinbar ist. In jedem Fall stellt es den bisher grössten «Erfolg» von Saint-Amans – das Projekt gegen Gewinnverkürzungen und Gewinnverschiebungen («Base Erosion and Profit Shifting», BEPS) – noch während der Umsetzung bereits wieder infrage. Die von G-20-Staaten zur Konsultation vorgeschlagenen vier Ansätze kratzen das BEPS-Grundprinzip – die Besteuerung am Ort der Wertschöpfung – jedenfalls mehr als nur an. Faktisch geht es in allen Vorschlägen darum, Ländern mit grossen Absatzmärkten mehr Gewinnbesteuerungsrechte zuzuweisen.
Im heutigen System entschädigt die Gewinnsteuer die Nutzung der staatlichen Infrastruktur am Ort der Produktion und der Innovation. Sie fällt also dort an, wo materielle, aber auch immaterielle Güter durch die Angestellten der Firmen entwickelt und erzeugt werden, wo investiert wird und wo die unternehmerischen Risiken getragen werden (place of origin). Im Gegensatz dazu fällt die Mehrwertsteuer am Ort des Konsums an. Das ist international unbestritten. Aussagen, gemäss denen hoch digitalisierte Firmen ohne physische Präsenz am Ort der Nutzer keine Steuern bezahlen, lassen sich mit Verweis auf die Mehrwertsteuer leicht entkräften. Auf machtpolitischen Druck gewisser Staaten hin soll nun aber zusätzlich zur Mehrwertsteuer auch die Gewinnsteuer teilweise in den Absatzländern, am Ort der Nutzer und Konsumenten anfallen.
Die Diskussionsvorschläge haben potenziell gravierende Auswirkungen auf innovative, international tätige Schweizer Firmen. Es besteht die Gefahr, dass Gewinnsteuern in Staaten bezahlt werden müssen, wo Firmen keinerlei produktive Tätigkeiten angesiedelt haben. Umgekehrt drohen an Orten, an denen Produktion und Innovation angesiedelt sind, für die Firmen wichtig staatliche Investitionen (etwa in Infrastruktur oder Bildung) vernachlässigt zu werden, weil diese durch die Firmen nicht mehr genügend abgegolten werden. Durch die Infragestellung bewährter Prinzipien ist zudem ein andauernder internationaler Streit um Steuersubstrat absehbar, unter dem die Firmen wegen jahrelanger Rechtsstreitigkeiten und Doppelbesteuerungen leiden.
economiesuisse hat das Thema deshalb aufgenommen und sich zusammen mit SwissHoldings an der Konsultation mit einer detaillierten Stellungnahme zu den OECD-Vorschlägen beteiligt. Sie finden die ausführliche Stellungnahme hier.